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Vanquish

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Sam Gideon schlittert im Zeitraffer über den hexagonal verzierten Stahlboden in Richtung der Deckung. Weit vor ihm stampfen zwei riesige Mechs, die hitzegeleitete Raketen abschießen und nicht sparsam mit ihrer MG-Munition umgehen. Um den Geheimagenten der Defense Advance Research Projects Agency (Darpa) herum geht derweil eine Weltraumkolonie unter, die eigentlich friedlich und sauber Solarenergie produzieren sollte.

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Fast jede Deckung zersplittert unter dem Mech-Dauerbeschuss in tausend kleine Teile. Auf diesen wirklich beeindruckenden Shrapnel-Effekt sind sie bei Platinum Games besonders stolz. Ich beginne zu verstehen, warum sich Special Effects-Chef Takeo Kido regelmäßig freut wie ein kleines Kind... und nicht nur dann, wenn die Endbosse in Rauch und Splittern aufgehen.

In der Vorschau-Version für Xbox 360, die wir gespielt haben, war allein der erste Akt freigeschaltet. Ein Akt, aufgeteilt in acht Missionen und nach knapp einer Stunde Spielzeit geschafft. Jetzt will ich nur eines: mehr davon! Mehr Vanquish. Mehr Shinji Mikami. Dass der Action-Shooter des Resident Evil-Machers Potenzial hat, war schon durch Trailer und Screenshots sichtbar. Aber dass es ein derart großartiges, intensives und bisweilen trippiges Spielerlebnis ist, war nicht unbedingt zu erwarten. Zehn Stunden Spielzeit taxiert der Entwickler - und ich will jede Sekunde davon haben. Sofort...

Alles beginnt mit einem Energiestrahl aus dem All, der San Francisco ins Visier nimmt. Die emsigen Großstädter ahnen nichts davon. Ihre Kinder laufen fröhlich durch die Parks der Westküsten-Idylle. Die Kleinen sehen den hellroten Strahl zuerst, der zur Erde hinabjagt. Direkt neben der Transamerica Pyramid trifft er die Stadt und Sekunden später bricht die Hölle los. Die freiwerdende Energie zerbröselt Häuser, Straßen und die Golden Gate Bridge. Die Adern der Amerikaner schwellen an. Arglose Menschen zerplatzen in ihren Autos und auf offener Straße. Die gnadenlose Energiewelle überhitzt die Stadt und das Blut kocht in den Menschen über. So sieht das bittere Resultat einer neuen Superwaffe in den Händen eines russischen Wahnsinnigen aus. Gebaut von den Amerikanern, die offenbar von einem eigenen Mann betrogen wurden.

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Die Grafik sieht erstklassig aus und besticht durch ihre optische Eigenständigkeit und fette Effekte.
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Nun bleiben acht Stunden, um den zweiten Schachzug und alle weiteren Aktivitäten des offenkundig wahnsinnigen Russen Viktor Zaitsev zu verhindern. Der will New York City zum zweiten San Francisco machen. Verhindern, sagt der Boss des Ordens des russischen Sterns, ließe sich das nur, wenn sich die Vereinigten Staaten bedingungslos ergeben. US-Präsidentin Elisabeth Winters aber verhandelt nicht mit Terroristen und schickt stattdessen ihre Truppen hoch ins Weltall zu jener US-Weltraumkolonie, die die Russen nach der Belagerung zur Mikrowellen-Energiewaffen umgebaut haben.

Die Rettungsmission soll Sam Gideon übernehmen, gemeinsam mit der Kriegslegende Robert Burns und seiner riesigen Truppe. Sam steckt in einem übercoolen Augemented Reaction Suit. Das ist eine experimenteller Carbon-Kampfzug, der wie aus einem Video von Chris Cunningham wirkt. Gebaut hat diesen Anzug Professor Francois Candide, der schlaue Kopf von Darpa, jener Highend-Hilfsorganisation für heikle Kriegsgeschäfte. Die bauen seit 1958 fürs US-Verteidigungsministerium neue Waffen. Offenbar hatten sie einigen Erfolg, wie sowohl der Anzug unseres Helden als auch das Massaker in San Francisco bekunden. Die offizielle Mission lautet also: den Russen vernichten. Hinter den Kulissen sollen wir zudem Professor Candide retten, denn der Mann weiß zu viel.

Vier Schwierigkeitsstufen gibt es in Vanquish: Casual Auto, Casual, Normal und Hard. Casual Auto spielt sich von selbst, Hard ist in traditioneller, japanischer Manier wirklich hart. Zu hart, finde ich. Aber normal ist tatsächlich perfekt balanciert. In der anfänglichen Trainingssequenz werden wir mit allen Funktionen des Anzugs vertraut gemacht. Zwei wesentliche Dinge machen Sam zu einer mächtigen Ein-Mann-Armee. Der AR-Mode des Anzugs versetzt ihn in eine Bullettime-Zeitlupe. Das passiert entweder automatisch kurz vor dem Tod, um diesem mit einigen präzisen Treffern von der Schippe zu rutschen. Oder Sam löst den AR-Modus aus einem Ausweichmanöver heraus manuell aus. In beiden Fällen bleiben nur einige wenige Sekunden, bis der Anzug überhitzt und der hilfreiche Effekt vorbei ist. Dann sollte man besser irgendwo in der Deckung angekommen sein.

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Sam Gideon im ARS und sein Vorgesetzter im Schlachtfeld, Robert Burns. Freunde sind sie anfangs nicht, aber beide gute Kämpfer.
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Der Anzug kann aber auch das genaue Gegenteil, nämlich Boosten und Sam in einen Zeitraffer-Sprintmodus versetzen. Damit lassen sich Ausweichmanöver starten oder es geht gleich in den Frontalangriff über, an dessen Ende mächtige Meele-Attacken stehen. Die Stärke der Nahkampfattacke ist abhängig von der Waffe, die Sam trägt. 13 verschiedene Knarren waren in der Preview-Version spielbar, darunter Klassiker wie Sturm- und Maschinengewehr, Schrotflinte, Scharfschützengewehr oder Raketenwerfer. Interessanter aber sind die Spezialwaffen. Der Disk Launcher schießt tödliche Carbonscheiben raus. Der Lock-On-Laser sucht sich automatisch sein Ziele und feuert mächtige Energiestrahlen ab. Die Niederfrequenzenenergiepistole schickt einen riesigen Energieball ins Rennen. Die Krönung sind eine tragbare Laserkanone und das geboostete Maschinengewehr. Drei Waffen darf Sam maximal tragen, zusätzlich dazu zwei Sorten Granaten (EMP- und Splittergranaten waren am Start). Ausgewählt werden die Waffen komfortabel übers digitale Steuerkreuz.

All diese Waffen sind verbesserbar, indem man Upgrades einsammelt, die Gegner fallen lassen oder die in Kisten versteckt sind. Direkte Upgrades wirkt sich immer unmittelbar auf die gerade gehaltene Waffen aus, verbessern etwa die Nachladegeschwindigkeit oder erhöhen die Kapazität des Magazins. Indirekte Upgrades gibt‘s, wenn wir Waffen einsammeln und dabei ein volles Magazin haben. Eigentlich wäre das Munition, aber bei vollem Magazin wird die Waffe verbessert. Das klappt aber nur bei ausgerüsteten Waffen. Wer verwundeten Kameraden hilft, kriegt übrigens als Belohnung immer ein solches Waffenitem. Es lohnt sich also, den KI-Mitspielern zu helfen, wenn ein Kreuz über ihrem Kopf blinkt.

Robert Burns ist anfangs übrigens erst einmal keine große Hilfe. Er mag uns offenkundig nicht, diese Hardcore-Old-School-Version eines Helden. Fette Muskeln, dichter Bart, markige Sprüche. Er hat einige bionische Implantate drin, weil er als hoch dekorierter Kriegsheld viel erlitten hat. Sam Gideon dagegen ist der smarte Kriegsheld. Schlanker, mehr Hightech, aber immerhin raucht er noch Zigaretten. Dennoch ziehen die beiden gemeinsam in den Krieg. Burns gibt als von der Künstlichen Intelligenz gesteuerter Kommandant eine gute Figur ab. Er hilft wo er kann, ohne einem das Leben zu einfach zu machen. Koop-Gameplay drängt sich hier auf, wird aber nicht am Start sein.

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Mechs wie diese sind groß, schnell und eine tödliche Gefahr. Da hilft nur schnelles Ausweichen, am besten mit dem Boost-Feature.

An Druck mangelt es Vanquish ohnehin nicht. Eingetaucht in einen Grafikwahnsinn aus Effekten kämpft sich Sam durch die ziemlich linear konzipierten Level in die Weltraumstation hinein. Größere, fettere Explosionen, zahlreiche Russenrobotergegner sowie Hektik und Panik ohne Unterlass. Das Gameplay von Vanquish ist in einem Wort: intensiv. Der Bildschirm ruckelt und wackelt bei Detonationen. Die Steuerung, die Kamera, alles tadellos. Man sieht und spürt die Energie der Bedrohung. Immer wieder wird die Action unterbrochen von Zwischensequenzen, die überzeugend inszeniert sind und sich nahtlos in die direkte Action einpassen. Die Action ist nicht nur Third-Person-Shooter, Sam darf auch kleinere Roboter-Walker entern, wenn der rot-glänzende Pilot, der den AT-AT-Verschnitt steuert, vom Steuersitz geballert ist.

Nachdem die ersten Gegnerwellen abserviert sind, wird‘s zum ersten Mal ernst. Ein wahrhaft riesiger KNRB-O-Argus-Roboter frisst sich durch den Stahl aus dem Stockwerk unter uns. Sam und der Rest der Gang flüchten auf einen Balkon, aber die Stahlkrabbe legt sofort los. Nach einem kurzen, heftigen Kampf verwandelt sie sich in einem stehenden, haushohen Koloss. Das Gameplay ist hier zwar faktisch sehr herkömmlich, nach dem Motto: Schieß auf Gelenke und leuchtende Punkte am Körper, um den Typen zu besiegen. Aber der Kampfanzug haut alles raus. Während der Roboter aus allen Rohren und Körperöffnungen feuert - mit hitzegeleiteten Raketen, mit Lasern und Maschinengewehren, steigt der Druck so hoch an, dass man mit konventionellen Shooter-Skills nicht weiter kommt. Also hilft nur die Kombination aus Ausweichen, Rutschen, Ballern, der ständige Wechsel von schnellem Vorspulen via Boost und AR-Superzeitlupe für präzise Treffer oder das Abschießen einfliegender Raketen. Im Ergebnis ist das ein bezauberndes und brutales Baller-Ballett, untermalt von hektischem Techno. Herrlich.

Wer im Kugelhagel untergeht, wird dreifach bestraft: mit dem Zurücksetzen an den letzen Checkpoint, mit Punktabzug in der Statistik am Ende jeder Mission und damit, dass alle Waffen in den Modi Normal oder höher einen Teil ihrer Upgrades verlieren. Autsch!

Mitten im Kampf mit dem KNRB-O-Argus springt Sam plötzlich dem Roboter auf die Schulter. Der schießt als Antwort ein fettes Projektil in unsere Richtung, dem wir mit Kreisbewegungen an den Analogsticks ausweichen. Wer dieses Quick-Time-Event dreimal erfolgreich absolviert, schickt dem Roboter das Projektil mit besten Grüßen zurück ins Gelenk. Cool gemacht. Am Ende des ersten Akts folgt noch eines dieser sehr sparsam eingesetzten Events, als wir Viktor Zaitsev die Energiefaust gegen seine gepanzerte Brust rammen. Das tötet ihn nicht und verhindert auch nicht, dass er Professor Francois Candide entführt.

Am Ende des ersten Aktes lese ich meine Statistik: benötigte Zeit, genutzte Deckungen, zurückgelegte Distanz, verbrauchte Munition, eigene Tode, im Kampf gefallene Kameraden, geheilte Kameraden, meine Kills und zerstörte Pangloss-Statuen. Was die auslösen, keine Ahnung. Was die Werte der Statistik machen, ist indes klar. Die speisen die gierigen Onlineranglisten. Das dürfte den Wiederspielwert ein bisschen erhöhen, wobei es wohl am Ende eher ein japanisches Phänomen ist, in solchen Spielen auf Highscorejagd zu gehen.

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