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Vanquish

Vanquish

Total Score 254000, 4:33:06 Stunden Spielzeit, 6.29 Prozent der Zeit in der Deckung verbracht, 39651 wie auch immer geartete Wegeinheiten weit gelaufen, dabei 19296 Schuss Munition abgefeuert, 21 mal gestorben, 485 Kameraden sterben gesehen, 16 noch rechtzeitig geheilt, selbst 873 Typen umgenietet und fünf Pangloss-Statuen gefunden (keine Ahnung, was die machen), um eine Erkenntnis zu erlangen: die US-Präsidentin ist eine fiese Schlampe.

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Pfffff. Vanquish ist durch. Am Ende. Erledigt. Es war wie ein toller Ausgeh-Abend mit dem Action-Shooter aus Japan: laut, grell, extrem, hektisch, cool, besoffen, übertrieben, infantil, bescheuert und leider viel zu kurz. Alles auf einmal, hineingepackt in knapp fünf sehr unterhaltsame Stunden. Eine große Videospielparty, geteilt in fünf Akte.

Jeder davon treibt uns tiefer hinein in eine riesige Weltraumkolonie im Orbit der Erde. Das Teil ist groß genug, um über 300 Meter hohe Mechs zu beherbergen, die uns das Leben zur Hölle machen. Die Kampfroboter gehören zum Arsenal des wahnsinnigen Russen Viktor Zaitsev. Der hat die Weltraumstation zur Mikrowellen-Energiewaffe umgebaut, San Francisco bereits zu Matsche gegrillt und erpresst nun die USA. Als nächste Metropole wäre New York dran. Nun bleiben acht Stunden, um zu verhindern, dass sich die Vereinigten Staaten bedingungslos ergeben müssen. US-Präsidentin Elisabeth Winters schickt ihre Truppen hoch ins Weltall.

Eine Mission für Sam Gideon ist das. Der in jeder sich bietenden Zwischensequenz Zigaretten rauchende Held steckt in einem übercoolen Augemented Reaction Suit. Der experimentelle Carbon-Kampfzug macht Sam zur Ein-Mann-Armee. Im AR-Mode des Anzugs verlangsamt sich die Spielwelt durch die Bullettime-Zeitlupe. Das passiert entweder automatisch kurz vor dem Tod, um diesem mit einigen präzisen Treffern von der Schippe zu rutschen. Oder Sam löst den AR-Modus manuell aus einem Boost-Ausweichmanöver heraus aus. In beiden Fällen bleiben nur einige wenige Sekunden, bis der Anzug überhitzt und der hilfreiche Effekt vorbei ist. Dann sollte man besser irgendwo in der Deckung angekommen sein. Auch seine wirksamen Meele-Nahkampfangriffe kann Sam hier unterbringen.

Vanquish
Laserstrahl direkt ins Robotergesicht. "In-your-Face"-Action wie diese ist an der Tagesordnung in Vanquish.
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Das Gameplay von Vanquish lebt von diesem Wechselspiel aus extremer Beschleunigung und Verlangsamung. Um zwischen den Deckungspositionen hin- und her zu sliden, ist der AR-Boost sehr hilfreich. In Kombination mit der AR-Bullettime lassen sich Gegner prima ballernd einkreisen oder die Schwachpunkte der fetten Endbosse entdecken. Und ganz alleine müssen wir auch nicht ran. An unser Seite kämpfen Kriegslegende Robert Burns und seine Marines. Die agieren weitgehend autonom und gar nicht mal so dumm. Werden sie trotzdem mal angeschossen, können wir ihnen mit einer Adrenalinspritze in den Brustkorb helfen. Dafür gibt's eine Sofort-Belohnung in Form eines Waffenitems. Sehr sehr schade, dass der Koop-Modus (und ein Multiplayer sowieso) fehlen.

Die Waffen in Vanquish lassen sich in mehreren Stufen aufleveln, um deren Zielgenauigkeit, Schaden oder Magazinstärke zu verbessern. 13 Knarren sind am Start: Klassiker wie Sturm- und Maschinengewehr, Schrotflinte, Scharfschützengewehr oder Raketenwerfer natürlich, aber interessanter sind die Spezialwaffen. Der Disk Launcher schießt tödliche Carbonscheiben raus. Der Lock-On-Laser sucht sich automatisch seine Ziele und feuert mächtige Energiestrahlen ab. Die Niederfrequenzenergiepistole dampft mit einem riesigen Energieball Mensch und Maschine ein. Dann gibt‘s noch eine tragbare Laserkanone, ein Boost-Maschinengewehr und eine Anti-Panzerung-Pistole. Drei Waffen trägt Sam maximal gleichzeitig, zusätzlich dazu EMP- und Splittergranaten. Ausgewählt werden die Waffen komfortabel übers digitale Steuerkreuz.

Die Verbesserung der Waffen wird über sammelbare Upgrades geregelt, die Gegner fallen lassen oder die in Kisten versteckt sind. Leider sind die favorisierten Waffen relativ schnell hochgelevelt - hier ist das Spiel am Ende dann doch etwas lahm. Man braucht ja nicht unbedingt mehrere Millionen Waffenkombinationen wie in Borderlands, aber einige mehr hätten dem Game sicher gut getan. Auch richtig schade ist, dass Sam Gideon nur zu Fuß unterwegs ist - bis auf wenige Ausnahmen, wo man einige der Mechs für kurze Zeit entern darf. Gerne hätte ich das Steuer eines Raumgleiters an mich gerissen, aber diese coolen Aktionen zeigt Sam nur in den optisch schön gemachten Zwischensequenzen.

Vanquish
Hier slidet Sam im AR-Bullettime-Modus auf einen der fetteren Mechs zu. Der braucht auf jeden Fall ein paar Kugeln mehr, bis er aufgibt.
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Das größte Plus von Vanquish ist dessen Fettheit. Diese großartige Grafik mit butterweichen und sauschnellen Animationen, den wahnwitzigen Explosionen, die lässt einen immer wieder atemlos zurück. Dazu dröhnt aus den Boxen perfekt passender Techno-Sound, der einen wie auf der Tanzfläche immer weiter durch die Action treibt. Zwar sind die normalen Gegner irgendwie immer identisch, aber zum Glück machen das die ziemlich herausfordernden Power-Mechs wett. Der Romanov etwa, mit seinen Tunnelfräsen an den Händen. Oder der Unbekannte, ein rot-glühendes Kugelmännchen, dass allen umliegenden Schrott anzieht. Oder Crystal Viper, das sind üble Typen, die sich tarnen können und fiese Nahkampfangriffe draufhaben. Und natürlich die riesigen KNRB-O-Argus-Roboter der Russen, die sich aus einer Stahlkrabbe in einen haushohen Koloss verwandeln. Denen muss man nach und nach die Gelenke wegballern, um dann ihren rot leuchtende Energiekern zu sprengen.

Die Level sind über die gesamte Spielzeit abwechslungsreich. Innen- und Außenpassagen wechseln sich in der künstlichen Hemisphäre der Raumstation clever ab, auch wenn es größtenteils streng linear vorwärts geht. Ab und an ist man mit einer der Schnellbahnen unterwegs und besonders schön sind jene Momente, wo es auf in Echtzeit kollabierenden und einknickenden Highways steil bergauf und bergab geht.

Die wahre Mission bei Vanquish ist es allerdings, das Spiel auf den harten Schwierigkeitsstufen zu meistern. Vier gibt‘s insgesamt: Casual Auto, Casual, Normal und Hard. Casual Auto spielt sich fast von selbst und macht das Spiel sehr kurz. Hard ist in traditioneller, japanischer Manier wirklich hart - zu hart, finde ich. Aber normal ist tatsächlich perfekt balanciert und dann kommt Vanquish auch auf gut acht Stunden Spielzeit, die vielen Retrys mit eingerechnet. Wer im Spiel stirbt, wird übrigens dreifach bestraft: mit dem Zurücksetzen an den letzten Checkpoint, mit Punktabzug in der Statistik am Ende jeder Mission und damit, dass alle Waffen in den Modi Normal oder höher einen Teil ihrer Upgrades verlieren. Das schmerzt schon ziemlich.

Vanquish ist irgendwie mehr ein klassischer Arcade-Shooter, der die ein bisschen generisch langweilige Story mit schlechten Dialogen erzählen will, aber dessen Fokus sowieso woanders ruht. Auf möglichst intensiven Kämpfen mit den Endgegnern nämlich, auf dem Kennenlernen ihrer Schwächen in Kombination mit dem Erlernen der eigenen Stärken. Am Ende der Party wacht man morgens ohne Vanquish-Kater ab. Ob das gut oder schlecht ist, ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass Vanquish den lustigsten Abspann seit langer Zeit hat, aber das muss man sich als Belohnung selbst erspielen. Und kriegt noch eine handfeste dazu: den God Hard-Schwierigkeitsgrad, damit auch Japaner mit dem Tofu-Block in der Hand noch ihren Spaß haben können...

HQ
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Unglaublich intensive Action, coole Bosskämpfe, fetter Look
-
Viel zu kurz, schlimme Dialoge, platte Story
overall score
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