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Until Dawn

"Until Dawn hat viele viele Stunden angepasster Musik"

Wir haben mit Jason Graves, dem Komponisten von Until Dawn, über Horrorspiele und die Relevanz von Videospielmusik gesprochen.

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Wie kam es dazu, dass du Komponist für Videospiele geworden bist?
- Ich war in einer Schule für Film und Musik. Wie so viele andere liebe ich Filme und mit zehn Jahren fing ich wirklich an, die Musik in Filmen wie Star Wars und E.T. wahrzunehmen und hörte mir Soundtracks von Indiana Jones an. Und jede Menge Musik von John Williams. Also ging ich für fünf Jahre zur Schule und bin dann irgendwann in Los Angeles gelandet. Ein Bekannter in Australien brauchte Hilfe bei einem Videospiel und Orchestermusik war meine Spezialität. Also macht ich das Spiel. Es erschien 2000 und es war so eine andere Erfahrung im Vergleich zu Werbung und Film, also habe ich mich mehr auf Spiele konzentriert und das nie bereut. Ich helfe immer noch anderen außerhalb der Videospiele-Industrie, aber mein Herz hängt an den Spielen.

Until Dawn ist ein Teen-Slasher und die haben ja eher subtilere Kompositionen wie etwa Halloween oder Freitag der 13. Wie hast du mit dem Spiel gearbeitet?
- Eine sehr genaue Beobachtung. All diese Horrorfilme aus den Achtzigern, die du erwähnt hast, die auch ich liebe und die mich in Schockstarre versetzt haben - ich wollte etwas modernes mit einer Referenz auf diese Zeit erschaffen. Ich habe all mein Wissen genommen und es in den Soundtrack geworfen. Es gibt Charakter-Themen für diese liebevollen Figuren, aufmunternde Musik, aber oft werden die Dinge schnell schrecklich. Wir haben hauptsächlich das Orchester benutzt, aber auch Synthesizer und einzelne Instrumente. Alles, um einen frischen Soundtrack zu kreieren. Es ist auch eine Hommage an die Themen, die ich aus den späten Siebzigern und den Achtzigern liebe, wie das Zeug von John Carpenter.



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Wie viel von dem Spiel hast du gespielt, bevor du die Musik erschaffen hast?

- Ich war schon früh mit an Bord, als erstes habe ich das Hauptthema gemacht, das im Startbildschirm gespielt wird, und dann die einzelnen Kapitel, während man in dieser Nacht voranschreitet. Das war alles fertig bevor es überhaupt irgendwelches Gameplay gab. Das heißt aber nicht, dass ich nicht über das Spiel informiert war. Ich habe die Skripts mehrmals gelesen, hatte lange Gespräche mit den Entwicklern und habe mir die Konzeptbilder angesehen - alles ging einen langen Weg. Die Idee war, sofort ein Gefühl für das Spiel zu erschaffen und nach drei Sekunden im Titelbildschirm ist die Stimmung für das Spiel etabliert. Es ist dunkel, trotz der wunderschönen Umgebung und der Freunde, die eine gute Zeit haben. Aber wenn die ersten Leute getötet werden, wird das irgendwie ruiniert (lacht).


Weil es ein Horrorspiel ist, muss die Musik sich der Action auf dem Bildschirm schnell anpassen. Ist es schwierig, Musik unter diesen Bedingungen zu komponieren?
- Das war auf jeden Fall die größte Herausforderung bei diesem Soundtrack. Until Dawn hat so viel Inhalt, bedingt durch die verzweigte Geschichte, und es war wirklich nicht leicht. Wir haben uns entschlossen, die Musik relativ gradlinig zu halten. Wir konnten nicht die Spielengine die Musik aussuchen lassen, dann hätte sich zu viel wiederholt. Das ist das schöne am Butterfly-Effekt. Es gibt viele viele Stunden Gameplay und viele viele Stunden angepasster Musik, die buchstäblich die Stimmung für jede Szene erzeugt, nachdem ein Spieler eine Entscheidungen getroffen hat.

Welche Erfahrungen aus deinen früheren Spielen wie Dead Space und Tomb Raider haben bei Until Dawn geholfen?

- Das ist üblicherweise eine der ersten Sachen, die mich andere Entwickler fragen, wenn wir uns persönlich treffen und darüber sprechen, wie wir Dinge aus früheren Spielen einbauen können. Ich habe meine eigene Perspektive, nachdem ich an ungefähr 25 Spielen gearbeitet habe. Und die letzten vier Jahre an Until Dawn. Ich habe meine eigene Trickkiste mit Dingen, die funktioniert haben und eben nicht, über einen langen Zeitraum beizubehalten. Das gibt dir das Gefühl, eine frische Perspektive zu behalten und hilft bei der Entwicklung.

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"Ich habe die Skripts mehrmals gelesen, hatte lange Gespräche mit den Entwicklern und habe mir die Konzeptbilder angesehen - alles ging einen langen Weg."

Wie viel Einfluss hat dein Kollege auf deine Arbeit?

- Wir arbeiten zusammen und ich würde das auch nicht anders wollen. Manchmal gibt es knappe Termine und keine Zeit für Absprachen und das fühlt sich sehr ungemütlich an. Ich strebe sehr nach Zusammenarbeit und bin froh, so früh involviert worden zu sein. Alles in Until Dawn kommt von der Liebe des Teams zu älteren Horrorfilmen und aktuellen Spielen, wir haben über Filmmusik und Videospielmusik gesprochen, dadurch ein Ziel definiert und uns verstanden. Es hat für eine nahtlose Produktion gesorgt. Da gab es nie eine Veränderung - auch nicht, als das Spiel von der PS3 zur PS4 gewechselt ist. Auch wenn sich Dinge geändert haben, wir sind immer ein Herz und eine Seele geblieben und haben den eingeschlagenen Weg nie verlassen.



Hattest du die Idee, vielleicht auch einen so bekanntes Horrorthema wie in den Klassiker selbst zu erschaffen?
- Du sprichst mir aus dem Herzen, und das ist auch der Grund, warum ich diese Sachen überhaupt mache. Ich liebe es, mir diese Musik anzuhören, die Soundtracks, mit denen ich aufgewachsen bin. Wenn ich auch nur zehn Prozent davon erreiche, bin ich sehr glücklich.


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"Man muss sagen, dass Spiele mittlerweile mehr Respekt bekommen, als vielleicht noch vor drei oder vier Jahren."

Videospielmusik bekommt häufig nicht so viel Aufmerksamkeit wie die von Filmen. Wie denkst du darüber?
- Ich war schon vor zehn Jahren zufrieden, weil mir Bekanntheit nicht mehr so wichtig ist, wie vielleicht einem Filmemacher. Aber man muss auch sagen, dass Spiele mittlerweile mehr Respekt bekommen, als vielleicht noch vor drei oder vier Jahren. Die Spiele lassen einen immer mehr eintauchen und liefern bessere Erlebnisse, in die man wirklich einsteigt. Und die Leute sehen es mehr als Kunst und nicht nur als Spiele. Meine Generation ist die erste, die mit Videospielen aufgewachsen ist -erst in den Arcades, dann wurden sie als Teenager mit nach Hause genommen und für alle nach mir sind Videospiele schon selbstverständlich. Diese Leute wissen, dass Spiele nicht für Kinder sind. Sie wissen sie mehr zu schätzen und haben mehr Respekt. Und das ist wichtiger, als das ich auf der Straße wiedererkannt werde.



Hoffst du, dass Until Dawn auch bei Videospiel-Live-Konzerten überall auf der Welt gespielt wird?
- Ich liebe diese Live-Konzerte und ich weiß, dass sie in Deutschland und Schweden sehr gut gemacht werden. Die Leute wollen vermutlich lieber die gruseligeren Teile von Until Dawn hören, aber ich selbst mag die melodischeren lieber. Unglücklicherweise ist das auf der Bühne vielleicht nicht so aufregend. Aber ja, es ist nett, ein komplettes Orchester Sachen spielen zu hören, die es üblicherweise nicht spielt.


Zum Schluss: Kannst du uns verraten, was du als nächstes machen wirst? Rise of the Tomb Raider vielleicht?
- Das ist leicht zu beantworten, denn ich habe geschworen, zu dem Thema nichts zu sagen.


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