Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie eine Spielereihe über die Jahre verändert und modernisiert werden kann. In jedem Fall gibt es fast immer Rüffel für zu einschneidende Änderungen und solche für zu wenige Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger. Tropico 4 musste sich gefallen lassen, nur kleine Schritte gegangen zu sein. Das nunmehr fünfte Spiel der Reihe will nun mit frischen Ideen wieder stundenlang vor die Bildschirme fesseln. Entwickler Haemimont Games hat für das erwähnte Dillema tatsächlich eine wunderbare Lösung gefunden. Auf den ersten Blick nämlich hat sich in Tropico 5 nicht viel verändert. Wir merken aber schnell, dass die Erfahrung im Kern zwar gleich geblieben ist, sich aber trotzdem ganz anders spielt.
Eine ganz wesentliche Änderung betrifft die Einführung von vier Epochen. Von der Zeit der Kolonisierung über die Weltkriege zum Kalten Krieg geht es bis hin in die Moderne. Fein ausgearbeitet erleben wir das in der Kampagne durch eine behelfsmäßige Handlung. Im freien Spiel ist der Übergang fließend, wohl aber bemerken wir dennoch mit jedem Wechsel einen Bruch. Im Handel sind plötzlich andere Waren gefragt und damit ändern sich Bedarf und Preise. In der Diplomatie gibt es ebenfalls einen Wandel, da die Parteien wechseln, mit denen wir interagieren. Außerdem werden andere Themen wichtig, wie etwa später die Umwelt. Wer an dieser Stelle schläft, hat seine kleine Inselnation schneller an die Wand gefahren, als er "Viva El Presidente" rufen kann. Es macht die Simulation fordernd und auch nach hinten raus spannend.
Wir werden auf der anderen Seite aber auch nicht völlig überfordert, denn es ändern sich lediglich die Regeln, aber nicht die Spielweise. Wir müssen also eigentlich nur lernen, uns an die neuen Umstände anzupassen und bekommen die dafür nötigen Bausteine auch immer nach und nach serviert. Je größer die Inselnation herangewachsen ist, desto schwerer fällt einem das aber auch. Es gibt sehr viele Stellrädchen und kommt die Kurskorrektur nicht schnell genug in Tritt, machen einem die roten Zahlen oder frustrierte Bürger das Leben zur Hölle. Dann ist man die längste Zeit Diktator gewesen. Die Spielbalance hat sich diesbezüglich im Vergleich zur Vorabversion positiv entwickelt, denn wir werden nun mehr gefordert, uns zu wandeln. Den richtigen Weg zu finden, kann übrigens ein paar Anläufe in Anspruch nehmen, verhindert damit aber gleichzeitig das Wegnicken in fortgeschritteneren Spielstunden.
Ein eigentlich kleiner, aber dennoch bedeutender Aspekt ist der stärkere Fokus auf einzelne Bürger. Es gibt Manager, die beim Einsatz in Gebäuden mit ihren jeweiligen Spezialfähigkeiten diese selbst oder das Umfeld effektiver machen können. Wir können Bürger anklicken und bekommen eine Übersicht über ihr Befinden. Auch böse Rebellen lassen sich auf der Karte durch bloßes Suchen finden. Eingeführt wurde zudem ein Dynastie-System, das über einen Spielstand hinaus Bestand hat. Unsere Sippe kann durch Geld auf dem Schweizer Bankkonto auch noch in fünf Stufen aufgelevelt werden, um einen besseren Bonus herauszuholen.
Unter der Haube stecken aber auch viele kleine Details. Entscheiden wir uns früh für Atheismus in der Verfassung, wird Religion im Verlauf eine geringere Rolle spielen. Im wachsenden Tourismus-Bereich gibt es Gruppen von Menschen, die sich für alte, historische Gebäude interessieren. Wir können Gebäude aufrüsten, wobei manche der Neuerungen aber auch Nachteile mit sich bringen. Mastbetriebe stehen eben nicht für gesunde Ernährung und wenn die Ökos auf den Plan kommen, dann stehen auf Effektivität bedachte Strategen vor schwierigen Entscheidungen. Die Entwickler wollten Tropico 5 offenbar weniger berechenbar machen. Und auch wenn wir natürlich irgendwann lernen, was von uns erwartet wird, ist der Weg dahin unterhaltsam.
Dazu gesellen sich kleinere Anpassungen am Handelssystem, neue Gebäuden und natürlich der Mehrspielermodus für bis zu vier Spieler auf einer Karte, die kooperativ oder gegeneinander antreten können. Eingestiegen bin ich in den Multiplayer aber zu wenig, um mir darüber ein abschließendes Urteil bilden zu können. Optisch hat Tropico 5 natürlich ebenfalls einen Sprung gemacht und bietet genau das Maß an Detail, das einerseits übersichtlich ist und zum anderen für Stimmung sorgt, weil wir auch sehr weit in das Spiel reinzoomen dürfen. Obwohl die Grafik für Simulationen nicht an allererster Stelle steht, darf sich Tropico 5 durchaus als hübsch bezeichnen.
Das wahrscheinlich Schönste am Spiel ist aber weiter der überragende Humor. Das Team hat sich ordentlich ausgetobt und liefert absurde kleine Missionen, witzige Zusammenhänge und erstklassige Kommentare über den Radiosender. Beim Spielen von Tropico 5 erwischt man sich mehrmals beim Lachen - allein das Forschungssystem und die Verfassung bieten ausreichend Anlass dafür. Ich verneige mich vor dem kessen und oftmals sehr ironischen Witz, der trotz fieser Spitzen nie unter die Gürtellinie geht. Da steckt viel Liebe drin.
Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein. Zwar können wir inzwischen auch einen Kredit aufnehmen und ironischerweise hängt unser Rating davon ab, wie viele Zinsen wir zahlen müssen. Doch eigentlich brauchen wir auch nur Geld, wenn es uns schlecht geht und damit ist dieses Mittel in der Regel selten wirklich brauchbar. Sowieso vergibt uns das Spiel manche Versäumnisse zu wenig. Insbesondere bei einem Wechsel der Epoche. Obwohl man oft Geld im Überfluss besitzt, gibt es Stellen, an denen man dennoch scheitern kann.
Beispielsweise hatte ich irgendwann einen Nahrungsengpass, der unter anderem daher rührte, dass zu wenig Arbeiter vorhanden waren. Die Not fiel mir etwas zu spät auf und dann brachte auch ein Wechsel der Einwanderungspolitik mittelfristig keine Wende mehr, um die nächste Wahl noch gewinnen zu können. Und der Batzen Geld war inzwischen auch futsch. Umgekehrt darf man echt froh sein, dass die Serie mit der Zeit nicht weichgespült wurde, um allen zu gefallen. Gut möglich, dass bei der Spielbalance aber noch ein Patch nachgereicht wird.
El Presidente ist zurück und Haemimont Games liefern tatsächlich eine Erfahrung, die auch im späteren Verlauf des Spiels noch fordert. Wir müssen uns an die verschiedenen Anforderungen der Epochen anpassen und können uns eben nicht einfach irgendwann mit unserem dicken Schweizer Bankkonto zurücklehnen und alles passieren lassen. Es ist ein bisschen Eingewöhnung nötig, um die vielen Mechanismen zu verstehen, die hier am Werk sind. Aber das sorgt für den Effekt, den Simulationsfreude so lieben, wenn sie vor dem PC hocken: Nur noch schnell Dies und Das bauen und dann ... oh, Mist. Draußen geht die Sonne schon wieder auf.