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The Lion's Song

The Lion's Song

Mi'pu'mi Games hat ein bewegendes Point&Click-Adventure kreiert, das uns die schwierige Gedankenwelt von Ausnahmetalenten näherbringt.

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Im vierteiligen episodischen Adventure The Lion's Song steckt uns das Wiener Entwicklerstudio Mi'pu'mi Games in die Rolle von drei Genies. Doch der Weg zum Erfolg ist steinig und stellt an vielen Ecken die leidenschaftliche Arbeit der drei Talente auf die Probe.

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The Lion's SongThe Lion's Song
Im Herzen dreht sich die Thematik von The Lion's Song also um das Leiden eines Genies.

Die erste Episode "Silence" steht für alle Spieler kostenlos zur Verfügung und erzählt uns die Geschichte von Wilma, einer musikalisch äußerst talentierten Studentin. Die unfassbare Begabung der jungen Dame wurde von einem angesehenen Professor an der Universität entdeckt. Allerdings machen ihr eine Schreibblockade und unerwünschte Gefühle zu schaffen und so führt es uns in eine Hütte in den Alpen, in der die junge Musikerin Entscheidungen treffen muss, die nicht nur ihre Karriere, sondern auch ihr Leben verändern werden.

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Auch in den zwei nächsten Episoden treffen wir auf ähnliche Probleme. Franz, ein angehender Künstler, ist dafür bekannt, die verschiedenen Schichten eines Menschen auf einer Leinwand darstellen zu können - bei sich selbst gelingt ihm das jedoch nicht. Außerdem kämpft Franz mit Blackouts, die ihm das Leben schwer machen. Emma ist eine begeisterte Mathematikerin und hat vor allem mit den Vorurteilen ihrer Zeit zu kämpfen, wodurch sie sich einen anderen Weg suchen muss, um ihre Leidenschaft für die Zahlen und Formeln ausleben zu können.

Die ersten drei Episoden des Spiels laufen also stets nach demselben Prinzip ab: Uns wird der Charakter vorgestellt, wird werden mit seinen Ängsten und Problemen konfrontiert und müssen im Anschluss eine für uns passende Lösung finden, die den Werdegang der Person maßgeblich beeinflusst. Im Herzen dreht sich die Thematik von The Lion's Song also um das Leiden eines Genies. Es handelt von Selbstzweifel, dem Gefühl der Einsamkeit und all den anderen Problemen, denen sich kreative Köpfe stellen müssen. Ebenso wichtig wie das Darstellen des Problems ist der Lösungsversuch, wodurch das Spiel sowohl melancholische als auch inspirierende Züge erhält.

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Wenn ich die angehende Mathematikerin Emma spiele, dann fühle ich ihren Schmerz und die Frustration gegenüber der Gesellschaft, die sie nur auf ihr Geschlecht reduziert.
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Durch seine stilisierte Pixelgrafik und den Einsatz der in Sepia-Tönen gehaltenen Farbpalette hebt sich der The Lion's Song von vielen anderen Adventuren ab und schafft es vor allem in Kombination mit dem wunderschönen Soundtrack, ein stimmiges Erlebnis zu erzeugen. Wir bewegen uns wie in einem klassischen Point&Click-Spiel fort und bekommen in Dialogen verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgegeben, die große Konsequenzen mit sich bringen können. Ein richtig oder falsch gibt es hierbei nicht, doch ein paar Mal habe ich mich dann doch über meine vergangenen Entscheidungen geärgert, als ich in der nächsten Episode erfahren habe, welche unerwünschten Effekte damit einhergegangen sind. Dass das Hauptaugenmerk auf der Geschichte liegen soll, wird vor allem durch die minimalen Interaktionsmöglichkeiten dargestellt. Die meiste Zeit verbringen wir damit Dialoge zu lesen, mehr über die Situation der Person zu erfahren und Entscheidungen zu treffen.

Dieses Spielkonzept geht gut auf und schafft eine fesselnde Geschichte. Nichtsdestotrotz würde das Spiel von größerer Interaktivität durchaus profitieren. Ich hätte gerne frei Umgebungen erkundet oder Informationen in Gesprächen mit nicht essentiellen Personen bekommen, um mehr über die Charaktere und die Epoche zu erfahren. Das Spiel leidet nicht unter der strammen Erzählgeschwindigkeit, doch ein wenig mehr Handlungsspielraum hätte die Immersion sicher noch einmal gesteigert.

Während wir uns mit Wilma in der ersten Episode durch lediglich zwei Räume in unserer Alpinen-Hütte bewegen, weitet sich die Auswahl der Schauplätze in der zweiten und dritten Episode auf die Wiener Innenstadt aus. Auf einer Karte werden uns Orte wie ein Café, das Atelier oder die Wohnung angezeigt, durch die wir hin und her wechseln können. Da The Lion's Song jedoch ein striktes, lineares Erlebnis ist, müssen wir am richtigen Ort sein, um in der Geschichte voranzukommen.

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Da The Lion's Song jedoch ein striktes, lineares Erlebnis ist, müssen wir am richtigen Ort sein, um in der Geschichte voranzukommen.

Die vierte Episode trägt den Titel "Closure" und schließt, wie der Name bereits verrät, die Geschehnisse der vergangenen drei Episoden ab. Sie fasst auch noch einmal zusammen, was bereits geschehen ist, und führt uns all die getroffenen Entscheidungen vor Augen. Hierbei nehmen wir die Rolle von Albert ein, einem (anfangs) Unbekannten, der sich in einem Bahnabteil zu drei Gästen setzt. Statt wie in den vorherigen Episoden eine aktive Rolle am Geschehen einzunehmen, verbringen wir in Closure die meiste Zeit damit, die vergangenen Geschichten noch einmal zu erleben, denn wie es der Zufall will, stehen die drei Bahngäste jeweils miteinander in Verbindung. Ohne etwas von dem Ende der Geschichte preisgeben zu wollen, findet das Spiel mit der vierten und finalen Episode einen leicht melancholischen, jedoch sehr treffenden Abschluss.

The Lion's Song siegt dort, wo viele andere Spiele bei mir scheitern: Es vermittelt mir die Gefühle der Charakter. Wenn ich die angehende Mathematikerin Emma spiele, dann fühle ich ihren Schmerz und die Frustration gegenüber der Gesellschaft, die sie nur auf ihr Geschlecht reduziert. Ich verstehe Franz' Selbstzweifel und Wut, wenn es ihm nicht gelingt, das von ihm Gefühlte auf seiner Leinwand zu verewigen. Was Mi'pu'mi darüber hinaus besonders gut gelungen ist, ist die persönliche Entwicklung der Charaktere. Auch wenn Emma sich anfangs hinter einer Verkleidung verstecken muss, strotzt sie am Ende der Episode nur so vor Selbstbewusstsein und auch Franz schafft es mithilfe eines Fremden, sich selbst zu finden und das volle Potential seines Talents auszuschöpfen.

Mi'pu'mi Games stellt in The Lion's Song mit viel Empathie und Selbstreflektion den kreativen Werdegang einer Person dar. Wer ein Fan von unkonventionellem Storytelling ist und sich einige Stunden lang in einer vergangenen Epoche wiederfinden möchte, dem ist das Spiel ganz klar zu empfehlen. Mit der kostenlosen ersten Episode ist es zudem jedem Spieler möglich, in das Spiel hineinzuschnuppern.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Stilisierung trägt zur Atmosphäre bei; Geschichte wird gut vermittelt; Clevere Vermischung der Episoden.
-
Interaktivität lässt zu wünschen übrig.
overall score
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KRITIK. Von Anne Zarnecke

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