Nintendo spielt schon seit einer ganzen Weile mit dem Konzept einer offenen Welt. Vor allem mit seiner Zelda-Serie gelingt es dem besonderen RPG, eben diese Grenzen immer wieder zu streifen. In den letzten 30 Jahren haben wir gesehen, wie das funktioniert. Bereits der erste NES-Eintrag hat uns ermutigt, die Karte frei zu erkunden und die Wirkung verschiedener Inventar-Items zu entdecken. Die Kernelemente waren schon dort vorhanden und ganz natürlich verarbeitet. Aber das Franchise wuchs, wurde komplexer und fokussierte sich auf neue Technologien, mit der neue Spielmechaniken und ein visuelles Spektakel möglich wurden. Zelda wurde eine epische Fantasy-Geschichte mit einem filmischen Ansatz. Trotzdem konnte die Serie ihre Konventionen behalten, die Nintendo über die Jahre hinweg aufgezogen und etabliert hatte.
Doch als einige dieser Konventionen zu bröckeln begannen (der Fortschritt und das Design der magischen Items und Instrumente; das gleiche, unveränderte Kampfsystem seit über 20 Jahren; viel zu typische Geheimnisse und so weiter) und die derart festen Strukturen bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht wurden, wurde es schwierig, Überraschungen im Design der Dungeons, Puzzles und Bosse zu schaffen. Glücklicherweise hatte jemand bei Nintendo den Mut, die Weisheit und die Kraft gefasst, um sich auf die Wurzeln der Zelda-Serie zu besinnen. Zurück zu der offenen Welt, aber diesmal mit frischen RPG-Elementen, einer zeitgemäßen Survival-Infusion und dabei bitte nicht die Identität des Originals vergessen. Das war der Plan von The Legend of Zelda: Breath of the Wild und mehr als fünf Jahre später ist es schließlich soweit. Diese radikalen Veränderungen bedeuten ein gewisses Risiko - auch wenn wir über eines der besten Studios der Welt sprechen - umso erstaunter sind wir, wie gut abgerundet das Spiel letztlich daherkommt.
Die Richtung und die Art des Rollenspiel-Fokus' stammen aus Skyward Sword, denn schon dort sammelten wir Ressourcen, über die wir während des normalen Spielens stolperten, und investierten diese in unsere Waffen und Schilde. Doch dann kamen die Ängste dazu, darüber, was Nintendo unter einer lustigen offenen Welt versteht. Wenn wir an die Leere des Hyrule-Feldes in Twilight Princess und dessen Vorgänger, dem leeren Ozean von Wind Waker denken, zum Beispiel. Doch zum Glück hat Nintendo mit Breath of the Wild etwas Neues geschaffen, nicht nur eine Erweiterung oder eine Korrektur dieser Konzepte. Wir wissen nicht, wie viele Ideen der Entwickler von externen Projekten genutzt hat, doch Links neues Abenteuer ist in seiner Balance zwischen den üblichen Aktivitäten (Kampf, Puzzle und Exploration), der Geschwindigkeit und den Versuchungen der offenen Welt nahezu perfekt gestaltet. Es fühlt sich tatsächlich wie ein Neustart an, ein Reboot, das auf dem Reißbrett entworfen wurde.
In unserer Vorberichterstattung (die im Übrigen überhaupt nicht in der Lage war, zu antizipieren, wie gewaltig und massiv dieses Abenteuer wird) haben wir die Handlungsfreiheit oder die unterschiedlichen Lösungsansätze mit ihrer explorativen, kämpferischen oder geistigen Herausforderungen gelobt und sind davon nach wie vor erstaunt. Im Verlauf des Spiels wird auf diesen Erfahrungen aufgebaut, natürlich stehen uns dann neue Ressourcen und Tricks zur Verfügung. Damit schafft Breath of the Wild dieses lustige und befriedigende Gefühl, dass die Welt auch dazu gebaut wurde, um mit ihr herumzuspielen. Sie ist nicht nur ein Stück Landmasse, auf der wir Dinge erfüllen, sie ist der Spielplatz.
Hier geht es nicht um ein modernes, reines RPG-Konzept mit großartigen, geschäftigen Städten, in denen die Straßen mit NPCs gefüllt sind, die nur darauf warten, uns bei einem verworrenen, gut ausgearbeiteten Handlungsfaden zu helfen. Nein, es geht darum, Hyrule als glaubwürdige natürliche Welt abzubilden, mit einer ausgezeichneten Geographie (mitsamt der beeindruckenden Orographie, die realistische Landschaftsbildung erzeugt), Kreaturen, Gebäude, Schätze und Herausforderungen. All diese Dinge wird miteinander verbunden und wir dürfen es im jedem Sinne des Wortes erleben. Dieses Zelda ist gefüllt mit Gameplay, Gameplay und Gameplay.
Der Schlüssel des Erfolges ist die Kombination einer verfeinerten Version der traditionellen Systeme mit einer signifikanten Physik-Simulation und einer Fülle von interaktiven Elementen. Das ist es; wir werden eine Waffe tragen, vielleicht auch einen Schild, Pfeil und Bogen und einige magische Kräfte benutzen, um diese lebendige Welt zu entdecken. Die Sache, die uns am meisten gefesselt hat, ist, wie sich unsere Handlungen auf die dynamische und reaktive Umgebung auswirken. In der Vergangenheit schoben wir eine Box in einem vorgefertigten Pfad entlang, Mechaniken folgten strengen Verhaltensweisen und selten konnten wir mehr als ein oder zwei Lösungen ausprobieren. Jetzt müssen wir improvisieren, viele Faktoren im Auge behalten und dadurch Stück für Stück erfahren, wie alle diese Systeme reagieren.
Diese Veränderungen werden wir nicht nur in den Rätseln bemerken, es weitet sich bedacht auf alle Elementen aus. Wer einen Brandpfeil auf eine leicht entflammbare Umgebung verschießt, kann die Waffen der Feindes in Brand setzen, sollte dann jedoch nicht mit einem Holzschild blocken. Versucht nicht auf eine Insel zu gleiten, wenn der Wind ungünstig weht und denkt immer daran, dass, wenn ihr eine schwere Metallbox hebt, gegnerische Angriffe euren sicheren Tod bedeuten. In einem Gewitter sollte Link keine metallische Ausrüstung tragen, sonst wird er von einem Blitz getroffen. Wenn euch der Sinn nach einer Kletterpartie steht, dann tut das bei sonnigem Wetter. Regenfälle lassen Steine an der Bergkante herunterprasseln und sobald der Stein nass wird, wird Link von der Oberfläche abrutschen. Doch bei heftigem Regenguss hören Feinde den Klang unserer Schritte nicht, was wir wiederum zu unserem Vorteil nutzen können. Und nur der Vollständigkeit halber, bitte verzichtet darauf, mit hölzernem Equipment in einen Vulkan einzudringen - das ist eine dumme Idee.
Mit der Einführung der semi-realistischen Physik gibt es umfangreiche Neuerungen, die ziemlich viel Spaß machen. Es gibt eine Reihe neuer Elementarwaffen (neben den oben genannten gibt es auch elementare Stäbe und Feuer/Eis-werfende Schwerter) und die besonderen Runenmächte des Sheikah-Vertrauten (Bomben, Magnetismus, Eisblöcke, Einfrieren der Zeit). Das sind Fähigkeiten mit Abklingzeiten, die uns bereits kurz nach Anfang unserer Reise gegeben werden, weshalb uns diese mächtigen Optionen ebenso früh beim Lösen von Rätseln zur Verfügung stehen.
Als Hauptmotor der Erforschung steht uns, neben dem großartigen Pferdekonzept (mit Zähmung, Anpassung, Stallungen und dem recht hilfreichen Autopiloten) die Möglichkeit zur Verfügung, einen Gleitschirm mit unseren bloßen Händen zu spannen und von einem Berg zu springen. Eine Ausdauermechanik reguliert und limitiert den Einsatz dieser Aktivitäten im Spiel. Die Energieleiste wird mithilfe von Nahrung, Elixieren, Kostümen und anderen Upgrades dauerhaft verstärkt. Bei der Frage, wie man sich einem Ort nähert, spielt unsere Ausdauer eine wichtige Rolle, denn das bestimmt letztlich, auf welchem Weg wir uns einer Situation nähern.
Nochmal zurück zu den Waffen und dem immer variablen Charakterfortschritt von Link (was stark von der eigenen Sichtweise und Entscheidungen abhängt). Anfangs ist es noch ein Schock, dass sich die Waffen abnutzen und so schnell zerbrechen - manchmal schon nach nur zwei oder drei Hieben. Aber nach einigen Spielstunden wird es zu einer weiteren, spaßigen Spielmechanik. Verliebt euch also besser nicht in das Breitschwert mit den 50 Angriffspunkten, denn das Finden und Verbessern eurer Waffen ist ein Teil des Spiels. Wir müssen uns an die Notwendigkeiten anpassen und werden gezwungen unseren Spielstil immer wieder mal zu ändern.
Das Erkunden jedes Winkels der Karte hat seine eigene Bedeutung, tatsächlich entsteht ein großer Teil des Vergnügens von Breath of the Wild durch das Erkunden und Meistern der über hundert Schreine und Türme, die überall verstreut zu finden sind. Die Entwickler meinen, der Spaß bestünde nicht nur darin, das Innere dieser beachtlichen Bauwerks zu erkunden, sondern auch der Weg dorthin. Wir finden, das haben sie hervorragend hinbekommen.
Das führt uns zum unvermeidbaren Thema der Rätsel und Dungeons. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob die hunderten Logik- und Fähigkeitsprüfungen das Fehlen der Tempel kompensieren können und ich muss sagen, nach etlichen Stunden habe ich erkannt, dass dieses breitere Layout für die Herausforderungen viel mehr Sinn ergibt. Natürlich werden manchen von euch die drei bis vier Stunden Gehirntraining fehlen, die ein solcher Kerker einem abverlangt, Doch dieses Spiel verpasst dem Ganzen in seinen üblichen Rätseln und durch die Physik und seinem außergewöhnliche Design eine eigene Wendung. Außerdem sind manche Schreine eine wirkliche Herausforderungen und manche Prüfungen dauern bis zu einer Stunde. Eine Handvoll traditioneller Dungeons gibt es ja trotzdem, aber die sind kleiner als in anderen Spielen - knifflig sind sie trotzdem und überraschen mit uralten Mechaniken, die aus einem Metroid stammen könnten.
Mit solchen Rätseln und den Momenten, in denen wir uns die Zeit nehmen müssen, um nachzudenken und selbstständig herausfinden müssen, wie wir weiterkommen; das unterscheidet Zelda von fast jedem anderen Abenteuer. Das Gefühl des Erfolges und der Sinn, dass der Held tatsächlich getestet wird, sind in Breath of the Wild viel stärker vertreten. Wenn das Spiel größere Tempel hätte, die die ganzen Ideen der Schreine in sich vereinen würden, wäre es fast unmöglich gewesen, einen wirklichen Rahmen zu bilden, der dieses Abenteuer zusammenfasst, und das Spieltempo wäre hin. So befindet sich fast immer eine schlaue Puzzle-Herausforderung in der Nähe, wenn uns danach ist. Zudem sind Schreine thematische und nicht eigenständig bestehende Räume, also sind sie in der Regel mit der Umgebung verbunden.
In Bezug auf das Gameplay müssen wir das interessante Kochsystem hervorheben, das uns bittet, basierend auf den Zutaten die Link sammelt, erfinderisch zu sein und sich nicht immer an die fixen Rezeptideen zu halten. Nebenmissionen und -beschäftigungen scheinen ansonsten größtenteils weniger abgerundet zu sein, im Vergleich zum großen Erbe von Majora's Mask. Allerdings war es damals mit dem düsteren Ton des Klassikers auch etwas leichter, gruselige Ideen und Geschichten mit fragwürdigem Humor zu erzählen.
Neben den restlichen Elementen eines Zeldas, so wie beispielsweise die ikonischen Figuren der Serie, wird unsere Reise auch einige Sequenzen der traditionelleren Spiele enthalten. Darin wird unsere Freiheit etwas eingeschränkt, aber nie so sehr, dass wir daraus einen Kritikpunkt ziehen möchten. Wenn wir uns uralten Tieren nähern zum Beispiel, kommen ein paar Sachen aus älteren Spielen zum Vorschein und die sind in der heutigen Zeit eben nicht mehr nur gut. Es ist irgendwie interessant zu sehen, wie die Gerudo-Wüste, die Zora-Domäne oder die Goronen-Minen im neuen Gewand ausschauen und weder wiederholt noch recycelt wirken. Das klappt vor allem dank der Art, wie Nintendo das alles in eine glaubwürdige Karte integriert hat. Gleichzeitig traut sich Nintendo, die alten Klischees zu bedienen und so komisch es klingt, es ist besser als je zuvor, sich zum tausendsten Mal in den Verlorenen Wäldern zu verlaufen.
Eine weitere großartige Leistung war es, im Grunde die gesamte Geschichte des Zelda-Universums in einen einzigen Titel zu packen. Die Entwickler haben es geschafft, Kreaturen und Referenzen aus der gesamten Serie zu nehmen und in eine echte Welt zu packen, die weniger Teil einer "Illusion" ist. Anders als die eingebetteten traditionellen Gebiete bietet Hyrule nun genügend Platz, um die Fantasien von 30 Jahren in sich zu vereinen. Ganz unabsichtlich wird Breath of the Wild zu einer riesigen Enzyklopädie des ganzen Zelda-Universums und es macht jetzt plötzlich Sinn, wenn wir etwa bestimmte Wesen oder Waffen an fixen Orten vorfinden.
Das führt uns endlich zur Erzählung des Spiels, genauer gesagt, zur zentralen Hauptgeschichte. Keine Angst, wir werden sie euch nicht verderben, bitte denkt einfach daran, dass offene Welten dazu neigen, einer Story die Kontinuität zu nehmen. Wenn wir also erzählt bekommen, dass wir Orte aufsuchen müssen, um jahrhundertealte Erinnerungen zu erhalten, dann wirkt das unweigerlich ein bisschen aufgezwungen. Allerdings schafft diese Machart gleichzeitig ein besonderes Interesse in der Figur von Link, denn der ist schließlich jemand, der bereits vor über 100 Jahren lebte. Das Skript, auch wenn es nicht der Hauptwert dieses Spiels ist, hat ein paar nette Wendungen und einen traditionellen Geschmack, und profitiert zweifellos von der erstmaligen Vertonung der Charaktere. Dadurch bekommt Breath of the Wild ein überzeugenderes Anime-Feeling, auch wenn einige dieser Stimmen weniger sympathische Charaktere umso irritierender wirken lassen.
Und um ehrlich zu sein ist es überraschend, dass das Spiel nicht noch häufiger einfriert oder abbricht; so traurig, wie das vielleicht klingen mag. Es hat seine Framerate-Abbrüche (ironischerweise treten sie häufiger auf, wenn die Switch angedockt ist), aber mal abgesehen von plötzlichen Pop-Up-Objekten, haben wir fast keine Störungen oder grobe Fehler bemerkt. Wer daran denkt, was hinter den Kulissen alles berechnet wird, und wie viel davon schiefgehen kann (wie das ja so häufig passiert in aktuellen Open World-Spielen), der muss Nintendo durchaus Respekt zollen. Das Nintendo EAD-Team verdient Applaus dafür, wie gut poliert und abgerundet Breath of the Wild auf den Markt kommt. Dafür, wie stoisch es all diese verrückten Dinge und Tricks ausführt, und uns ein derart dynamisches System zur Verfügung stellt.
Breath of the Wild ist das größte und ehrgeizigste Spiel, das Nintendo jemals geschaffen hat, und der beste Teil daran ist, dass das alles keine Frage der Größe und der Produktion ist. Unsere exzellente Bewertung ist auf das außergewöhnliche Talent der Entwickler zurückzuführen, die unermüdlich an einem wahnsinnig tollen Gameplay gefeilt haben. Das neue Zelda ändert die Serie für immer, macht seinen Vorgänger im Vergleich zu ihm winzig und macht es unmöglich, Zelda in der Zukunft noch einmal in eine andere Richtung schwimmen zu lassen. Der Sprung von der Skriptgeschichte zur offenen Karte der freien Erforschung kann nicht wirklich den Meilenstein bezeichnen, der die Neudefinition eines Abenteuers bedeutete, schließlich war der Sprung von 2D in die dritte Dimension damals schon etwas beeindruckender, trotzdem ist Breath of the Wild ein Meisterwerk des Genres geworden. Überraschend brillant und einzigartig in vielerlei Hinsicht, mit einer großen Persönlichkeit und toller Finalisierung, herausfordernd und belohnend. Wir könnten diese oder jene Facette mit anderen Exponenten vergleichen, nach einer bessere Performance oder interessanteren Aufgaben fragen, aber das würde kaum einen Unterschied machen. Von dem Moment an, in dem ich die Höhle des Schreins des Lebens verlassen habe, bis zu dem Augenblick in dem ich den Mut und die Erfahrung gesammelt habe, um mich für die Schlacht in Hyrule Castle zu rüsten, hatte ich eines der besten Abenteuer, das ich je gespielt habe.