Über 200 Events dürfen (oder müssen) wir in der langen Kampagne absolvieren. Das macht man nicht, weil die jetzt so fürchterlich aufregend wären, sondern weil man alle anderen Autos und Strecken freischalten will, um sie im freien Modus oder Phantom-Modus zum verfeinern der Rundenzeiten zu nutzen. Wer die Events nicht spielt, muss mit einem halben Dutzend Wagen der 52 Wagen aus alle Epochen ausharren.
Fast widerwillig müht man sich nach kurzer Zeit an Aufgaben ab, die im großen Beliebigkeitswettbewerb ganz weit oben mitspielen. Ersten Platz erringen, an einem Gegner dranbleiben oder bestimmte Zeiten einhalten. Spannend ist anders. Die Kampagne ist in drei große Segmente geteilt, die sich den Zeiten von 1947 bis 1973 (Goldene Ära), 1974 bis 1990 (Silberne Ära) und 1991 bis 2009 (Moderne) widmet. Zusätzlich gibt's einen Multiplayer für acht Spieler, schnelle Rennen und Duelle gegen selbstgefahrene Ghosts und die anderer Onlinespieler.
Prinzipiell hat das Spiel eine Simulationsausrichtung, wenn man es denn so einstellt. Arcade kann es auch, aber dann ist es noch weniger sinnvoll, weil es außer den Rennzielen keinen Wettbewerb gibt. Keine Erfahrungspunkte wie bei Forza Motorsport 4 oder Gran Turismo 5. Nur zwei Wettereinstellungen und drei Tageszeiten. Aber immerhin ein Schadensmodell, wenn auch nur ein optisches, dass aber gerne mal die Autos in die Luft gehen lässt - und zwar wirklich.
Wer sich in der Kampagne oder den Einzelrennen gegen die bis zu 15 von der Künstlichen Intelligenz gesteuerten Fahrer behaupten will, muss sich nämlich warm anziehen. Auf der Profi-Stufe fahren die absolut am (und häufig auch über) dem Limit. Sie drängeln, fahren knallhart Ideallinie und sind gelegentlich trotzdem komplett idiotisch unterwegs. So sieht man Teile abfliegen sowie Autos sich effektreich und physikalisch sehr realistisch überschlagen. Profifahrer freuen sich über erweiterte Lenkrad-Einstellungen für ihre teuren Spielzeuge, die die Einstellungen alle bekannten Features ermöglichen.
Die Fahrphysik wirkt über mehrere Wagen betrachtet gut gelungen. Sie umfasst die Berechnung des Druckverlusts der Reifen und Reifenpannen in längeren Rennen. Gerade die Rennwagen der Siebziger und Achtziger Jahre fahren sich ungehemmt, untersteuern, treiben quer und brechen wild aus. Das wird schnell zum Problem, denn man erwartet von einer Simulation, dass sie einen Ausflug ins Kiesbett oder über den Curb mit rigorosem Geschwindigkeitsverlust oder bitteren Abflügen quittieren würde. Passiert aber kaum, eher schon mal als Folge von Unfällen. In der Kampagne sind allerdings die Aufgaben selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad so herausfordernd, dass quasi einfach keine Fahrfehler erlaubt sind.
Die Madness Engine von Slightly Mad Studios hilft dem Spiel sichtbar. Die Optik ist anständig, die Rennwagen sehen authentisch aus, bieten hochaufgelöste Texturen und einen insgesamt überzeugenden Look während des Rennens. Für Ferrari-Fans ist das hier eine Museumstour bis in die ganz junge Geschichte der italienischen Schmiede hinein. Im Rennwagen stehen in fünf Perspektiven zur Verfügung, wobei die Cockpit-Ansicht sicher die hübscheste ist, aber leider manchmal darunter leidet, dass sie einfach zu dunkel ist.
Von außen sieht man den Unterschied zu den großen Vorbildern Forza Motorsport 4 und Gran Turismo 5 deutlich. Außerdem nerven Details, wie etwa die F1-Wagen mit ihrer krassen und dadurch merkwürdig inszenierten Beschleunigung. Sie sind im Spiel einfach zu heftig gemacht, eigentlich quasi unspielbar für Nicht-Profis ohne Lenkrad.
Die Strecken und ihre Umgebung sind teils schön ausgeleuchtet, dafür aber eher spartanisch bestückt und menschenleer. Dafür sind die 16 fast komplett real existierenden Grundstrecken teilweise in verschiedenen Ausbaustufen spielbar, wie sie in den jeweiligen Epochen eben ausgesehen haben. Das führt zu spannenden Kombinationsmöglichkeiten, die selbst Streckenkenner überraschen.
Test Drive: Ferrari Racing Legends ist ein Spiel für echte Ferrari-Fans. Es ist ein anständiges Rennspiel. Jenseits davon müssen sich die Macher aber die Frage gefallen lassen, warum sie es überhaupt rausbringen. Es macht zwar nichts substanziell schlechter als die großen Marken, kann aber auch nichts besser und bietet kein Alleinstellungsmerkmal außer den vielen Ferraris. Und warum das Spiel Test Drive im Namen trägt, ist und bleibt unerklärlich.