Sony hat mit der Playstation Vita einen fabelhaften Handheld abgeliefert, der sich mit seinen Eigenschaften bis heute von der Konkurrenz abhebt. Leider gab es aber gerade in der wichtigen Startphase viel zu wenig Spiele, die das deutlich machten. Die Kreativschmiede Media Molecule wurde also beauftragt, sich dem Thema anzunehmen. Mit Tearaway schuf das Team dann eine Erfahrung, die ebenso einzigartig war wie die mobile Konsole selbst. Iota war der Kurier einer besonderen Nachricht speziell für uns und musste ein Abenteuer in einer wunderschön gebastelten Papierwelt bestehen.
Es war ein kleines Meisterwerk, das da im November 2013 erschienen ist. Doch für die Playstation Vita war es schon zu spät. Nintendo hatte mit dem Nintendo 3DS längst die Führung übernommen. Für ein Spiel wie Tearaway schien kein Platz mehr und so ging der kleine Iota mit seiner wichtigen Nachricht tragischerweise etwas unter. Nun bekommen er und sein weibliches Gegenstück Atoi eine zweite Chance auf der Playstation 4. Tearaway Unfolded will dabei aber mehr sein als nur eine Wiederholung dessen, was wir von der Playstation Vita kennen.
Media Molecule lässt uns nun Wind machen, indem wir über das Touchpad streichen. Wir können sogar mit einem kleinen Papierflieger am Hafen herumfliegen und Orte entdecken, die es damals noch gar nicht gab. Die Lichtleiste am PS4-Controller funktioniert wie eine Taschenlampe. Sie leuchtet dunkle Gebiete aus und verwandelt schnödes Altpapier wieder in wunderschöne Papierobjekte. Wir können mit diesem Licht zum Beispiel auch die kleinen Schnipsel-Bösewichte verwirren, die sich uns in den Weg stellen.
Neu ist auch, dass uns der Bote kleinere Objekte aus der Welt zuwerfen kann. Wir können diese dann quasi auf den Fernseher zurückschießen. Das ist hilfreich im Kampf gegen Schnipsel, aber auch dann, wenn Iota einen Ort selbst nicht erreichen kann. Vor allem mit diesem Mechanismus, aber auch mit den anderen beiden, wird versucht, eine Verbindung zwischen uns und dem Spiel herzustellen. Media Molecule musste nämlich gute Alternativen finden, um die gleiche Nähe zum Helden zu erzeugen wie es auf der Playstation Vita gelang.
Das Ersetzen von Spielmechaniken funktioniert jedoch allein schon deswegen nicht sonderlich elegant, weil die PS4 ganz andere Fähigkeiten hat und eben nicht alles kann, was der Handheld leistet. Und genau das ist der Punkt, an dem Media Molecule meiner Meinung nach das Konzept komplett hätte überdenken sollen. Tearaway war so großartig, weil wir so nah dran waren am Geschehen. Auf der PS4 bleibt trotz der wirklich wundervollen Ideen eine Distanz zwischen Spieler und Iota.
Auf der Vita konnten wir über das Display streichen, um direkt mit speziellen Objekten zu interagieren. Es gab Stellen, an denen wir über das rückwärtige Touchpad sogar unseren Finger in die Welt von Iota stecken durften. Und die Kamera war fest eingebaut und konnte uns so jederzeit ins Spiel holen. Auf der Playstation 4 gehört die Kamera nicht einmal zum Standard und noch dazu zeigt sie nicht unbedingt das Gesicht des Spielers, sondern vielleicht gerade irgendeinen leeren Teil des Raumes.
Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, warum der Funke bei Tearaway Unfolded einfach nicht überspringen will. Schließlich ist das Spiel deutlich größer. Es gibt mehr zu entdecken, mehr Aufgaben und mehr Details. Aber die Welt ist nicht mehr in der Hand des Spielers. Es sind nicht unsere Finger, die direkt eingreifen. Immer ist da die Strecke vom Controller bis zum Fernseher zwischen uns und dem süßen Briefboten - wie eine Wand aus Luft, die nie ganz durchbrochen wird.
Hinzu kommt, dass das Touchpad auf dem Dualshock 4-Controller winzig ist. Wir können damit zwar sehr gut Wind erzeugen und auch Objekte verschießen, aber das Zeichnen - ein wirklich elementarer Bestandteil der Erfahrung - ist ziemlich lästig. Eher blind malen wir mit den Fingern dann vielleicht sogar noch eine ganz hübsche, goldgelbe Krone. Aber spätestens die Verzierungen sehen so aus, als hätte sich jemand übergeben. Hilfreich ist da womöglich die Tearaway-App, die ich allerdings noch nicht ausprobieren konnte. Allerdings ist selbst das etwas, das eben nicht jedem zur Verfügung steht.
Die Erfahrung mit Tearaway Unfolded auf der Playstation 4 ist deswegen einfach sehr uneinheitlich. Die Kamera ist nicht nötig, aber sie macht das Spielen einfacher und besser. Ein Smartphone oder ein Tablet sind ebenso von Vorteil, weil das Touchpad eigentlich nicht ausreicht, um vernünftig zu zeichnen. Und dann ist es plötzlich wieder dieses Gefühl, dass dieses Spiel in dieser Form einfach nicht auf die PS4 gehört. Es ist eben ein bisschen so, als seien die neuen Mechaniken etwas aufgesetzt.
Und das sollte nicht falsch verstanden werden. Tearaway Unfolded ist noch immer wunderbar und es macht noch immer Spaß. Und tatsächlich sind mir auch die vielen neuen Herausforderungen aufgefallen. Das Spiel fühlt sich dadurch etwas voller an. Und in bestimmten Abschnitten wirkt es sogar offener, weil wir selbst entscheiden, was wir davon zuerst machen wollen. Media Molecule hat wirklich viel getan, damit Tearaway auf der Playstation 4 funktioniert. Aber vielleicht wäre es besser gewesen, sich etwas ganz anderes auszudenken.
Wer keine Playstation Vita besitzt und auch nicht plant, sich eine anzuschaffen, für den ist Tearaway Unfolded natürlich die einzige Option. Und in dem Fall ist es dann auch wirklich keine Schlechte. Die wunderschöne Welt aus Papier und Pappe hat einen eigenen Charme. Die Geschichte wird witzig erzählt, es gibt nette Melodien und jede Menge Möglichkeiten zur Interaktion. Wer sich darauf einlässt, den werden Iota und Atoi verzaubern. Und wer Lust hat, kann den Spaß sogar über das Spiel hinaus verlängern. Im Spiel gibt es Bastelbögen zu finden, die wir dann ausdrucken und zusammenkleben können. So holt uns Tearaway Unfolded nicht nur in seine Welt, sondern wir das Spiel auch in unsere.