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Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?

Vor allem PC-Gaming via Steam stand auf der CES 2014 im Fokus. Wir haben nach den wichtigsten Ankündigungen das Potenzial der Steam Machines und SteamOS untersucht.

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Auf der CES 2014 drehte sich in diesem Jahr vieles um PC-Gaming. Wo normalerweise Spiele und die Gaming-Technologie zugunsten anderer wichtiger technischer Ankündigungen und Fernseher in den Hintergrund treten, stahl ausgerechnet eine mithin unterschätzte Plattform allen die Show. Bei seiner diesjährigen Show führte Entwickler Valve seine drei größten Ankündigungen des vergangenen Jahres zusammen: die Steam Machines, das Betriebssystem SteamOS und den Steam Controller, dessen Design nun aber fundamental verändert wird.

Die CES-Enthüllungen waren aber mehr als eine Valve-Einzelshow. Wir haben auch einen ersten Blick auf Razers Vision der Zukunft werfen können: Project Christine. Dabei handelt es sich um ein modulares PC-System, mit dem wir zukünftig unsere PC-Ausrüstung dank geteilter Systeme schnell und einfach selbst upgraden. Geht der Speicherplatz zur Neige? Das lässt sich leicht lösen. Ihr habt zu viele Spiele? Schließt einfach eine weitere Festplatte an. Die Texturen reichen nicht? Baut einfach eine neue Grafikkarte ein. Das klingt fast schon zu schön, um wahr zu sein.

Der Rechner selbst sieht toll aus. Ich kann mir gut vorstellen, das Gerät in den nächsten Jahren auf meinem Schreibtisch stehen zu sehen. Das geht natürlich nur, wenn es die Maschine über den Teich schafft. Für Leute wie mich, die sich zwischen Technik-Versteher und Technik-Trottel bewegen, ist ein simpel upgradbares System ziemlich reizvoll. Die Möglichkeit, den eigenen Rechner ohne großes Nachenken und Rumbasteln Schritt für Schritt aufzumotzen zu können, es würde bedeuten, stets auf dem neuesten Stand sein zu können. Voraussetzung ist, dass man das nötige Kleingeld hat. Und gerade da liegt der Knackpunkt, wenn man bedenkt, dass Razer in diesem Fall allein die Preise aller Upgrades auf dem Markt kontrollieren würde.

Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Project Christine von Razer, ein modulares PC-System, mit dem wir zukünftig unsere PC-Ausrüstung dank geteilter Systeme schnell und einfach selbst upgraden.
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In der Theorie bleibt die Idee großartig. Ich bin mir trotzdem nicht sicher, ob sie sich durchsetzen kann - zumindest nicht in dem Maße, die sie verdient hätte. Razers Technologie reiht sich eher auf der High-End-Seite des Marktes ein. Und das gilt sowohl für die Komponenten wie auch die Kosten. Project Christine wird deshalb für einen Großteil der Spieler unerreichbar bleiben. Wie sich herausstellt, ist Christine am Ende aber auch nicht die größte Schlagzeile des Events.

Für die Präsentation der Steam Machines wurden auf der Show die ganz großen Geschütze aufgefahren. Bei den 13 unterschiedlichen Varianten auf dem Technik-Event ist es nicht schwer, von der aufkommenden Begeisterung mitgerissen zu werden. Genauso leicht lässt sich das ganze Gewese aber auch als Hype abstempeln.

Einige feiern Valves PC-Konsole als die Zukunft des PC-Spielens, andere verwerfen das neue Modell sofort. Ich reihe mich irgendwo dazwischen ein. Man sieht das Potenzial der Vision, aber es wird noch einige Jahre dauern, bis sich daraus etwas entwickelt, das dem Konsolenmarkt ernsthaft Konkurrenz machen kann.

Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Eine der vielen Steam Machines, die externe Anbieter bauen werden...
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Es gibt Spieler, die den Sinn der Existenz eines Wohnzimmer-PC ohne Standard hinterfragen. Die Steam Machine kann uns schließlich zwischen 500 und 6000 Dollar kosten - und auch die Qualität der einzelnen Komponenten variiert stark. Wo andere eine Schwäche sehen, entdecke ich mehr Auswahl für den Käufer. Valve liefert ein Gerät für alle Preislagen - abgesehen von der ganz, ganz billigen Variante. Die einzige Ausnahme zu PC-Herstellern wird sein, dass die Geräte nicht zu Verlusten verkauft werden können, weil man an zukünftigen Softwareverkäufen nicht mitverdienen wird - anders als es bei den anderen drei großen Marktführern der Fall ist.

Diese Einschränkungen beim Preis bedeuten für Valve, dass das Unternehmen sehr vorsichtig vorgehen muss und seine Preise nicht zu tief ansetzen darf. Weiterhin müssen dann auch noch die Mitbewerber im Auge behalten werden, zu denen andere Steam Machines UND die Next-Gen-Konsolen zählen. Das sollte die Preise niedrig halten, aber wird es auch reichen, um mit der Xbox One und der Playstation 4 zu konkurrieren? Vermutlich nicht in den nächsten Jahren. Valves Steam Machine wird wohl erst so richtig aufblühen, wenn sich die Preise mit denen für die neuen Konsolen vergleichen lassen.

Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Alle Modelle unterscheiden sich in der Leistung und dem Preis, für Konsumenten ist das ähnlich unübersichtlich wie der etablierte PC-Markt.

Ein Faktor, der der Steam Machine in die Hände spielen wird, ist die Zeit. Für mich ist das Konsolenprojekt kein Strohfeuer. Stattdessen glaube ich, dass es in den nächsten Jahren verschieden Steam Machine-Modelle für jeden Geldbeutel geben wird. Es ist nicht wie bei Konsolen, die sich über einen bestimmten Zeitraum nicht verändern. Das PC-Ökosystem wird sich immer weiterentwickeln und die Plattform wird sich weiter verbessern - und mit der Zeit verändern. Das hat schon jetzt einige Vorteile. So gibt es beispielsweise bereits einen umfangreichen Katalog an Spielen für SteamOS. Die Zahl der Titel wird stetig größer werden. Um es ganz einfach zu sagen: Die Steam Machine bietet ein Line-up an Spielen, dass Konsolen beschämt in die Ecke verweist.

Einige haben sich gefragt, ob es überhaupt einen Markt für Steam Machines geben wird und ob PC-Spieler, die bereits ihre ganz eigene Heimausstattung haben, überhaupt Interesse an einem neuen Komplettpaket zeigen werden? Ich glaube aber, dass die variablen Spezifikationen, die ich weiter oben angesprochen habe, Spielern ausreichend Optionen bieten werden, selbst zu entscheiden, wann und in welcher Form sie aufrüsten. Wir sollten auch nicht vergessen, dass viele PC-Spieler es bevorzugen, selbst zu entscheiden, welche Komponenten sie in ihren Computern verbauen, andererseits aber nicht immer selbst für den Einbau verantwortlich sein wollen. Auch hier finden sich potenzielle Kunden. Die Steam Machines bieten vorgefertigte Lösungen, mit unterschiedlichen technischen Spezifikationen, was wiederum Wahlmöglichkeiten bedeutet, und dazu gibt es ein elegantes Design plus Garantie.

Zweifel bleiben trotzdem. Ein Großteil meiner Bedenken entstammt den unübersichtlichen Mengen an Spezifikationen und Optionen. Vielleicht plant Valve bereits, einige Sachen als Pakete zu verkaufen, so dass Kunden besser verstehen, was sie eigentlich kaufen. Im Moment gibt es jedenfalls einfach noch zu viele Unklarheiten. Gamer wollen wissen, was ihre Konsole kann, ohne sie zu kaufen und selbst den Maßstab setzen zu müssen.

Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Der Controller, wie ihn sich Valve vor der gerade angekündigten Entfernung des mittleren Touchscreen vorgestellt hat.

Was mich vielleicht am meisten begeistert, ist nicht einmal so sehr das Gerät, als viel mehr der Controller, der gleichzeitig mit der Steam Machine erscheint. Ausprobiert habe ich ihn zwar noch nicht, kann es kaum erwarten, herauszufinden, wie er sich anfühlt und wie gut er mit den verschiedenen Spielen meiner Sammlung funktionieren wird. Vor allem bei Strategie-Titeln und MMOs, also Genres, die meist komplexe Eingabemethoden erfordern, die ein Controller bisher nicht bieten konnte, wird das ein spannendes Experiment.

Dass der Controller vieles verändern wird, darauf können sich Befürworter und Gegner der Steam Machine schon jetzt einigen. Das gilt auch, obwohl der mittlere Touchscreen nun gestrichen wurde. Und selbst, wenn ich mir keinen neuen PC für mein Wohnzimmer kaufen werde, so wird es der Controller sicher in meine Hände schaffen. Wenn es Valve mit dem neuen Gerät gelingt, meine PC-Spiele auf einem größeren Bildschirm als meinem Monitor zu zaubern, haben sie vielleicht eine echte Goldgrube geschaffen.

Ich werde mir auch SteamOS auf dem Familien-Laptop ziehen, damit ich Gameplay auf den Fernseher streamen kann. Wenn es dann bald Zeit zum Upgraden wird, werde ich vielleicht sogar meine Fühler nach der Steam Machine ausstrecken. Es ist aber vor allem die Möglichkeit des Controllers, mit dem ich meine Strategie-Titel und Point'n'Click-Adventures auch auf dem großen Bildschirm genießen kann, die wirklich mein Interesse geweckt hat. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass ich ganz heiß darauf bin zu sehen, welche Richtung Valve einschlagen wird.

Steam und PC-Gaming, wo geht die Reise hin?
Via SteamOS alle PC-Games problemos auf dem eigenen HDTV spielen - so stellt sich Valve das vor.

Der PC-Landschaft stehen in den nächsten Monaten und Jahren viele Veränderungen bevor. Es wird nicht mit einem Ruck plötzlich alles anders sein. Stattdessen glaube ich an eine schrittweise Entwicklung der Plattform über die Zeit, die durch neue Hardware beschleunigt wird, die unsere Lieblingsspiele ins Wohnzimmer bringt. Bevor wir aber ein endgültiges Fazit ziehen können, müssen wir die Steam Machine erst einmal ausgiebig testen. Es gibt einfach noch zu viele unbeantwortete Fragen, sodass wir an dieser Stelle noch keine wirkliche Kaufempfehlung aussprechen können.

Toll wäre eine Fusion der beiden oben beschriebene Konzepte: ein modularer PC - ein System also, das sich leicht aufrüsten lässt (wie Project Christine) - komplett auf Steam fokussiert und für das Wohnzimmer gemacht. Davon spricht momentan noch niemand so wirklich und doch schimmert so etwas in der Art am Horizont. Wir sind auf jeden Fall gespannt, was die Zukunft für uns bereithält.

Alles, was uns nun bleibt, ist das Warten. Zum Beispiel darauf, dass uns die Hersteller mehr zu ihrer Hardware verraten. Oder dass Valve den vollen Umfang der Funktionalität von SteamOS preisgibt und wir es selbst testen können. Oder eben das Warten darauf, dass die Steam Machines endlich veröffentlicht werden, im TV stecken und unsere PC-Games spielen. Es ist eine gefährliche Zeit, um PC-Spieler zu sein - gleichzeitig aber auch eine unheimlich aufregende. Ich bin gespannt, was das Jahr für uns bereithält.



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