Deutsch
Gamereactor
Artikel

Sie wollen uns spielend regieren

So manchem mag das schnurzpiepegal sein. Doch gerade die Verbotsdebatte zum Thema Videospiele zeigt, dass auch wir Gamer uns alle vier Jahre aufraffen sollten. Es ist unser Recht, wählen zu gehen, davon sollten wir Gebrauch machen. Insgesamt treten am 22. September zur Wahl für den 18. Deutschen Bundestag 30 Parteien an. Und weil das ziemlich viele sind, haben wir uns nur die sechs großen genauer angeschaut.

HQ

So fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm eine Förderung außergewöhnlicher Spiele über den bereits existierenden Deutschen Computerspielpreis hinaus. Die Linkspartei spricht sich gegen schlechte Bezahlung in der Kreativwirtschaft aus und will die Branche individueller fördern - und schließt dabei unser Steckenpferd explizit ein. Selbst CDU und CSU erkennen "die kreative Leistung und hohe technische Kompetenz der Spieleentwickler" an und wollen dies fördern. Die FDP konnte sich nur dazu durchringen, den Deutschen Computerspielpreis zu unterstützen - welcher aber ohnehin Konsens ist. Enttäuschend dagegen die verbliebenen Parteien. SPD und Piraten widmen sich in ihrem Wahlprogramm mit keiner Silbe den Games.

Natürlich steht dies nicht gleichbedeutend dafür, dass sie hierfür keine vernünftige Politik machen. Ein gut geschriebenes Wahlprogramm ist noch lange keine Garantie für gute Politik. Es zeigt aber, welchen Stellenwert ein Thema bei einer Partei hat. Außerdem kommt es drauf an, welche Person am Ende tatsächlich im Bundestag sitzt und mit ihrer Stimme entscheidet. Wir haben daher auch die Vorsitzenden der Parteien und das Fachpersonal für neue Medien ausgefragt.

Angela Merkel, die Vorsitzende der CDU, wollte aufgrund zu vieler Presseanfragen nicht persönlich antworten, gleiches hörten wir vom Büro von Philipp Rösler. Dabei hatte der sich noch auf der Bundestags-LAN selbst als Gamer geoutet - wenn auch inzwischen im Ruhestand. Wie schön, dass der Wirtschaftsminister aber gerade erst auf der Gamescom ganz cool der Zocker gespielt hat. Keine Antwort gab es von Sigmar Gabriel, dem Parteivorsitzenden der SPD. Nicht einmal der erweiterte Vorstand hat geantwortet und der besteht aus immerhin 26 Personen. Für die drei Parteien antworteten statt dessen Fachpolitiker auf die Fragen.

Sie wollen uns spielend regieren
Werbung:

Dorothee Bär, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Diablo 3 auf der PS3.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Nur kurze zum Zeitvertreib, Klassiker wie Tetris und Solitär oder Wer wird Millionär und der Akinator. Zudem noch die gesamten eingereichten Spiele des Deutschen Computerspielpreises aus den letzten Jahren.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler attraktiver
gestalten?

Ja, das glaube ich schon. Wir hatten vor kurzem im Deutschen Bundestag unsere zweite Politiker-LAN, die ich mit meinen beiden Kollegen Manuel Höferlin und Jimmy Schulz von der FDP veranstaltet habe. Dabei wurde klar, dass sich viel getan hat in Deutschland in den letzten Jahren - gerade, was die Akzeptanz von Computerspielen und der Computerspiele-Branche angeht. Aber ich bin der Meinung, dass beispielsweise beim Thema Fördermittel noch ein erheblicher Nachholbedarf herrscht - denken Sie nur an die Filmfördermittel, die ein Vielfaches dessen ausmachen, was in die Gaming-Branche fließt. Dazu kommt, dass wir unsere Standorte, auch was die Infrastruktur angeht, ausreichend ausbauen, damit auch Start-ups beste Konditionen vorfinden. Gerade im Gaming-Sektor ist das Innovationspotenzial immens.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Es gibt auch Filme, in denen Gewalt dargestellt wird. Und in vielen Büchern, die sich derzeit auf den Bestsellerlisten finden, gibt es Szenen, die nichts für schwache Nerven sind und die Gewalt sehr genau auf drastische Weise beschreiben. Wenn es um reine Gewaltdarstellung oder gar Gewaltverherrlichung geht, dann trifft es zwar nicht meinen persönlichen Geschmack, aber um den geht es auch nicht. Ob und wann ein Spiel verboten wird, ist nochmal eine andere Frage.

Werbung:

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Nein.

Sie wollen uns spielend regieren

Lars Klingbeil, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Verschiedene. In meinem Büro steht eine Wii, ansonsten spiele ich ab und an auf dem iPhone oder dem iPad. Aktuell spiele ich auch SimCity auf einem PC.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Die Klassiker. Angry Birds, Doodle Jump und Cut the rope. Aber auch GTA III.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler attraktiver gestalten?
Es ist inzwischen unbestritten und weitgehend akzeptiert, dass Computerspiele nicht nur einen erheblichen Wirtschafts- und Standortfaktor darstellen, sondern Teil unserer Kultur sind. Einen wichtigen Beitrag hierzu leistet auch der Deutsche Computerspielpreis. Notwendig sind darüber hinausgehende Initiativen und auch Fördermaßnahmen, um diese wichtige Branche und die deutsche Entwicklerszene zu unterstützen. Geprüft werden sollte insbesondere, wie die Medienförderung angesichts der derzeitigen Umbrüche in der Medienlandschaft weiterentwickelt und wie Computerspiele in diese einbezogen werden können.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Wie alle anderen Medien thematisieren auch Computerspiele das Thema Gewalt. Aus diesem Grund haben wir einen wirksamen und gut funktionierenden Jugendmedienschutz in Deutschland. Dies hat auch eine Evaluation des Jugendmedienschutzes durch das Hans-Bredow-Institut bestätigt, die die Grundlage für die Novellierung des Jugendmedienschutzes bildete. Als Jury-Mitglied des Deutschen Computerspielpreises habe ich im letzten Jahr für die Auszeichnung von Crysis 2 gestimmt. Ich finde, wir müssen die Debatte entspannter führen.

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Nein. Es hat inzwischen aber Klarstellungen in der Kategorienbeschreibung gegeben, die wir mitgetragen haben, um den Computerspielpreis - der maßgeblich von der SPD initiiert wurde - nicht zu gefährden.

Sie wollen uns spielend regieren

Jimmy Schulz, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Auf dem PC habe ich Giana Sisters und Call of Duty: Black Ops gespielt. Außerdem spiele ich auch gerne SimCity. Auf dem iPad spiele ich oft Simpsons oder Brave Smart.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Auf dem iPhone habe ich Galaxy on Fire 2, Tiger Woods PGA Tour 12, Brave Smart und Hill Climb.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler
attraktiver gestalten?

Die deutschen Spiele-Entwickler sind inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, nicht nur in der Software-Branche. Ich unterstütze daher das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) bei seiner gemeinsamen Strategie, Start-ups mehr zu fördern. Das BMWi hat außerdem den Beirat „Junge Digitale Wirtschaft" ins Leben gerufen. Dieser Beirat berät den Minister insbesondere in Fragen zur Schaffung besserer Wachstumsbedingungen für Start-ups.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Im Zusammenhang mit der Diskussion um Waffen wird auch immer wieder das Verbot gewaltverharmlosender Computersoftware, so genannter Killerspiele oder auch Egoshooter, gefordert. Die FDP lehnt dies ab, da ein Verbot inhaltlich sinnlos und auch praktisch wirkungslos ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen nicht zu Amokläufern werden, weil sie Egoshooter spielen. Computerspiele können sich sogar positiv auswirken, so geht es oft um schnelle Reaktionsfähigkeit und die Kooperation mit anderen Teilnehmern. Ein nationales Verbot würde dadurch leicht umgangen werden, dass die Spiele auch alle im Ausland erhältlich sind.

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Nein, denn das entspricht nicht dem Verständnis des Computerspielepreises. Der Computerspielpreis zeichnet in sieben Kategorien herausragende deutsche Spieleproduktionen aus. Hierbei werden keine Spiele ausgenommen.

Sie wollen uns spielend regieren

Claudia Roth, Cem Özdemir, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Cem: Solitär am PC.
Claudia: Um abzuschalten, daddele ich gerne auf meinem Smartphone. Mein Lieblingsspiel ist im Moment Jewel Mania.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Cem: Viele, aber die sind alle für meine Tochter.
Claudia: Jewel-, Fruit- und Bubble Mania sowie Bejeweled, den Rest kann ich mir leider nicht merken.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler attraktiver gestalten?
Wir Grüne setzen uns im Bund und in den Ländern für eine Förderung der Gamesindustrie ein. Wir sind mit unseren guten Entwicklern zwar nicht mehr das Entwicklungsland, das wir mal waren. Aber es ist noch eine Menge Luft nach oben. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Talente ins Ausland abwandern, müssen wir ihnen Gründe liefern, hierzubleiben. Das geht nur über eine gute Standortförderung für den Gamessektor. Auch die Ausbildungssituation muss verbessert werden.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Computerspiele sind ein Kulturgut wie Filme und Bücher, in denen auch Gewalt vorkommen kann. Ob man diese spielen, sehen, lesen möchte, muss letztlich jeder Erwachsene selbst entscheiden. Aber: Gewaltverherrlichendes hat in den Zimmern von Kindern und Jugendlichen nichts zu suchen! Nicht nur dort, auch im Fernsehen, Kino oder im Internet müssen Kinderaugen vor menschenunwürdigen Darstellungen und brutaler Gewalt geschützt werden.

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Die unabhängige Jury des Deutschen Computerspielpreises hat bei der Preisvergabe stets geltende Kriterien berücksichtigt. Für uns Grüne sind Computerspiele Kulturgut unserer Gesellschaft und genießen Kunstfreiheit. Dennoch: Die Debatte um die Preisvergabe an das Computerspiel Crysis 2 hat gezeigt, dass wir Sinn und Ausrichtung des Computerspielpreises debattieren und die Kriterien auf den Prüfstand stellen müssen. Dabei sollten wir uns auch fragen: Ist zukünftig eine Gewichtung auf pädagogisch wertvolle Spiele sinnvoll? Aber auch: Darf ein herausragendes Spiel keinen Preis erhalten, wenn es eine Altersfreigabe ab 18 besitzt?

Sie wollen uns spielend regieren

Katja Kipping, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Während ich meine Magisterarbeit schrieb, starben viele virtuelle Moorhühner auf meinem PC.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Ich schaue lieber Serien mit Gamern in den Hauptrollen, wie Big Bang Theory, statt selber Computerspiele zu spielen. Deshalb müsste ich nachschauen, ob sich überhaupt ein Spiel auf meinem Smartphone befindet.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler attraktiver gestalten?
Computerspiele sind heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. In Deutschland liegen die Umsätze im Bereich Games bereits über jenen der Filmbranche. Als Linke setzen wir hier vorrangig auf den Standortfaktor Mensch. Die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse in der Kreativindustrie generell sind geprägt von langen Arbeitszeiten, unbezahlten Überstunden, mangelnden Aufstiegschancen und geringer Jobsicherheit. Feste Stellen sind die Ausnahme, oft herrschen prekäre Beschäftigungsformen vor. Die Linke setzt sich für Fair Work auch in der Gamesbranche ein. Die Forderung nach guter und gutbezahlter Arbeit gilt ebenso für die Entwickler und Entwicklerinnen von Computerspielen.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Computerspiele sind Produkte heutiger Populär- und Alltagskultur. Thematisierungen und Darstellungen von Gewalt gibt es ebenso in Film, TV, Musik und Literatur. Insofern ist das kein Spezifikum von Computerspielen. Ein Teil unserer Mitglieder und sicherlich auch unserer Wählerschaft dürften gewalthaltige Spiele allerdings eher fremd sein. Einen Beitrag zu einem humanistischen und solidarischen Menschenbild können sie darin nicht erblicken. Ein anderer Teil und insbesondere die Jüngeren gehen eher gelassen mit der Frage um, spielen auch selbst solche Spiele. Sie sehen darin ein Mittel des Stress- und Aggressionsabbaus oder einfach eine Freizeitbeschäftigung, bei der sie zwischen realer und virtueller Gewalt sehr wohl differenzieren können. Zum Kulturkampf taugt das Thema nicht. Auch deshalb haben wir einen prohibitiven Umgang mit gewalthaltigen Spielen immer schon abgelehnt. Die Debatte um ein Verbot ist zum Glück und im Unterschied noch zu vor einigen Jahren inzwischen sehr randständig geworden.

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Nein! Diese Diskussion flammte kurzzeitig zuletzt im Jahr 2012 auf, als Kulturpolitiker aus der CDU/CSU sich von der Jury-Entscheidung distanzierten, den Egoshooter Crysis 2, der in Deutschland mit der USK-Altersfreigabe ab 18 Jahren gekennzeichnet ist, auszuzeichnen. Das sind Positionen einer rückwärtsgewandten Kulturkritik, die kein Verständnis für Computerspiele als massenmediale Erscheinungen einer Spiel- und Kommunikationskultur im Digitalzeitalter aufbringen will. Im Übrigen besteht ein solches Ausschlusskriterium auch nicht bei der Filmförderung und der Vergabe des Deutschen Filmpreises.

Sie wollen uns spielend regieren

Bernd Schlömer, welches Video- oder Computerspiel haben Sie zuletzt gespielt?
Das wirklich letzte Spiel, das ich gespielt habe, war Angry Birds auf meinem Smartphone. Zuletzt habe ich mit meiner Tochter verschiedene Spiele auf der Wii-Spielkonsole von Nintendo gespielt.

Welche Spiele befinden sich auf Ihrem Mobiltelefon?
Ich habe zurzeit nur Angry Birds und Pinball Pro als App gespeichert.

Muss Politik den Standort Deutschland für Spiele-Entwickler attraktiver gestalten?
Ja, Politik muss insbesondere für die Kreativwirtschaft mehr tun. Beispielsweise können kleinen Start-up-Unternehmen die Einstiege in die Marktaktivität erleichtert werden, in dem Förderprogramme aufgelegt oder administrative Erleichterungen für Neugründungen vorgesehen werden. Entscheidend ist oftmals auch, dass Kapitalgeber jungen Kreativen Chancen einräumen. Hier könnte die öffentliche Förderung von Crowdfunding-Modellen Hilfe bieten. Schließlich ist der Open-Source-Gedanke zu fördern. Dieses gekoppelt mit der Idee, Software stärker als bislang frei verfügbar zu machen, würde vielen jungen Ideenträgern helfen, ihre Konzepte schnell und einfach in den Markt einbringen zu können.

Wie stehen Sie persönlich zum Thema Gewalt in Spielen?
Die Frage ist ein wenig tendenziös, denn sie unterstellt, dass Gewaltanteile in Computer- oder Videospielen prinzipiell schädlich sind. Das sind sie nicht. Im Zusammenhang mit auffälligem Verhalten, beispielsweise Gewaltdelikten, wird von Polizeipraktikern oder Politikern immer wieder gerne der schädliche Einfluss von Gewaltanteilen bei Computer- und Videospielen angeführt. Aber so einfach ist es nicht. Es gibt in Deutschland Millionen von Spielern, die nicht straffällig werden, nur weil sie ein Computerspiel spielen, dass auch Gewaltelemente enthält. Ich persönlich würde mir von der Spieleindustrie wünschen, auch in gewaltfreie Entwicklungen zu investieren.

Sollten Spiele ohne Jugendfreigabe vom Deutschen Computerspielpreis ausgeschlossen werden?
Ich wäre dagegen. Das Kriterium Jugendfreigabe passt nicht als Kriterium für einen Preis. Es sind von einer Jury andere Maßstäbe heranzuziehen, die die Qualität eines Computerspiels beschreiben können, wie etwa die kreative Leistung, die Designqualität oder ein Uservotum.

Und? Was denkt ihr? Wenn wollt ihr wählen? Überhaupt wen? Wir freuen uns auf Meinungen, aus denen die Politik dann hoffentlich auch etwas lernen kann.



Lädt nächsten Inhalt