Ich bin ein bisschen verwirrt nach den ersten paar Minuten im Karriere-Modus von Shift 2: Unleashed, als ich gebeten werde, mein erstes Auto zu kaufen. Zur Auswahl stehen: Ford Focus, Golf GTD, Renault Megane, Seat Leon, Honda Civic und ein Audi A3... alles Autos, die für die Fahrt zum Supermarkt gebaut wurden.
Das ist unerwartet für ein Spiel, das behauptet, die langweiligen, alltäglichen Autos zu vermeiden, die den Anfang eines jeden Gran Turismo plagen. Macht es einen Unterschied, mit einem Ford Focus oder einem VW Polo in Suzuka zu fahren? Ist das eine Frage, die man sich im Kontext Shift 2: Unleashed stellen sollte? Nein, nicht wirklich. Und vor allem nicht nach dem, was mir erzählt wurde, als ich den Entwickler Ende letzten Jahres besuchte.
Was soll's. Ich kenne den Drill und habe das viele Male zuvor erledigt. Ich schicke den Renault auf die Strecke, quetsche mich durch die Kurven in Monza & Co., um so schnell wie möglich zu den interessanteren Wagen zu kommen.
Shift 2: Unleashed ist kein großer Fortschritt im Vergleich zum Vorgänger. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich den Vorgänger spielen, nur das jetzt immer ein seltsamer Erzähler im Hintergrund zu hören ist und mir Gesellschaft leistet. Slightly Mad Studios haben sich offenbar von Codemasters Arcade-Rennspielen inspirieren lassen - und mit Formel D-Champion Vaughn Gittin Jr. muss ich unerklärlich vollgestopfte Menüs bewältigen.
Im Spiel sind schnelle Wettkämpfe nun vermischt mit Zwischensequenzen voller Attitude. Man muss in diesem Zusammenhang leider die ein oder andere Gang-Geste ertragen. Das fühlt sich kitschig und dämlich an, zudem wirkt es künstlich aufgesetzt auf ein Spiel, das im Kern eine Rennsimulation ist. Ich denke, die Idee ist es hier, neue Spieler zu gewinnen. Aber am Ende wird nur eine fragmentierte Botschaft versendet - ein Beweis der Unfähigkeit zu dem zu stehen, was das Spiel wirklich ist.
Der Karriere-Modus ist ähnlich strukturiert wie im Original und folglich weiter so wie in Forza Motorsport 3. Es gibt verschiedene Klassen, die vervollständigt werden müssen und Punkte für die Rennen, die nach jedem Cup das Gesamtlevel erhöhen. Weiter oben warten härtere Rennen und bessere Autos. Es ist eine gute Sache, dass die eigentlichen Rennen großartig sind. Mit dem Auto auf der Strecke und der PC-Version auf maximaler Leistung eingetaktet bei 98 Frames pro Sekunde kann ich das Logitech G27 endlich fein justieren. Es fühlt sich gut an, aber nicht perfekt. Egal was ich versuche, finde ich das Lenken leichter mit dem Controller als mit dem Lenkrad. Das wäre dann das Gegenteil von dem, was für Forza Motorsport 3 und Gran Turismo 5 gilt. Die Reifen-Physik ist immer noch ein wenig zu locker und die Bremsen können nicht so recht mithalten. Das Gefühl der Geschwindigkeit wurde heruntergefahren gegenüber dem Vorgänger. Und es bleibt weiter das Gefühl, dass der Schwerpunkt höher liegt, so als ob einige Autos über dem Asphalt schweben.
Während Spiele Forza Motorsport 3 und Gran Turismo 5 versuchen mathematisch zu simulieren, wie ein Auto sich auf Asphalt verhält, schlägt Shift 2: Unleashed einen anderen Weg ein. Es simuliert die laute, wackelige Erfahrung des echten Rennsports. Die Reifen quietschen und sliden über den Straßenbelag, während Schmutz auf die Fenster spritzt. Der Bildschirm vibriert und verschiebt immer wieder seinen Fokus. Das fühlt sich frisch, frech und cool an - die Erfahrung im Cockpit ist hektisch-chaotisch und schüttelt einen so richtig durch.
Um das so abzuliefern, haben sie bei Slightly Mad Studios die Fahrphysik modifiziert, um einen verzerrten Realismus ("Immersion Simulation" nennen sie das selbst) zu kreieren. Das Auto rüttelt und brüllt und alle paar Sekunden klatscht Dreck auf die Windschutzscheibe. "Immersion Simulation" war ein wichtiger Teil des ersten Spiels. In Shift 2: Unleashed sind die Prioritäten ein bisschen anders. Wie bereits erwähnt, wurden die Autos etwas stabilisiert und das Gefühl der Geschwindigkeit zurückgenommen. Kombiniert mit der Tatsache, dass es mehr Lärm und Erschütterungen im Cockpit gibt und alles eher unscharf ist, steckt man fest zwischen den Resten klassischer Fahrphysik und den wilden Eskapaden der Cockpit-Kamera. Mal ist es Simulation, mal Irritation.
Die größte Neuerung ist eine Kameraperspektive namens Helmkamera. Slightly Mad Studios nennen es eine Revolution, denn sie soll die Erfahrung direkt innen drinnen in einem Renn-Helm simulieren. Die Kamera ist "hinter den Augen" des eigenen Fahrers montiert. Abgesehen von einem wackeligen und oft unscharfen Bild der Straßenszene vor einem sieht man hier auch Teile der Auskleidung des Helms. Als echter Rennsport-Fan finde ich das eine tolle Idee und ich habe keine Zweifel, dass diese Perspektive von der Konkurrenz kopiert werden wird. Aber sie fügt dem Spielerlebnis langfristig nichts hinzu. Es ist eine Spielerei für ein paar Runden. Wer Bestzeiten fahren will, wählt eine der Außenansichten, da es die Helmkamera erschwert, andere Autos zu überholen und auf der Ideallinie zu fahren. Das liegt an den übertriebenen Bewegungen des Helmes beim Bremsen, Beschleunigen oder in Kurven.
Eine weitere, im Gegensatz sehr solide Ergänzung ist die Autolog-Funktion, dem beste Feature aus Need for Speed: Hot Pursuit. EA hat hier viel verbessert und hinzugefügt: Rundenzeiten teilen, Wiederholungen, Fotos und die eigenen Wagen den Freunden präsentieren. Das alles ist ein Kinderspiel dank des runden Systems und ich freue mich schon zu sehen, was die besten Fahrer hier veranstalten.
Die Optik, nun ja. Während der Vorgänger bei seiner Veröffentlichung fantastisch aussah, ist die Fortsetzung nicht ganz so beeindruckend, insbesondere wenn man sie mit anderen, aktuellen Rennspielen vergleicht. Die Strecken selbst sind wunderschön, mit tollen Lichteffekten und ebenso schönen Autos darauf. Ich war jedoch ziemlich enttäuscht davon, dass die Konsolen-Versionen noch immer mit 30 Frames pro Sekunde arbeiten. Ich hatte wirklich gehofft, dass die Entwickler die Feinabstimmung ihrer Engine hinbekommen, um die gleichen seidenweichen 60 Frames pro Sekunde wie in Forza Motorsport 3 zu servieren.
Am Ende ist das hier ein gutes Rennspiel, das eine andere Art der Simulation bietet als Forza Motorsport 3 oder Gran Turismo 5. Das Renngefühl ist intensiv, oft chaotisch und die Grafik vielfach beeindruckend - wenn auch das alles mit langen Ladezeiten bezahlt werden muss. Das Driften und die von einer "Story" angetriebene Karriere wirken irgendwie fehl am Platze - aber vor allem die Reifen-Physik schafft es nicht, mit Forza Motorsport 3 zu konkurrieren. Shift 2: Unleashed ist ein qualitativ hochwertiges Rennspiel, aber es fehlen die Verbesserungen, auf die sicher nicht nur ich gehofft hatte.