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Sherlock Holmes Chapter One

Sherlock Holmes Chapter One - Eindruck nach sieben Stunden

Der ikonische Detektiv ist zurück, in seiner bisher ehrgeizigsten Videospieladaption.

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Der ukrainische Entwickler Frogwares entwickelt seit fast zwei Jahrzehnten Sherlock-Holmes-Spiele und steht nun, nach fünfjähriger Pause, kurz vor der Veröffentlichung eines neuen Spiels mit dem berühmten, britischen Meisterdetektiv. Wie der Titel Sherlock Holmes Chapter One" bereits andeutet, versucht der Entwickler, Conan Doyles berühmter Romanfigur eine eigene Note zu verpassen, indem sie in die Vergangenheit vom jungen Mr. Holmes eintauchen. Dafür haben sie diesmal eine vollständig offene Spielwelt geschaffen.

Wenn ihr meine frühere Vorschau nicht gelesen habt, ist zumindest eine kurze Zusammenfassung angebracht: Damals konnten wir auf die Mittelmeerinsel Cordona reisen und dem jungen Sherlock dabei helfen, seinen allerersten Kriminalfall zu lösen. Dafür mussten wir investigative Techniken, wie lauschen und eine Art mentaler Scanner einsetzen, um an Informationen zu gelangen. Wir konnten den Kriminellen ausfindig machen oder eine vielleicht unschuldige Person hinter Gitter bringen (die Wahl liegt ganz bei uns), während Sherlock zusammen mit seinem alten Freund Jon zum Grab seiner verstorbenen Mutter reist. Doch statt mit seinem Verlust abschließen zu können, wurde er stattdessen mit weiteren Geheimnissen konfrontiert.

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Bei unserem ersten Besuch schien Cordona ein faszinierender Ort zu sein und dieser erste Eindruck wurde nochmals verstärkt, als wir die Gelegenheit bekamen, ihn weiter zu erkunden. Obwohl die fiktive Insel nicht die gleiche Größe oder Fülle an Aktivitäten aufweist wie viele neuere Open-World-Spiele von Ubisoft, kann diese Umgebung dennoch mit einem realistischen Setting beeindrucken. Obwohl ihr Cordona auf keiner echten Karte findet, sagt uns das Entwicklerteam, dass sie von Anfang an eine klare Vision vor Augen hatten:

"Im Spiel sagen wir es nie wirklich, aber wir haben die Insel irgendwo im Ionischen Meer platziert, so eingeklemmt zwischen dem modernen Italien und Griechenland." Das Forschungsteam verbrachte viel Zeit damit, die venezianische und die osmanische Kultur und Architektur zu untersuchen, was zu einigen unterschiedlichen Umgebungen führte. Jeder der fünf Bezirke der Insel weist deshalb einen sehr unterschiedlichen Stil auf.

Sherlock Holmes Chapter One spielt im späten 19. Jahrhundert und da Cordona ein Teil des britischen Imperiums ist, sind Differenzen und Zusammenstöße der verschiedenen Kulturen und gesellschaftlichen Klassen vorprogrammiert. Die britischen Funktionäre arbeiten in robusten Backsteinhäusern und genießen kühle Drinks in schattigen Restaurants, während die lokale Bevölkerung - ein Schmelztiegel von Menschen aus aller Welt - auf überfüllten Märkten Waren verkauft. Sie arbeiten tagein, tagaus in großen Bergwerken und Fabriken am Stadtrand der Insel.

Es dauert eine Weile, bis man diesen Ort vollständig erfasst hat. Der erste Fall des Spiels spielt in einem luxuriösen Hotel, in dem wirklich alle herablassend höflich sind und sogar die Kriminellen Anzug und Krawatte tragen. Sobald das Spiel richtig startet, führt uns die Untersuchung zu einigen der schäbigeren Orte der Insel, wie einer verlassenen Werkstatt oder einer großen römischen Ausgrabungsstätte, auf der lokale Arbeitskräfte unter den nicht so wachsamen Augen eines zerstreuten, britischen Archäologen arbeiten.

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Sherlock kann sich an diesem Ort unter die Leute mischen und wertvolle Informationen erhalten, indem er verschiedene Verkleidungen trägt. Neben den unmittelbaren praktischen Nutzen gibt uns das Verkleidungselement die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung des Detektivs. Wenn wir mit Sherlocks Silberzunge nicht mehr weiterkommen, dann helfen häufig schlagfertigere Argumente.

Der Kampf im Vorgängerspiel des Entwicklers, The Sinking City, wurde vielfach als zu langsam und klobig kritisiert und daher für dieses neue Kapitel komplett überarbeitet, verrät der Entwickler: „Wir haben im Grunde das gesamte System und den Code, der in The Sinking City genutzt wurde, aus [dem Fenster] geworfen, um neu anzufangen." Das führte zu einem insgesamt dynamischeren System, bei dem eure einzige Überlebenschance darin besteht, aggressiv zu bleiben. Ihr müsst Gegner entweder sofort töten oder sie durch ein auffälliges Quick-Time-Event, das manchmal wie eine Mischung aus MMA und Ballett wirkt, ausschalten.

Die nicht-tödliche Option wird empfohlen, wenn ihr eine herzliche Beziehung zu eurem Freund Jon pflegen möchtet. Andere NPCs nicht zu töten, erfordert meistens mehr Arbeit, da man Feinden die Rüstung zerschießen muss, um ihren Schwachpunkt zu offenbaren (ein explosives Gefäß, das zufällig jeder bei sich trägt) - oder man verwendet Fallen in der Umgebung. Ähnlich wie bei den Ermittlungen nutzt Sherlock seine Konzentrationsgabe, um beim Zielen kurz die Zeit zu verlangsamen, was gleichzeitig Lampen, explosive Fässer oder andere Objekte hervorhebt, die man zu seinem Vorteil verwenden kann. „Wir haben uns entschieden, den Kampf teilweise wie ein Puzzle zu gestalten. Sherlock setzt nicht nur rohe Gewalt ein, um seine Feinde niederzuschießen, sondern auch sein Denken und seine List", kommentiert Frogwares.

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Ist der Kampf so erstaunlich, wie es die Trailer vermuten lassen? Weit davon entfernt. Feinde sind dumm wie Türklinken und der uralte Trick, im Kreis zu laufen, erweist als siegessichere Strategie, gegen die die KI nicht gefeilt ist. Der auffällige und zerebrale Kampfstil passt jedoch genauso gut zu Holmes' Charakter wie eine abgetragene Deerstalker-Mütze. Mir persönlich hat die Abwechslung von der Ermittlungsarbeit gut gefallen, aber ihr könnt das alles auch weitestgehend ignorieren. Ich habe tatsächlich eine Menge Zeit damit verbracht, optionale Banditenhöhlen auszuräumen, um zusätzliche Auszeichnungen und Geld zu verdienen.

Wie bereits erwähnt, ist Sherlock Holmes Chapter One eine Art Herkunftsgeschichte. Zu Beginn des Spiels erhält man Zugang zu einem alten Familienhaus, das in einem der ältesten Viertel der Insel steht. Alle Möbel sind schon lange versteigert worden, doch der Sinn für Dekoration der alten Holmes hat ganz offensichtlich nicht den lokalen Geschmack getroffen, weshalb ihr auch nach all dieser Zeit noch all eure alten Besitztümer - zusammen mit einigen schicken Verbesserungen - von den hiesigen Händlern zurückkaufen könnt, um die Villa optisch wieder auf Vordermann zu bringen. Natürlich solltet ihr nicht erwarten, eure eigenen vier Wände wie in Animal Crossing zu dekorieren, aber es fügt der Erfahrung zumindest eine kleine, persönliche Note hinzu.

Das gleiche gilt für viele der Objekte und Sehenswürdigkeiten, die ihr auf der Insel entdecken könnt. Diese Dinge aufzusuchen erinnern Sherlock und Jon oft an vergangene Heldentaten. Manchmal erwarten euch kleine, phantasievolle Untersuchungen, in denen ihr frühere Ereignisse rekonstruieren sollt. Andere Neben-Quests sollen viel komplizierter sein, denn Frogwares informierte uns darüber, dass auf die Spieler angeblich bis zu 40 Stunden Beschäftigung wartet, sofern sie alles erkunden wollen. Das dürfte eine kühne Behauptung sein, aber es ist nicht undenkbar, denn ich habe jetzt schon fast sieben Stunden auf der Insel verbracht und offenbar noch nicht viel gesehen.

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„Die Nebenquests sind zwar optional und haben keinen Einfluss auf das Ergebnis der Hauptgeschichte, aber sie sind nicht nur zum Auffüllen der Spielerfahrung gedacht", versichert uns der Entwickler. "Viele von ihnen sind vollgepackt mit komplizierten und interessanten Verbindungen mit Hintergründen, in denen wir Erzählungen (also im Wesentlichen unsere Interpretation von [vergangenen] Ereignissen) geschaffen haben, die Sherlock zu dem Mann gemacht haben, den wir alle in seinen späteren Jahren kennen." Frogwares zufolge seien einige der Neben-Quests fast so lang und kompliziert wie die Hauptgeschichte.

Mit besseren Kämpfen, soliden Ermittlungen und einer abwechslungsreicheren, offenen Spielwelt scheint Frogwares die in The Sinking City eingeführte Open-World-Formel in allen wichtigen Bereichen verbessert zu haben. Es gibt jedoch auch Probleme in diesem mediterranen Paradies: Die Sprachausgabe ist zum Beispiel eine durchmischte Erfahrung und obwohl die Grafik als anständig durchgeht, gibt es sicherlich Raum für Verbesserungen, insbesondere wenn es um die Animationen geht. Ich hatte auch das Gefühl, dass die Ermittlungen manchmal - trotz der Absichten der Entwickler - ein bisschen wie auf Schienen ablaufen, während ich mich von den vielen Möglichkeiten in Sherlocks mentalem Repertoire manchmal fast ein überfordert fühlte.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass das Spiel Adventure-Fans ansprechen wird - schließlich werden wir nicht oft mit riesigen Open-World-Detektivspielen verwöhnt. Ob der Titel aber tatsächlich die nötige Qualität mitbringen wird, um ein breites Publikum anzusprechen, wird sich erst am 16. November zeigen, wenn Sherlock Holmes Chapter One auf PC, Xbox Series und PS5 veröffentlicht wird Die Last-Gen-Versionen des Spiels werden zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar sein.

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