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Ready Player One

Ready Player One

Der inzwischen über 70jährige Steven Spielberg verfilmt Cyberspace und Jugendkultur - kann das klappen?

Ernest Cline ist ein absoluter Experte für Nerd-Kultur und war als solcher schon als Autor des charmanten Films „Fanboys" bekannt, als er 2011 das Buch „Ready Player One" veröffentlichte. In diesem vermischte er ein gigantisches Füllhorn von Charakteren, Gegenständen und Zitaten aus den kultigsten Popkultur-Werken der 1980er und 1990er mit einer Cyberspace-Geschichte, die im Jahre 2046 angesiedelt ist.

Der nun erscheinende Kinostreifen von Regielegende Steven Spielberg hält sich vom Setting her an die Vorlage: Die Welt der Zukunft ist ein deprimierender Ort, die meisten Menschen verbringen den Großteil ihrer Freizeit in Oasis, einem gigantisch großen VR-Spielplatz, in dem sie ihre Charaktere aufleveln und „Coins" verdienen, um diese zu individualisieren und mit besonders tollen Waffen und Vehikeln auszustatten. Die Hauptfigur ist Wade Watts, ein im echten Leben unsicherer und hilfloser Teenager, der im Cyberspace als sein Avatar „Parzival" dicht an der größten Quest in der Geschichte von Oasis dran ist: Der verstorbene Erfinder dieser Plattform hat sein Vermächtnis hinter einer Reihe von Rätseln versteckt, die zu einem Großteil auf der Kenntnis seiner eigenen Nerd-Vorlieben basieren. Der Clou ist, dass der Gewinner dieser Herausforderungen die Kontrolle über Oasis bekommen soll. Ein Twist, der in unserer echten Welt möglicherweise sogar den legendären Designer Peter Molyneux zu seinem Spiel-Experiment Curiosity: What's Inside the Cube inspiriert hat.

Wade ist zum Glück ein absoluter 80s-Freak und hat damit den industriellen Schergen von IOI Industries einiges voraus, die sich das Popwissen nur widerwillig einprügeln, um mit der Macht von Masse und Kommerz an die Herrschaft über Oasis zu kommen. Denn ihr Ziel ist, den gesamten virtuellen Kosmos mit Werbung zuzupflastern - auch das ein Fingerzeig, der viele Gamer sicher wehmütig schmunzeln lässt. Doch schon bald hat Wade Gleichgesinnte an seiner Seite. Mit seinen Kumpels Aech, Daito und Sho zieht er in den Kampf und bekommt auch noch Unterstützung der bildhübschen Oasis-Legende Art3mis, deren Herz ebenfalls für den wahren 80s-Style schlägt. Doch was genau macht diesen Style aus? Das zeigt uns nun Steven Spielberg auf der großen Leinwand, verdienterweise, denn schließlich gehört er zu den Leuten, die unser Bild eben jener Popkultur maßgeblich mitgeprägt haben.

So verlässt er auch direkt nach der ausladenden Einführung den Pfad, den das Buch vorgibt, um die ganze Geschichte zu spielbergisieren. Das wird Fans der Vorlage möglicherweise enttäuschen, eine Crux, die die meisten Buchverfilmungen teilen, denn die Dramaturgie eines Filmes funktioniert nun einmal anders als die eines Romans. Wer sich davon frei machen kann oder das Buch gar nicht kennt, den erwarten auf jeden Fall 140 Minuten allerfeinsten Popcorn-Kinos. In einer Mischung aus real gefilmten Szenen und extrem viel Computergrafik auf höchstem Niveau, die entsprechend auch hervorragend in 3D aussieht, wird vielen Aspekten der Nerdkultur ein Denkmal gesetzt. Natürlich trifft nicht jeder Gag voll ins Schwarze, schließlich hat jeder Zuschauer auch andere Vorlieben, und die deutsche Synchronisation sorgt mit ihrer Interpretation der vermeintlich aktuellen Jugendsprache am Anfang für die eine oder andere hochgezogene Augenbraue. Doch sobald die Story in Fahrt kommt, ist das eigentlich egal, da der Film selbst leichten Plot-Schwächen zum Trotz einen guten Sog entfaltet, der mit Volldampf auf das Finale zusteuert.

Ansonsten sollte man über den Inhalt gar nicht zu viel verraten, denn der Film lebt von den vielen abgedrehten Szenarien, vor allem aber von den unglaublich vielfältigen Details. In den Massenszenen bekommt man teilweise nur aus dem Augenwinkel mit, wie überall und immer wieder höchst bekannte (und auch unbekanntere) Reverenzen die eigenen Synapsen mit Überraschung und Freude aufglühen lassen. Die Lizenzierung dieser ganzen Inhalte muss für das Filmstudio eine Heidenarbeit gewesen sein, doch die Mühe hat sich gelohnt. Gerade für heute erwachsene Nerds ist dieser Film ein Riesenspaß - die über zwei Stunden Flucht in eine unbekannte, doch gleichzeitig höchst vertraute Kunstwelt vergehen wie im Flug. Doch auch Erbsenzähler und Web 2.0-Trolle werden ihren Spaß haben, denn zu kritisieren gäbe es sicher auch eine Menge - wenn man es schafft, den kindlichen und manchmal kindischen Charme dieses Filmes nicht an sich heranzulassen. Steven Spielberg beweist damit auf jeden Fall, dass Alter reine Einstellungssache ist.

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