Diese Kritik basiert auf einem zweitägigen Review-Event von Ubisoft in London. Wir haben die PC-Version auf geschlossenen Servern gespielt und werden die Bewertung im Zweifel ändern, falls die Live-Server nach der Veröffentlichung von Rainbow Six: Siege kein optimales Spielerlebnis bieten sollten.
Teamwork! Braucht ihr einen Grund, warum ihr euch Rainbow Six: Siege statt einem der anderen Shooter kaufen solltet? Dann habt ihr jetzt euren Grund. Während Serien wie Call of Duty, Halo und Battlefield um das Belohnungsprinzip von Abschüssen gebaut sind, um an neue Ausrüstung zu gelangen, ist Rainbow Six: Siege voll auf Teamwork ausgelegt. Es ist ein Spiel, bei dem ein koordiniertes Team immer gegen individuelle Talente gewinnt. Immer.
Bevor man sich überhaupt in den Multiplayer stürzen darf, muss man zuerst die Levelstufe 5 erreichen. Entweder spielt man "Situations" oder "Terrorist Hunt". Ersteres ist die Einzelspieler-Version von Siege, funktioniert aber eigentlich nur als Tutorial. In neun verschiedenen Missionen darf man unterschiedliche Charaktere spielen - jeder mit seiner ganz eigenen Fähigkeit. Die muss eingesetzt werden, um die Aufgabe so effizient wie möglich zu lösen. Es gibt zum Beispiel einen Level voller Bomben. Als "IQ" besitzt man die Spezialfähigkeit, Bomben mit seiner Pistole zu entschärfen. Es ist zwar nur ein Tutorial, macht seine Sache aber großartig.
Terrorist Hunt ist die andere Möglichkeit zu Beginn des Spiels. Dieser Modus kann alleine oder mit bis zu vier Freunden gemeinsam gespielt werden. Man darf als Angreifer oder Verteidiger spielen. Als Angreifer muss man in das Gebäude eindringen und entweder alle 24 von der K.I. kontrollierten Gegner ausschalten, eine Geisel retten oder eine Bombe entschärfen. Als Verteidiger muss man die Bombe oder die Geisel beschützen. Auch wenn dieser Modus alleine gespielt werden kann, mag ich das nicht empfehlen. Der Schwierigkeitsgrad passt sich nicht der Zahl der Spieler an, also rechnet besser damit, dass die Gegner schnell und hart reagieren. Alleine habe ich nie mehr als eine Handvoll davon ausschalten können, bevor ich überwältigt wurde. Das war dann auch schon alles was Rainbow Six: Siege Spielern zu bieten hat, die alleine spielen wollen. Ein Tutorial und einen Modus, der nicht wirklich funktioniert, wenn man alleine spielt. Dieses Spiel geht den gleichen Weg wie Titanfall oder Star Wars Battlefront, bei denen der Einzelspieler-Modus vernachlässigt wurde und der Fokus auf der großartigen Mehrspielerkomponente liegt.
Das soll explizit keine Kritik am Spiel sein. Mit dem starken Fokus auf ein Element hat Ubisoft Montreal einen wunderbaren Onlineshooter erschaffen. Terrorist Hunt wird nach ein paar Stunden langweilig, auch wenn die K.I. intelligent und aggressiv reagiert - das ist einfach nicht genug, damit eine Welle von Gegnern nach der anderen noch spaßig bleibt. Nachdem man den Multiplayer freigeschaltet hat, will man nie mehr zurück. Wie bei Terrorist Hunt sind die Matches auf Angreifer gegen Verteidiger aufgebaut. Das Ziel ist es, eine Geisel zu retten oder eine Bombe zu entschärfen. Beim Start von jedem Match haben die Angreifer eine knappe Minute Zeit, mit ihren ferngesteuerten Kameras nach den Geiseln oder den Bomben zu suchen. Die Verteidiger nutzen diese Zeit, um ihre Fallen aufzubauen und versuchen, die Räume und damit die Geisel zu sichern. Jedes Team muss in einem Ranglisten-Spiel aus fünf Spielern bestehen. Wenn man mit Freunden Zwei gegen Zwei oder gar Eins gegen Fünf spielen möchte, ist das in selbsterstellten Spielen möglich. Aber dann gibt's keine Erfahrungspunkte und man macht keine Fortschritte. Trotzdem ist es eine schöne Option.
Es stehen momentan elf Mehrspielerkarten zur Verfügung und es wurden weitere Gratiskarten angekündigt. Abwechslung entsteht in Rainbow Six: Siege aber nicht durch die unterschiedlichen Karten, sondern durch die unterschiedlichen Charaktere und wie sehr sie als Team zusammenarbeiten können.
Als Angreifer kann "Sledge" mit seinem Hammer ein Loch in die Wand schlagen und "IQ" kann den Raum nach Fallen absuchen. Danach springt "Fuze" als erster durchs Loch und beschützt die anderen mit seinem Schild. Hinten kann "Glaz" mit seinem Sniper über die Köpfe der geduckten Kameraden schießen. Und bei den Verteidigern könnte "Rook" alle Teammitglieder mit Rüstung versorgen, danach setzt "Bandit" den Stacheldraht unter Strom, während "Smoke" eine Bombe mit giftigem Gas an strategisch wichtiger Stelle platziert. Mit zehn unterschiedlichen Charakteren auf jeder Seite sind die strategischen Möglichkeiten ausschweifend.
Leider ist der Multiplayer nicht in allen Belangen ein Erfolg. Auch wenn es für beide Seiten möglich ist, eine Bombe zu entschärfen oder eine Geisel zu befreien - es lässt sich kaum ein Unterschied ausmachen. Wenn man eine Geisel retten soll, muss man ins Haus eindringen, sich die Geisel schnappen und nach draußen in Sicherheit bringen. Wenn man die Bombe entschärfen soll, muss man ebenfalls ins Haus eindringen, die Bombe finden und darauf warten, dass die Maschine sie entschärft. Meistens enden die Duelle aber, weil ein Team das andere komplett ausgeschaltet hat. Das ist wirklich schade, denn es wäre ein netter Bonus, wenn das Angreifer-Team nicht einfach nur darauf aus wäre, das andere Team zu töten. Man kommt schnell dahinter, dass es wesentlich einfacher ist, das andere Team auszuschalten, als ohne Verteidigung mit einer Geisel unter dem Arm durchs Haus zu rennen.
Der Multiplayer läuft mit 60 FPS und die Framerate fiel während meiner Zeit mit dem Spiel nur selten ab. Terrorist Hunt schafft derweil nur 30 FPS, aber das war bei den vielen Gegnern zu erwarten. Es gab allerdings einen speziellen Bug, der mir und meinen Teamkameraden immer wieder das Leben schwer gemacht hat. Als Angreifer startet man das Match mit einer ferngesteuerten Kamera, die aber immer wieder mal durch den Boden gefallen ist. Das ruiniert das Spiel nicht, ist aber sehr nervig.
Abgesehen davon lief das Spiel in der geschlossenen Serverumgebung perfekt. Die elf Karten sind klein und voller Details, die man zerstören kann. Es ist nicht immer ganz klar, was sich zerstören lässt und was nicht, aber nach ein paar Stunden weiß man genau, welche Art Wand sich zerstören lässt. Anfangs versucht man allerdings immer wieder vergeblich, Wände zu zerstören und das wird mit dem Satz quittiert: "Diese Oberfläche ist unzerstörbar." Die Zerstörung fühlt sich zudem immer sehr kontrolliert an - das macht am Ende zwar keinen Unterschied, denn in dem Spiel geht es nicht darum, Chaos zu erzeugen. Es geht darum, die Bomben strategisch zu platzieren und kleine Löcher in die Wände zu schlagen, durch die man auf die Gegner schießen kann.
Mit dem Fokus auf Taktik und Teamwork ist es schwer, Spaß und Erfolg zu haben, ohne mit irgendjemanden zu sprechen. Ich habe ein paar Matches so gespielt und mein Team wurde jedes Mal vernichtend geschlagen. Das Spiel funktioniert nicht, wenn man nicht miteinander spricht und sich koordiniert. Man kann zwar Wegpunkte setzen, aber wenn man nicht erklärt warum, sind sie sinnlos. Wenn man vier Kumpels hat, mit denen man spielen kann, bietet Ubisoft Montreal einen Titel, der wie kein zweiter die Teamarbeit belohnt. Wenn man alleine spielt, muss man sich an diese grauenhaften Worte gewöhnen: "Herzzereißende Niederlage."
Rainbow Six: Siege hat nicht besonders viele Modi zu bieten, aber hier geht Qualität vor Quantität. Situations und Terrorist Hunt machen für ein paar Stunden Spaß, aber es ist der Multiplayer, durch den das Spiel wirklich glänzt. Die Matches sind kurz, intensiv und immer voller Überraschungen. Das Warten als Verteidiger ist jedes Mal spannend und als Angreifer wird es nie langweilig, neue Möglichkeiten auszukundschaften, in das Haus einzudringen. Mit elf Karten hat man schnell gesehen, was das Spiel zu bieten hat. Aber Rainbow Six: Siege für die Zahl der Karten und den fehlenden Einzelspielermodus zu kritisieren, ginge völlig an dem vorbei, was es eigentlich erreichen will. Rainbow Six: Siege ist ein Shooter für Denker. Für Spieler, die eine gut ausgeführte Strategie mehr zu schätzen wissen, als einen gut ausgeführten Kopfschuss. Die Serie ist wieder da und wehrt sich immer noch dagegen, so auszusehen wie jeder andere Shooter auf dem Markt. Gott sei Dank!