Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, an dem Quake zum ersten Mal veröffentlicht wurde - der 22. Juni 1996. Es waren gerade Sommerferien und ich würde diesen Herbst mein drittes Jahr an der High School beginnen. Nachdem wir uns im Klassenzimmer mit Bungies unterschätztem Mehrspielerjuwel Marathon 2: Durandal beschäftigt hatten, wechselten wir im September 1996 zu Quake. Ich glaube nicht, dass ich übertreibe, wenn ich sage, dass ich mindestens 1000 Stunden in dieser Welt verbracht habe.
Die Zeit ist seitdem natürlich vergangen. Ich bin jetzt fast 800 Jahre alt und das Action-Genre hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Quake III: Arena, Half-Life, Halo, Battlefield und (in Teilen) Call of Duty sind Relikte einer anderen Zeit. Fortnite, Warzone, Playerunknown's Battlegrounds, Apex Legends und Overwatch - das sind die Shooter der coolen Kids von heute. Die meisten meiner Leser werden bereits erahnen, dass mein mürrisches Ich glaubt, dass sich das Genre in den letzten zehn Jahren in die falsche Richtung entwickelt hat. Nachdem ich zwei wundervolle Wochen lang tief in das modernisierte Quake eintauchen durfte, hat sich dieser Eindruck lediglich gefestigt.
Night Dive hat sich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, alten Action-Klassikern, wie System Shock und Sin, neues Leben einzuhauchen. Quake wurde im Laufe der Jahre mehrmals von den Toten auferweckt, mit gemischten Ergebnissen. Deshalb ist es umso schöner, sagen zu können, dass diese Version bei weitem die vollständigste, stilvollste, reibungsloseste, makelloseste und durchweg fantastischste Version des Originalspiels ist, die bislang erstellt wurde. Night Dive Studios verdient Lob für die Optimierung der eigens dafür entwickelten Game-Engine, der wir dieses Kunststück zu verdanken haben.
Das neue Quake-Remaster ist (natürlich) das Originalspiel mit moderner Rendering-Technologie, die für einige schöne Lichteffekte und Schatten sorgt. Es kommt mit den klassischen Zusatzmissionen „Scourge of Armageddon", „Dissolution of Eternity" sowie mit den beiden von den Schweden bei Machine Games entwickelten Retro-Erweiterungen „Dimension of the Past" und „Dimension of the Machine" (die ist für diese Version extra neu angefertigt worden).
Quake (2021) ist deutlich schöner als das Original, auch wenn das Grundmaterial gleich ist. Die Texturen sehen sauberer aus, es gibt kein Flimmern mehr, das Licht der abgefeuerten Waffen wird gegen Wände und die Umgebung geworfen und die Schatten, die von patrouillierenden, feindlichen Monstern erzeugt werden, fügen sich hervorragend in die Kulisse ein. Auch wenn ich Mitte der Neunzigerjahre bereits über 1000 Stunden mit Quake verbracht habe, ist mir wohl erst in den letzten Wochen aufgefallen, wie fantastisch originell und atmosphärisch das Spiel aussieht. Die seltsame Mischung aus gotischem HP-Lovecraft-Design und mittelalterlichem Ritterschlag sorgt für eine hervorragend gelungene Spielwelt voller Originalität.
Quake entstand ursprünglich unter chaotischen Bedingungen in der Heimat eines damals viel fragmentierteren Entwicklerstudios. Der Produzent John Romero kämpfte für ein mittelalterliches Spiel mit Schwertern und Äxten, während vor allem John und Adrian Carmack diese Teile ständig aus dem Spiel entfernen wollten (weshalb Romero das von ihm mitbegründete Studio id Software letztlich auch verließ). Dieser stetige Zank führte dazu, dass ein wahnsinnig eng zugeschnittenes Spiel entstand, das auf alle unnötigen Inhalte verzichtet. Es ist ein sauberes, rohes, nacktes, komprimiertes und vor allem kompromissloses Action-Erlebnis, bei dem Geschwindigkeit, Kontrolle und Präzision immer im Vordergrund stehen. Wenn ihr während eines Feuergefechts stehen bleibt, dann werdet ihr sterben. Bewegung ist der Schlüssel zu Quake, denn es ist verdammt schnell.
Das alles, zusammen mit dem hauptsächlich von Romero signierten Level-Design, sorgt auch nach all den Jahren für ein fantastisches Erlebnis. Während uns heutige Actionspiele entweder durch eine Art unsichtbare Hand in die richtige Richtung weisen (Call of Duty), durch enge Passagen führen oder Multiplayer-Maps anbieten, bei denen der Fokus eher auf dem Echo leerer Bereiche liegt, als auf komplexer Architektur (Overwatch und Apex Legends), fühlt sich Quake so viel belohnender und herausfordernder an. Die labyrinthartige Struktur der Level passt zum Tempo und diese düstere Gothic-Ästhetik ist so gut umgesetzt worden, dass es schwerfällt, das heutige Action-Genre nicht als einen Schritt in die falsche Richtung zu betrachten. Zusammen mit dem legendären Soundtrack von Nine Inch Nails ist es leicht, Quake für das zu loben, was es ist - eines der absolut besten Actionspiele aller Zeiten. In dieser neuaufgelegten Version können wir die beste und vollständigste Einzelversion kaufen, die ihr auf aktuellen Systemen spielen könnt. Besser geht es nicht.