"Aperture Science.
We do what we must,
because we can.
For the good of all of us.
Except the ones who are dead."
Es ist schon komisch, sich von einem Computer beschimpfen zu lassen und auch noch Freude daran zu haben. GLaDOS, dieser so überzeugend traurige, wütende, gemeine, melancholische, fiese - ja, weibliche Computer aus Portal, ist wieder am Netz. Hat den Reboot eingeleitet, um uns wieder durch seine endlosen Testkammern zu schicken. Jede absolvierte Aufgabe wird von ihrer grandiosen Stimme kommentiert. Fast immer motzt sie nüchtern und sachlich über die Performance: "Wir haben uns beide viel gesagt, was dir noch leid tun wird". Dafür könne ich jetzt ungehindert testen, bis an mein Lebensende, verspricht sie. Göttlich. Fast vier Jahre ist es her, dass ich Portal gespielt habe. Wieder hier zu sein, bei Aperture Science, das fühlt sich einfach unglaublich gut an.
An der Oberfläche sieht auch Portal 2 aus wie ein pfiffiges, kleines Puzzle-Spiel mit einem nahezu perfekten Konzept. Aber es ist so viel mehr, weil es eines schafft: Es überrascht - und zwar sowohl die alten Fans als auch jeden einzelnen neuen Spieler. Man erwartet Wendungen, man kriegt Wendungen. Man muss es einfach selbst erleben. Man MUSS!
Bevor wir GLaDOS wiedertreffen, rollt sich Wheatley aus der Zimmerdecke, ein an Schienen montierter Roboter, der als persönlicher Assistent arbeitet. Eigentlich ist er mehr ein schwebendes Auge, ein bisschen ängstlich, aber ein enthusiastischer, freundlicher und leicht verwirrter Fluchthelfer. Genau der richtige Gefährte nach ein paar hundert Jahren Cryo-Schlaf. Dumm, dass direkt nach dem Aufwachen der gesamte Komplex von Aperture Science von einer Kernschmelze im zentralen Reaktor bedroht ist. Also wieder Flucht. Dazu braucht man die Portal-Kanonen und zack, schon lebt GLaDOS wieder. Und sie ist echt sauer, mit gutem Grund. Als Rache müssen wir wieder Test bestehen, alles im Namen der Wissenschaft, versteht sich. Den Rest der Geschichte MUSS jeder selbst erleben...
Das Spielkonzept ähnelt dem des Vorgängers, auch die Levelstruktur und der Look tun dies. Aber schnell werden zusätzliche Spielelemente und Fähigkeiten vorgestellt, die das Tempo und die Komplexität ein gutes Stück erhöhen. Eigentlich sind es ja nur zwei Portale, ein blaues und ein orangefarbenes, mit deren Hilfe wir uns Löcher in Wände, Fußböden und Decken schießen, um den Ausgang zu erreichen. So simpel und so eine sadistische Strapaze zugleich.
Neue Hilfen sind nun Laserstrahlen, die mit den Portalen interagieren und durch sie hindurchzischen, um fernab Schalter zu aktivieren. Es gibt Abschussrampen, die einen selbst und Objekte durch die Level fliegen lassen. Es gibt Bahnen aus Licht, die horizontal als Brücken dienen und vertikal die Schüsse der Überwachungsdrohnen abwehren. Neu ist auch das Gel in verschiedenen Farben mit verschiedenen Eigenschaften, etwa Hüpf-Gel oder Sprint-Gel. Und Energietunnel, die uns schweben lassen. Da sind, kurz gesagt, viele, viele, viele Möglichkeiten, einen Level anzugehen und zu lösen. Manchmal dauert es nur einige Sekunden, manchmal verzweifelt man ewig an der Lösung. Man MUSS auf jeden Fall umdenken lernen, immer wieder.
Das Rätsel-Design ist im Vergleich zum hohen Niveau des Originals noch mal getoppt worden. Da sind ein paar echt böse Dinger dabei und insbesondere später gibt es selten diese eine, offensichtliche Lösung. Wenn der Aha-Moment endlich kommt, ist die innerliche Befriedigung dafür umso höher. Das Rätsel als kleiner Sieg über sich selbst.
Aber nicht nur die Rätsel machen Portal 2 so gut, es ist das ganze Universum, in dem man an vielen Stellen die Liebe zu Absurditäten, Details und gutem Humor sieht, hört und fühlt. Ein Spiel über Roboter mit Seele. Der immer wieder verunsicherte Wheatley, der über schwere Gehirnschädigungen nach zu langem Cyro-Schlaf fabuliert. Und die zynische GLaDOS, die ständig bissig kommentiert. Und einen damit sogar wirklich immer wieder zum Nachdenken zwingt, ob der Tod aus Portal ein gerechter war. Die deutsche Übersetzung ist eine der besten der letzten Jahre, das englische Original noch ein gutes Stück besser. In beiden Fällen sind die Sprecher wirklich grandios.
Die Musik ist ebenso hochklassig, weil sie sich zurücknimmt und die meiste Zeit einfach entspannend existiert. Electro, Ambient, Chillout - alles irgendwie dabei und wer gut spielt, wird mit ein oder zwei Extrainstrumenten belohnt - ein kleines, aber raffiniertes Detail. Die Optik baut auf der bekannten Source-Engine auf und man hat alles das schon einmal gesehen.
Aber die Kombination ist neuartig, der riesige Aperture-Komplex wird zu keiner Zeit langweilig und erlaubt immer wieder einen Blick hinter seine Kulisse. Dynamische Lichteffekte hüllen die sterile Welt in eine bezaubernde Atmosphäre. Auch die Details tragen ihren Teil bei: immer wieder komische Zeichnungen, Müll und Vegetation, absurde interaktive Panels an den Wänden. Portal 2 ist ohne Zweifel das schönste Spiel von Valve.
Als großen, großen Bonus gibt's eine ausgewachsene Multiplayer-Koop-Kampagne für zwei Spieler. Sie knüpft an das Ende der Einzelspielererfahrung an, bietet aber keine echte, eigene Geschichte. Dafür bietet der Koop viele auch neue Herausforderungen, obwohl die meisten Gameplayelemente wieder auftauchen. Es klappt, weil die Elemente immer wieder in neuen Kontexten verwendet werden müssen. Im Koop liegt etwas mehr Fokus auf Timing und Koordination - und wir dürfen unseren Mitspieler sterben lassen. Durch den schnellen Respawn ist das aber immer lustig und nervt nicht. Kommunikation ist hier natürlich sehr wichtig, und das Spiel hat ein paar clevere Lösungen für Spieler, die nicht im Koop-Splitscreen an einer Konsole spielen, sondern online.
Portal 2 ist ein nahezu perfektes Spiel für das, was es ist. Es gibt Kleinigkeiten wie nun völlig unbewegliches Interior, was sich anfangs komisch anfühlt, weil alles auf mysteriöse Art und Weise am Boden klebt. Vielleicht haben sie bei Valve in Tests herausgefunden, dass einige Spieler sich einfach zu lange damit beschäftigt haben, das Zeug durch die Level zu schleppen auf der Suche nach der Lösung... wer weiß. Richtig schade ist nur, dass die Kampagne - je nach nach Fähigkeiten - in sieben bis zehn Stunden erledigt ist. Dazu gesellen sich vier bis sechs Stunden Koop-Material. Das ist eigentlich genug, aber man will einfach nicht, dass es endet. Und hatte mir GLaDOS nicht am Anfang versprochen, dass ich hier für immer testen darf? Verdammte Lügnerin! Anderseits: Das war sie doch schon immer, oder etwa nicht!?!