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Persona 5

Persona 5

Atlus hat mit Persona 5 ein Spielerlebnis geschaffen, an das nur sehr wenige Titel visuell, orchestral, stilistisch oder narrativ heranreichen.

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Wisst ihr wann die Menschen angefangen haben in Farbe zu träumen? Als Farbe auch im Fernsehen auftauchte - vorher haben die Menschen in schwarz-weiß geträumt. Warum ich so etwas weiß? Ich habe in der Schule aufgepasst und Notizen gemacht.

An der Oberfläche sind es Hausaufgaben, Prüfungen und der Unterricht selbst, der den Mittelpunkt der Persona-Reihe ausmacht und wir finden es schon erstaunlich, dass so etwas funktionieren kann. Warum sollte man nach einem langen Tag seine Konsole einschalten, nur um dann Fragen seines Lehrers zu beantworten? Es mag irrational klingen, aber Persona 5 ist das beste Schuljahr, das ihr je haben werdet.

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Die Musik trägt die Würde des Musikstils weiter und Bild und Ton gehen Hand in Hand.
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Persona ist eine Serie, die sich ihre Zeit nimmt. Sowohl beim Tempo als auch, um dem Spieler die Gelegenheit zu geben, sich mit den verschiedenen Systemen vertraut zu machen. Es müssen bei jedem Film oder Bühnenstück eben Vorbereitungen getroffen werden, bevor irgendetwas wirklich Dramatisches passieren kann. Die Figuren und die Schulumgebung müssen vorgestellt und das irre und wunderschöne Meta-Universum erklärt werden. Eine gute Geschichte braucht Zeit und darum geht es in Persona 5.

Die Story erfüllt die Erwartungen, die Fans der Reihe schon für einen Standard halten. Für Neulinge: Ihr seid neu in der Stadt und müsst ein Jahr in der japanischen Hauptstadt ohne eure Eltern verbringen. In den Vorgängern wurde man eher aus der Großstadt in ländliche Gebiete voller Geheimnisse verfrachtet. Diesmal wollten die Entwickler etwas Größeres. Ja, man wandert durch Tokyo, aber das bedeutet nicht, dass es keine Intimität in dieser urbanen Umgebung gibt. Die Krise ist kein lokales Ereignis, sondern betrifft ganz Japan. Auch wenn die Geschichte groß ist, sie behält immer den Protagonisten Joker und seine Freunde im Blick. Es ist nicht das Ziel die Welt zu retten, sondern Freunden in Schwierigkeiten zu helfen und wenn das die Welt ein wenig sicherer macht; auch gut. Es sind die persönlichen Beziehungen, in denen man die Stärke und Motivation findet, den Kampf fortzusetzen. Persona ist eine sehr persönliche Serie und das gilt für die Beziehungen zu unseren Freunden ebenso, wie zu unseren Feinden.

Gleichzeitig schafft es Persona 5 die Erwartungen völlig umzukrempeln. Früher wurden die Figuren „gezwungen" zu reagieren, weil ihre Existenz oder ihr Wohlergehen auf dem Spiel stand. In Persona 4 war jeder unserer Freunde in Gefahr und nur das Betreten einer mysteriösen Parallelwelt konnte ihre Leben retten. In Persona 5 ist man das Gegenteil eines passiven Beobachters, der zu Reaktionen gezwungen wird. Die Gruppe tritt proaktiv in Erscheinung, um die Kriminellen zu bekämpfen, die immer wieder dem Gesetz entgehen. Sie haben sich entschieden Jene herauszufordern, die sich über das Justiz-System erheben und nehmen das Gesetz ihrerseits selbst in die Hand.

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Wir treten proaktiv in Erscheinung, weil wir die Ungerechtigkeit nicht länger mit ansehen wollen.

Schnell tauchen die ersten Fragen auf: Sind die Phantom Diebe dazu berufen, die Gesetze zu umgehen? Sind es wirklich ihre eigenen Aktionen oder steckt mehr Motivation dahinter? Das Spiel vermeidet diese Fragen nicht, sondern nutzt sie aktiv dazu, um die Geschichte zu erzählen. Das ist sehr erfrischend und mutig, schließlich haben die meisten Titel die Tendenz, eindimensionale Sichtweisen von Gut und Böse widerzuspiegeln. Das Spiel geht unangenehmen Themen nicht aus dem Weg, sondern wählt den Konfrontationskurs - ohne dabei die Wichtigkeit von Standpunkten zu untergraben. Wie schon in Catherine leugnen die Entwickler nicht ihre Verantwortung, manche Themen vorsichtig und behutsam anzugehen. Wir sehen wie die Lehrer den Schülern physischen und psychischen Schmerz zufügen, Mentoren die ihre Autorität zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen, Sex mit Minderjährigen, Chefs, die ihre Angestellten in den Selbstmord treiben und so weiter. Es ist hart, aber hier wird es nie auf billige Schlagzeilen angelegt. Persona 5 geht mit allem stilvoll und erwachsen um.

In klassischen japanischen Rollenspielen müssen Gegner besiegt und Level erreicht werden, in Persona 5 gibt es zwei Arten, wie man stärker werden kann. Der reguläre Ansatz ist der Kampf, jede Person hat eine Persona und nur wenn man sich kennt und an sich glaubt, kann diese stärker werden. Die Hauptfigur hat die wunderbare Fähigkeit, mehrere Personas in sich zu versammeln - fast wie mehrere Persönlichkeiten - und so kann er zur passenden Persönlichkeit wechseln, um Gegner zu bezwingen. Es wird rundenbasiert gekämpft, der Einstieg ist leicht, aber es dauert lange, das Kampfsystem wirklich zu meistern. Jeder Gegner hat einen besonderen Schwachpunkt den wir erkennen müssen. Elementar-Attacken lösen Statuseffekte, wie Paralyse aus, und setzen den Gegner somit zum Beispiel eine Runde lang auf Glatteis. Man kann seinem Zug auch dazu nutzen, neutralisierte Gegner nach Geld oder Gegenständen zu befragen, oder sie bitten, an unserer Seite zu kämpfen.

Am Anfang hat man nur drei Komplizen dabei und die Schwächen der Gegner sind einfach zu verstehen. Langsam aber sicher entwickelt sich dann eine Geschichte, wir erhalten ambitioniertere Gefährten und neue strategische Optionen tauchen auf. Wir erhalten die Fähigkeit zwischen den Gruppenmitgliedern zu wechseln und es lässt sich immer die richtige Attacke für die passende Schwäche finden. Wenn man nicht die Kontrolle über den Kampf behält, übernehmen das schnell die Gegner für uns. Das Schwächen-System funktioniert nämlich wunderbar in beide Richtungen. Es ist ein schlichtes Konzept mit taktischem Tiefgang, wenn man mit den Gegenständen, Teamkombinationen und Zaubersprüchen experimentiert. Schnell wird deutlich, dass Persona 5 noch mal an der schon großartigen Formel geschraubt hat. Das sind rundenbasierte Kämpfe auf dem Höhepunkt.

Die zweite Möglichkeit stärker zu werden sind Freundschaften. Nur wenn man seine Verbindungen stärkt, nutzen wir das volle Potential unserer Kameraden in den Kämpfen. Unsere Freundschaft mit einem skandalbelasteten Politiker sorgt für rhetorische Fähigkeiten, die dabei helfen, neutralisierten Gegnern mehr Geld oder Gegenständen abzuknöpfen. Unsere Freundschaft mit einem talentierten Shogi-Spieler bringt uns ihre Strategien näher und erlaubt es uns, die Crew-Mitglieder im Kampf auszutauschen. Alle Freundschaften haben fantastischen, erzählerischen Tiefgang und stellen uns neue Hilfsmittel an die Seite, mit denen wir das Meta-Universum erkunden und erforschen.

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Persona nimmt sich seine Zeit damit wir die Gelegenheit haben, uns mit den verschiedenen Systemen vertraut zu machen.

Die abwechslungsreichen Figuren sind bewundernswert. Ob alkoholkranker Reporter, eine Wahrsagerin, die nicht mehr an ihre Fähigkeiten glaubt, oder eine sprechende Katze; alle Figuren fühlen sich real genug an, dass man sie näher kennen lernen und ihnen helfen möchte. Es gibt viele Charaktere mit denen man sich in Tokyo anfreunden kann und Neugierde wird immer wieder belohnt. Selbst wenn man nicht auf einen Freund trifft, lohnt sich ein kleiner Spaziergang. Persona 5 hat das Bild und auch das Gefühl der Stadt toll eingefangen. Es gibt Schüler in den Spielhallen, die Leute strömen in und aus den Zügen - alles zeigt die Geschäftigkeit einer Großstadt. Selbst in der Schule machen Erkundungstouren Spaß. Die Mädchen tuscheln und die beliebten Jungs verbreiten Gerüchte über den Neuen, während die Lehrer versuchen für Ordnung zu sorgen. Wer noch nie in Japan war - das hier ist ein guter Ersatz. Wer dort war, darf sich auf eine ordentliche Portion Nostalgie gefasst machen. An unserem ersten Tag an der Schule habe ich mich an der Shinjuku-Station verlaufen. Das Spiel sagt einem nicht wohin, man gehen soll - man muss die Schilder lesen - wie im echten Leben.

Die Geschichte ist mutig, die Figuren komplex und das Kampfsystem überarbeitet und das alles wurde zu einem der stilistischsten Spiele zusammengefügt, in denen ich je das Vergnügen hatte, mich verlieren zu dürfen. Vom mit Kreide geschriebenen Start-Bildschirm bis zum Menü-Design - alles ist stilvoll und persönlich. Die Musik trägt diese Würde weiter und Bild und Ton gehen Hand in Hand. Wenn ihr eurem Teilzeitjob im Blumengeschäft nachgeht, ist die Musik ruhig und sanft, während die Songs in den Kämpfen hämmern. Komponist Shoji Megure hat unvergessliche Soundtracks für die verschiedenen Kapitel der Serie abgeliefert, kann die Latte aber diesmal noch einmal höher legen. Vielleicht liegt es an der verbesserten Grafik, aber Audio und Video passen besser zueinander als je zuvor.

"Nimm dir ein Herz" ist die Schlagzeile von Person 5 und es ist mehr als eine mysteriöse Einführung in den Plot. Nein, es ist eine Warnung, denn wenn ihr zum ersten Mal das Spiel startet und die erste Zwischensequenz gesehen habt, wird euch dieses Spiel das Herz rauben. Farbfernsehen lässt uns in Farbe träumen und Persona 5 wird euch von Japan träumen lassen.

10 Gamereactor Deutschland
10 / 10
+
Story ist ebenso überraschend wie mutig; komplexe Charaktere, Musik und Kunststil gehen Hand in Hand, Kampf-System ist ein neues Hoch in der Serie, fängt das hektische Gefühl von Japan perfekt ein.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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