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Ouya

Ein ungewöhnliches Gadget wie die via Crowdfunding finanzierte Android-Konsole Ouya erfordert auch eine Gadgetkritik der etwas anderen Art.

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Diese Geschichte beginnt beim Zoll. Die Ouya ist eine Spielkonsole, deren Entstehung durch Kickstarter finanziert wurde. Vor einem knappen Jahr wurde die Kampagne gestartet. Die Gründerin Julie Uhrmann wollte eine knappe Million Dollar sammeln, um eine TV-Spielkonsole auf Android-Basis herzustellen. Dahinter stand die Idee, eine offene Plattform für Independent-Spiele zu schaffen, die man bequem vom Sofa auf dem Fernseher zocken kann. Mit allem Komfort, den stationäre Konsolen so mit sich bringen.

Die Idee fand großen Anklang und die Kampagne brachte 8,5 Millionen Dollar ein. Ein Großteil der Unterstützer entschied sich bei den Prämien für die Konsole an sich, die für 99 Dollar angeboten wurde. Und auch mein Exemplar kam wie versprochen vor dem offiziellen Verkaufsstart an - wenn auch nur knapp eine Woche davor. Da die Geräte aus Hongkong verschickt wurden, landeten die meisten jedoch erst einmal beim Zoll. Aufgrund des Debakels mit einem ähnlich gelagerten Fall, der Kickstarter-Uhr Pebble, gab es im Internet schon einige Aufregung. Doch eine kurze Umfrage im Kreis der Kollegen ergab, dass bei Ouya nicht so geschlampt wurde, und die entsprechende Dokumentation doch vorhanden ist. Wenn auch ein wenig versteckt.

Beim Zoll beantwortete sich die Dame an der Anmeldung auch gleich ihre eigene Frage "Was haben sie bestellt?" nach einem kurzen Blick auf meine Papiere mit einem "ach, das Ding". Die Kollegen wussten auch schon Bescheid, trotzdem musste ich unter den wachsamen Blicken der Zollbeamten mein Paket selbst öffnen. Und siehe da, selbst in den uncharmanten Räumen des Zollamtes enfaltete sich ein freudiges "Unboxing"-Gefühl, das entfernt an Weihnachten erinnerte. Nachdem "eine Spielkonsole festgestellt wurde", wie es auf den amtlichen Papieren heißt, durfte ich das Ding dann nach Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 22,50 Euro mit nach Hause nehmen.

Ouya
Die klitzekleine Android-Konsole sieht ganz schick aus - leider gibt's momentan zu wenig gute Spiele.
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Dort freute ich mich dann nochmal kurz über den fetten "Thank you for believing"-Flyer und das beiliegende HDMI-Kabel, was ja leider bei Konsolenkäufen keine Selbstverständlichkeit ist. Die klitzekleine Konsole sieht ganz schick aus, auch der drahtlose Controller ist einigermaßen amtlich verarbeitet. Auch die zwei AA-Batterien dafür gehören zum Lieferumfang, mal schauen wie lange sie halten. Die gleiche Frage kann man auch zu den Triggern stellen, die machen nämlich als einziges Elemente einen etwas zerbrechlichen Eindruck.

Beim Einschalten wird man dann von einer nett gemachten Animation begrüßt, inklusive "OUYA!!!"-Schlachtruf. Der nächste Schritt, die Einrichtung von WiFi-Netzwerk und Userkonto, wurde in vielen Previews kritisiert, bei mir lief allerdings alles ganz problemlos. Die Konsole war dann zwar erst einmal 15 Minuten damit beschäftigt, sich ein Update zu ziehen, aber bei der Wii-U hat dieser Vorgang bei mir ziemlich genau drei Stunden gedauert. Könnte also schlimmer sein.

Als nächstes wartet dann ein einigermaßen übersichtlicher Browser, in dem die zur Zeit über 160 Ouya-kompatiblen Spiele in verschiedenen Kategorien angeordnet sind. Die Auswahl reißt einen momentan noch nicht wirklich vom Hocker, die meisten Titel und Coverartworks erinnern an die Ein-Euro-Indie-Games in der Xbox Live Arcade. Zum Glück gibt es auch hier zu jedem Spiel eine kostenlose Testversion als Download.

Ouya
Auch der drahtlose Controller ist einigermaßen amtlich verarbeitet.
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Einige große Namen sind allerdings auch dabei, allen voran eine Umsetzung des 2006er-Remakes von Final Fantasy III. Das NES-Original verhalf damals der Serie zum Durchbruch, viele typische Elemente wurden dort zum ersten Mal eingeführt. In eine ähnliche Kerbe schlägt das Action-RPG The Bard's Tale, wiederum der 2004er Reboot eines Klassikers aus den 80ern. Inhaltlich ist das Spiel fast als Parodie zu betrachten, die viele Klischees der Rollen- und Adventure-Spiele auf die Schippe nimmt, gewürzt mit einer Prise pubertären Humors.

Damit passt der Titel perfekt in die Launchbibliothek von Ouya, denn er beschreibt quasi die momentane Situation der Konsole. The Bard's Tale wollte damals mit einem Augenzwinkern auf eine Stagnation in dem Spielegenre hinweisen und gleichzeitig frischen Wind in die Sache bringen. Heute ist es natürlich selbst nicht mehr taufrisch und sieht nicht gerade gut aus. Trotzdem hat es gute Anlagen, die immer noch Spaß machen. Und mit der Ouya ist es genauso.

Die faustgroße Konsole hat kaum mehr Leistung als die Smartphones, von der sie ihr Betriebssystem geerbt hat. Die Verarbeitung ist natürlich weniger edel als bei einem Apple-Produkt. Aber mal ehrlich, was will man für 119 Euro erwarten? Allein die Leistung der Entwickler, in nicht mal einem Jahr eine funktionierende Konsole aus dem Nichts in die Massenproduktion zu bringen, verdient Respekt. Klar sind im Software-Lineup noch viele Titel, die aussehen, als hätte man sie direkt aus den 80ern auf die Konsole gebeamt. Aber selbst grottenhässliche Grafikstinker wie die Einpark-Simulation No Brakes Valet haben etwas zu bieten: Nämlich eine frische Idee abseits vom dreimillionsten Army-Egoshooter.

Damit ist die Ouya im Moment vielleicht noch nicht viel mehr als ein Symbol. Der enorme Erfolg der Kickstarter-Kampagne zeigt, dass es da draußen viele Gamer gibt, die sich nach Innovationen abseits der großen Blockbuster sehnen, die kleine Entwickler, Open Source und DRM-freie Produkte unterstützen. Wenn diese Gruppe ein wenig Durchhaltevermögen beweist, könnte die Ouya richtig gut werden. Angefangen bei den bereits erhältlichen Freak-Tools wie dem XMBC Media Center und Retro-Emulatoren über Onlinedienste wie Flixter, Twitch.tv und TuneIn haben auch schon große Publisher wie Sega zugesagt, die Konsole mit Software zu versorgen.

Auf der anderen Seite müssen sich die Macher auch einige Anfängerfehler nachsagen lassen wie Probleme mit der Versandlogistik, Soundfehler und nicht zuletzt Sicherheitslücken im Zusammenhang mit den Kreditkartendaten der Nutzer. Trotz alledem kann man den Start unter den gegebenen Voraussetzung als gelungen ansehen. Wie bei allen Konsolen wird im Endeffekt die Software entscheiden. In diesem Aspekt unterscheidet sich die Ouya nicht von Wii U, PS4 und Xbox One.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
extrem sympathisches Konzept, günstiger Preis, anständige Produktqualität
-
Systemseller fehlen, noch diverse Kinderkrankheiten vorhanden
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