Bereits 2016 startete Onward auf dem PC als Werk eines einzelnen Entwicklers, der die Vision hatte, ein Zwischending aus Arma und Counter-Strike in der virtuellen Realität zum Laufen zu bringen. Dabei traf er den Nagel ziemlich auf den Kopf und hat inzwischen ein richtiges Studio um den Titel herum aufgezogen. Ein Jahr nach der Ankündigung in 2019 veröffentlicht dieses Team eine weitere Version des Spiels für Oculus Quest. Diese Edition bietet Crossplay mit dem PC, was mit einigen Änderungen an der Originalfassung einherkam und das hat wiederum zu einem Aufschrei in der Community geführt.
Diese Version wurde nämlich downgegradet, um gegeneinander spielenden Teilnehmern auf allen Plattformen ein vergleichbares Erlebnis zu ermöglichen, das sie gemeinsam genießen können. Zu diesem komplexen Thema haben wir uns die Youtuberin GamingLadyNici als Expertin mit ins Boot geholt, die uns ihre Sicht auf die Dinge schildern wird. Doch in diesem Artikel betrachten wir die Quest-Version als Einzelprodukt, das viele Nutzer dieser „VR-Konsole" spielen werden, ohne die PC-Version zu kennen, die auf komplett unterschiedliche, technische Grundlagen setzt.
Mit diesem Gedanken starten wir das Spiel und durchlaufen natürlich erst einmal ein Tutorial. Wie bei vielen VR-Spielen ist unsere Ausrüstung an unserem Körper befestigt und deshalb greifen wir physisch das Sturmgewehr, das vor unserer Brust hängt. Dem realistischen Anspruch folgend erfahren wir sofort, dass wir die Waffe mit der anderen Hand abstützen sollten, um die Treffergenauigkeit zu erhöhen. Das funktioniert auch wunderbar und nachdem wir ein Magazin auf herumstehende Zielscheiben entleert haben, werfen wir es per Knopfdruck aus, greifen ein neues Magazin aus unserer Brusttasche, schieben es sorgfältig in die Waffe und ziehen dann mit der freien Hand den Schlagbolzen zurück, um wieder schussbereit zu sein.
Sofort wird klar, welchen Reiz diese lebensnahen Bewegungsabläufe ausüben. Das wird beim Einsatz von Granaten noch gesteigert, bei denen wir erst den Sicherungsring herausziehen und die Sprengladung dann wegwerfen - etwas zu hektisch vielleicht, denn die Angst, sich selbst zu sprengen, wirkt irgendwie real. Das Handling der Handfeuerwaffe, die wir wahlweise an der Hüfte oder an der Brust tragen, ähnelt wiederum dem Gewehr. Noch einmal richtig spannend wird es beim Funk, denn wenn wir uns ans Ohr fassen und den Trigger drücken, können wir mit unseren Kameraden kommunizieren, begleitet von den passenden Soundeffekten. Sollten unsere Teamkollegen in unserer Nähe sein, hören wir sie allerdings auch ohne Funk sprechen - ganz wie im richtigen Leben.
Ein weiteres wichtiges, taktisches Feature ist unser Tablet. Das können wir hervorholen, um eine Live-Karte des Einsatzgebietes zu sehen, auf dem zum Beispiel unsere Ziele markiert sind. Auch das fühlt sich deutlich lebensnaher an, als alles über ein HUD eingeblendet zu bekommen und es unterstreicht die taktische Komponente des Spiels - denn während wir ein Tablet bedienen, können wir uns ja schlecht wehren. Ähnlich sieht es übrigens mit unserem medizinischen Equipment aus.
Mit einer Spritze können wir uns selbst heilen, denn wenn wir schwer verwundet wurden, verbluten wir ohne entsprechende Behandlung. Verletzte Kameraden können wir ebenfalls heilen, allerdings geben wir dann natürlich eine ideale Zielscheibe für lauernde Gegner ab. Von daher ist es gut, wenn man eine Rauchgranate dabei hat oder die Kollegen Sperrfeuer geben können. Generell propagiert das Spiel ein behutsames Vorgehen, in dem Strategie und Absprache mit dem Rest der Truppe der Schlüssel zum Erfolg sind.
Die Teilnehmer haben im Match die Auswahl zwischen vier Klassen; dem Rifleman, dem Specialist, dem Marksman und dem Support. Alle Soldaten dürfen auf eine reichhaltige Auswahl an Waffen und Aufsätzen zugreifen, die nach einem Punktesystem vergeben werden. Die Slots für bestimmte Klassen sind meist begrenzt, sodass nicht jeder in einem Team das gleiche Setup wählen kann. Als nächstes steht die Wahl des Spielmodus an - im PvP-Modus, der zwei Fünferteams gegeneinander antreten lässt, gibt es nochmals drei Möglichkeiten.
Im klassischen Assault geht es allein darum, das gegnerische Team zu eliminieren. Bei Escort spielt einer der Verteidiger einen VIP, der nur mit einer Pistole bewaffnet ist und um jeden Preis beschützt werden muss. In Uplink müssen die Angreifer eine Satellitenschüssel erreichen und einen Code senden. Das ist besonders witzig, weil man den Code erst am Ziel von seinem Tablet ablesen kann, um ihn dann in ein Zahlenfeld einzugeben. Man sieht den Code während des Eintippens nicht und deshalb ist es umso schweißtreibender, sich diese Zahlenfolge kurz merken zu müssen (Feindbeschuss erschwert diese vermeintlich simple Aufgabe ungemein).
Überhaupt ist das die besondere Stärke von Onward: Das permanente Gefühl, in Gefahr zu sein, explodiert bei Feuergefechten regelrecht. Da die Oculus Quest keine Kabel hat, können wir freier als je zuvor in Deckung gehen oder hinter Mauern hervorspähen. Auch das Wechseln eines Magazins mitten im Kampf kann uns mächtig den Schweiß auf die Stirn treiben, da wir komplexe Bewegungen ausführen müssen, statt wie bei einem 2D-Shooter einfach nur einen Knopf zu drücken.
Apropos Schweiß auf der Stirn: Die Oculus Quest kann bei dem treibenden Geschehen schon mal ganz schön warm werden. Das ist aber auch kein Wunder, denn einen voll ausgestatteten Taktik-Shooter mit zehn Teilnehmern sozusagen auf einem Handy-Prozessor zu realisieren, das ist schon eine echte Leistung. Natürlich hat das seinen Preis, denn die Grafik ist teilweise wirklich krude mit deutlich ins Bild ploppenden Texturen, Büschen oder sogar Mauern, die natürlich das Gesamtbild stören. Das sind aber vermutlich Beschränkungen, die man bei einem so günstigen Standalone-System ohne Kabel in Kauf nehmen muss, bis die Technik besser (und vielleicht auch teurer) wird.
Ein weiterer technischer Negativpunkt ist leider die KI, die im besten Fall stur auf den Spieler zuläuft und schießt, oder einfach gar nicht reagiert. Die wenigen Singleplayer- und Koop-Modi sind deswegen eigentlich nicht der Rede wert. Immerhin kann man an einem Schießstand Waffen und Aufsätze testen und die abwechslungsreich gestalteten Maps auch ohne Gegner erkunden. Das Spiel ist aber eindeutig ein PvP-Shooter ohne Kompromisse, der einzig und allein auf Multiplayer ausgelegt ist.
Unterm Strich ist das Urteil ganz klar: Onward ist für Quest-Besitzer mit einem Faible für Taktik-Shooter quasi ein Pflichtkauf. Wer regelmäßig spielt, am besten mit einer halbwegs festen Truppe von Freunden, kann hier unglaublich viel Spaß haben und sich mit den taktischen Optionen des Equipments, zu dem beispielsweise auch noch Drohnen gehören, richtig austoben. Ambitionierte Spieler können sich sogar bis in die Virtual Reality Master League vorarbeiten, bei der echte Geldpreise auf die Besten warten.
Für unsere Wertung müssen wir allerdings im Auge behalten, dass Onward nicht nur ein Quest-Spiel ist, sondern ursprünglich ein PC-Titel war. Diese beiden Welten wurden nun via Crossplay zu einem Produkt verschmolzen, was möglicherweise ein Fehler war. Denn die PC-Version wurde grafisch massiv abgespeckt, die KI wurde an die Quest-Fassung angepasst und es wurden sogar zwei Maps gestrichen, sowie die Option, von der Community gestaltete Maps zu nutzen. Die Entwickler versuchen sich halbgar mit der lahmen Ausrede herauszureden, dass Onward noch im Early Access steckt -obwohl ein solches Programm offiziell bei Oculus gar nicht existiert. Es besteht also immerhin die Hoffnung, dass fehlende Features in Zukunft wieder zurückkommen, was natürlich für eine höhere Wertung sprechen würde.