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Murdered: Soul Suspect

Murdered: Soul Suspect

Airtight Games liefern uns ein Adventure, das sich aber lieber als Action-Stealth-Game tarnt. So richtig gut funktioniert das alles aber nicht...

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Wenn sich ein amerikanischer Entwickler ein Adventure vornimmt, können wir uns fast sicher sein, dass dafür ein interessanter neuer Ansatz gefunden wird. Das Genre ist auf dem eigenen Markt nicht sonderlich beliebt - zumindest in seiner klassischen Form. Es ist daher notwendig, ein paar spannende Elemente zu integrieren, um es schmackhafter zu machen. Für uns Europäer ist das aber ebenfalls ein Gewinn, denn wir können von solchen Innovationen nur profitieren. Murdered: Soul Suspect ist das Ergebnis dieser Idee. Das Spiel von Airtight Games wird gar nicht erst als Adventure vermarktet, sondern fühlt sich lässig und cool dem Action-Stealth-Genre zugehörig. Es braucht aber nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass dies nur eine Verschleierungstaktik ist.

Die Geschichte von Murdered: Soul Suspect spielt in Salem, Massachusetts. Der tatsächlich existierende Ort wurde im Jahr 1626 durch puritanische Fischer gegründet und ist vor allem bekannt für die Hexenprozesse von Salem, die dort 1692 stattgefunden haben. In der Hexenstadt erinnern noch heute zahlreiche Museen an diese Zeit und selbst H.P. Lovecraft war fasziniert von Salem, so dass die Stadt Vorlage für Arkham in vielen seiner Bücher wurde. Eine Portion Horror gibt es in diesem Fall auch. Unser Hauptcharakter Ronan O'Connor stirbt bereits in der ersten Szene, aber sein Geist verweilt weiter in Salem, um den eigenen Mordfall zu lösen. Und wie er schnell feststellen muss, ist er keinesfalls der einzige, der hier hängengeblieben ist.

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Murdered: Soul SuspectMurdered: Soul Suspect
Um das Geheimnis seines Todes zu lüften, müssen wir Hinweise sammeln und im Anschluss scharf kombinieren und eine Schlussfolgerung ziehen.
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Ronan ist ein ziemlich gelungener Held. Wir erfahren zu Beginn in Form von Rückblenden, wie aus dem Kriminellen ein Polizist wurde und woher die vielen Tattoos stammen. Manchmal nervt das Spiel auch etwas mit der ständigen Erwähnung seines Körperschmucks, aber meist können wir uns ziemlich gut in den Charakter hineinversetzen. Auch die anderen Figuren sind gut getroffen und überraschend nachvollziehbar. Oft scheitert eine Handlung nämlich genau an der Stelle, wenn wir Entscheidungen und Reaktionen von Charakteren verstehen sollen. Murdered: Soul Suspect ist zwar nicht unbedingt überraschend, aber trotzdem nicht vorhersehbar. Selbst bei der Auflösung ist den Entwicklern eine interessante Wendung gelungen, die wenigstens etwas von der Norm abweicht.

Um das Geheimnis seines Todes zu lüften, müssen wir Hinweise sammeln und im Anschluss scharf kombinieren und eine Schlussfolgerung ziehen. Das Spiel gibt immer an, wie viel wir an einem Tatort finden können. Meist lässt sich aber ein Fall auch lösen, ohne jedes Details zu kennen. Oberflächlich gesehen ist diese Spielmechanik ziemlich gelungen, aber im Detail hat der Entwickler trotzdem versagt. Machen wir beim Kombinieren Fehler, hat dies keine Folgen für den weiteren Spielverlauf, außer der schlechteren Bewertung im Spielmenü. Eine wirkliche Herausforderung gibt es also für Hobby-Ermittler nicht. Auf der andere Seite sind wir aber auch froh darüber, denn manchmal ist die gestellte Frage auch nicht eindeutig genug, um gleich anfangs eine korrekte Antwort zu geben.

Neben der Hauptgeschichte gibt es vier weitere, kleinere Fälle, die wir auf diese Weise lösen können. Es ist ziemlich schade, dass es davon nicht mehr gibt, um die Handlung aufzulockern. Geister treffen wir nämlich in Murdered: Soul Suspect an jeder Straßenecke. Viel zu sagen haben die meisten leider nicht. Manche erzählen immerhin noch eine kleine Geschichte über ihr Ableben. Gut und gerne hätten wir an diesen Stellen auch aktiv werden können. Wahrscheinlich hatte Airtight Games aber alle Hände voll damit zu tun, dass Spiel selbst fertigzustellen. Um es wirklich zu komplettieren, wäre dann wohl noch mehr Zeit nötig gewesen, die Square Enix aber sehr wahrscheinlich nicht geben wollte.

Murdered: Soul Suspect
Als Geist können wir durch die meisten Wände gehen.
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Dazu gesellen sich neun sammelbare Typen von Objekten, über die wir jeweils reichlich Hintergründe zu den Charakteren erfahren. Außerdem gibt es acht weitere allgemeine Objekte, für die Gruselgeschichten als Belohnung winken. Unterm Strich lassen sich 250 Objekte finden und damit wird die Erfahrung deutlich vertieft. Zudem kann man vielleicht sogar schon vor Spielende herausfinden, was hier eigentlich vorgeht. Wer allerdings wirklich alles finden will, muss schon einen ziemlich guten Spürsinn unter Beweis stellen.

Das übrigens funktioniert auf clevere Art und Weise. Als Geist können wir durch die meisten Wände gehen. Davon ausgenommen ist allerdings alles, was gesegnet wurde. Dazu gehören auch die meisten Häuser in Salem. Dann müssen wir versuchen, einen anderen Weg zu finden - beispielsweise, indem wir uns im Körper von Menschen verstecken, die für uns Türen oder Fenster öffnen. Oder aber wir übernehmen eine Katze, die wir dann selbst steuern dürfen. Außerdem gibt es eine Funktion zum Entfernen bestimmter Blockaden in der Geisterwelt sowie zum Enthüllen verborgener Objekte.

Menschen lassen sich noch auf zwei weitere Arten manipulieren. Einerseits können wir Objekte quasi als Poltergeist aktivieren, um Leute abzulenken oder zu bewegen. Manchmal müssen wir sie auch beeinflussen, indem wir bestimmte Gedanken im Kopf verpflanzen. Diese beiden Möglichkeiten allerdings sind immer nur dann am Start, wenn sie einen Nutzen für Haupt- oder Nebenhandlung haben. Spielereien sind nicht vorgesehen. Immer möglich ist lediglich das Lesen von Gedanken. Bei denen verhält es sich aber wie mit den bereits erwähnten vielen Geistern, die keine besondere Funktion haben, sie sind einfach sehr, sehr langweilig.

Murdered: Soul Suspect
Jenseits von allen kleinen Problemen steckt das ganze Spiel noch voller Fehler.

Das dritte wesentliche Element von Murdered: Soul Suspect ist das Schleichen. Es gibt nämlich nicht nur gute Geister, sondern auch fiese Dämonen, die unsere Seele fressen wollen. Entweder wir versuchen diesen, aus dem Weg zu gehen oder wir überraschen sie von hinten, um sie mittels variierender Tastenkombination zu besiegen. Dann allerdings sollten wir natürlich jeden einzeln vornehmen, sonst haben wir keine Chance. Diese Passagen sind fest an bestimmten Stellen des Spiels eingebaut, aber trotzdem ziemlich spannend. Meist beobachten wir die Dämonen durch die Stealth-Ansicht eine Weile, bevor wir zuschlagen.

Leider hat auch dieser Aspekt ein paar Mängel. Zum einen gibt es nur wenige Stellen im Spiel, an denen Dämonen aktiv sind. Werden wir enttarnt, können wir uns in leeren, verblassten Geisterhüllen verstecken. Da diese an deutlich mehr Orten anzutreffen sind, als es die Dämonen sind, gehen wir davon aus, dass Airtight Games ursprünglich ein häufigeres Auftreten geplant hatte. Gut möglich, dass es da aber ein paar Probleme mit der Spielbalance gab. Haben wir eine schwierige Stelle überwunden, laufen danach aber in eine dämonische Falle, kann es gut sein, dass wir auch die Schleichpassage noch einmal wiederholen müssen, weil die Rücksetzpunkte eher ziemlich unfair gesetzt sind.

Jenseits von all diesen Dingen steckt das ganze Spiel noch voller Fehler. Manchmal sind es Bildschirmtexte, die nicht passen. An anderen Stelle bleibt die dringend benötigte Katze in einer Ecke hängen. Zum Glück ist die Kollisionsabfrage für den Hauptcharakter sehr einfach, da er durch fast alle Objekte hindurchlaufen kann. Es gibt Grafikfehler und aus unerfindlichen Gründen scheint zumindest in der PS4-Version unser ständiges Ziel zu sein, den Dachboden zu verlassen. Und auch die Ladezeiten sind nicht optimal.

Murdered: Soul Suspect
Stellenweise ist das Spiel sogar richtig gähnend langweilig, weil wir uns planlos durch die etwas lieblos gestaltete, offene Welt bewegen.

Offensichtlich musste es am Ende ganz schnell gehen. Auch beim Finale wird das deutlich. Besonders ärgerlich: Für den ziemlich kurzen Höhepunkt müssen wir ein Gebäude betreten, dass wir danach nicht verlassen können. Und Dank der hier ausnahmsweise funktionierenden Autospeicherung gibt es danach kein Zurück mehr. Wer also alle Trophäen sammeln will, sollte zuvor alle Aufgaben lösen. Das Spiel weist aber immerhin mit einem kurzen Satz darauf hin.

Murdered: Soul Suspect funktioniert vielleicht nicht als Actionspiel, weil der Anteil dafür einfach viel zu gering ist. Stellenweise ist das Spiel sogar gähnend langweilig, weil wir uns planlos durch die etwas lieblos gestaltete, offene Welt bewegen. Allerdings bietet es für ein Adventure viele interessante Ideen und erzählt eine überraschend spannende, manchmal sogar leicht gruselige Geschichte.

Es ist ärgerlich, dass Airtight Games ganz offensichtlich nicht genug Zeit gegeben wurde, dass Beste aus dem Stoff herauszuholen. Neben ein paar echten Fehlern gibt es Stellen, an denen offensichtlich etwas fehlt. Gerechtfertigt werden kann damit vor allem nicht der volle Preis des Spiels für PS4 und Xbox One. Für alle anderen Plattformen ist es dagegen ziemlich ok, was wir für unser Geld bekommen. Und sollte daraus eine Serie entstehen, das Fundament wäre solide.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
überraschend spannende Story, gelungener Held, interessante Spielmechaniken
-
teilweise nicht fordernd, stellenweise gähnend langweilig, offenbar Zeitdruck bei der Fertigstellung, offensichtliche Fehler
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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