Ich hasse das. Ein paar Zuschauer zu wenig und bei der großen Samstagabend-Show ging mir ein lukrativer Werbedeal flöten. Statt saftigen Einnahmen wird mir nun eine fette Vertragsstrafe aufgebrummt. Ich hasse das. Es bringt mich in eine verdammt brenzlige Situation. Mit den Einnahmen wollte ich die Serienproduktion komplett intern erledigen, um nicht mehr auf die teuren Einkäufe angewiesen zu sein.
Und die Konkurrenz schläft nicht ja auch nicht und entwickelt sich weiter. Ständig steigt die Qualität, sie schnappen einem Werbekunden und brauchbare Inhalte direkt vor der Nase weg. Ich kann die Zuschauer sogar verstehen. Warum sollten sie ein unterirdisches Comedy-Programm und im Anschluss irgendeine drittklassige Mystery-Serie auf meinem kleinen Sender anschauen, wenn zwei Kanäle weiter ein großer Blockbuster lockt.
Wobei die Nische der Nerds noch halbwegs stabil ist. Das sei an dieser Stelle auch erwähnt. Das sind echte Nachtmenschen. Zu keinem anderen Zeitpunkt sitzen sie so zahlreich vor der Glotze. Dann, wenn alle anderen schon abschalten. Sie scheinen aber die einzigen zu sein, die mir noch die Stange halten. Aber darum geht es schließlich genauso: Zielgruppen erkennen, bedienen und von ihnen profitieren.
M.U.D. TV steht für Mad Ugly Dirty Television. Es ist der heimliche Nachfolger von Mad TV, dem wirklich abgedrehten Wahnsinnswerk von 1991. Heute wie damals ist zwar das Ziel des Spiels die Etablierung eines erfolgreichen Fernsehsenders, der Weg dahin ist aber keineswegs gewöhnlich. Zahlreiche Schikanen in Form von diversen Sabotage-Aktionen bringen abwechselnd die Konkurrenz oder eben uns zur Weißglut.
Der Humor des Originals blieb dabei fröhlich erhalten. Namen von Konkurrenten, Schauspielern und Sende-Inhalten gibt es nur in Anlehnung an bekannte Originale. Bis dahin hat sicherlich noch niemand etwas von Winona Schaffrath, Arnold Calmund oder Megan Makatsch (Zitat aus dem virtuellen Chat: "Es sollte mehr Intellektuelle im Spiel geben") gehört.
Und auch die Zielgruppen: Machos, Nerds, Hausfrauen, Yuppis, Hippis, Intellektuelle, Rentner und Emos. Sie werden bestimmten Lieblingssendungen zugeschrieben und auch die Zeit, in der sie einschalten, schwankt. Mitgeliefert werden zu jeder Gruppe individuelle Beschreibungen, die noch einmal das verbalisieren, was ansonsten auch in Diagrammen und mittels Symbolen sichtbar wird. Ein Beispiel:
Nerds
Wer kennt sie nicht, diese etwas pummeligen Stubenhocker, die zwar wenig vom Leben, dafür aber umso mehr von Technik, Comics und Animes wissen. Dieser nachtaktive Menschenschlag könnte einem stundenlang Vorträge über Hobbits und Elfen halten, verstummt aber sofort, wenn eine Vertreterin des weiblichen Geschlechts in sichtbarer Entfernung auftaucht. Dieser Menschenschlag ist für stundenlanges Computerspielen bekannt und dafür, ein Hobby zum Beruf zu machen und sich beispielsweise als Spieleentwickler durchzuschlagen.
Nerds lieben bei Filmen vor allem Mystery, Erotik und Dokumentationen, um nach der Arbeit mal so richtig abzuschalten. Dann zappen sie auch bei Comedy- und Quizshows rein oder gönnen sich noch eine Folge ihrer Lieblings-Mystery-Serie.
In M.U.D. TV ist selbst schon der Grund des Senderstarts völlig sinnfrei. Man ist nämlich ein Student, der smart und intelligent, aber leider auch abgrundtief böse ist. Deswegen fliegen wir von der Uni. Weil wir aber so böse sind, wollen wir Rachen nehmen und die gesamte Menschheit versklaven. Dies soll mittels Hypnose geschehen und wer hätte es gedacht, das Transportmedium ist das Fernsehen.
Das Spiel selbst ist trotz allen Humors eine klassische Wirtschaftssimulation. Es gibt kleine Kreisläufe für die Erstellung von Inhalten - vom Drehbuch über die Produktion bis in die Postproduktion - und das verzahnt sich dann wiederum mit den Werbekunden, die spezifische Zielgruppen ansprechen wollen. Eine langfristig auf vielleicht vier Tage angelegte Kampagne kann so mühelos erfüllt werden, in dem einfach der richtige Inhalt für den Kunden erst produziert wird.
Drehbücher und das Produzieren von Filmen ist recht simpel gestrickt. Dreh- und Angelpunkt ist das richtige Personal, dass Stärken in den passenden Bereichen ausweist und dabei nicht zu viele Schwächen hat. Einfach bleibt es auch, weil diese nicht auf bestimmte Genres zugeschnitten, sondern individuell sind.
Ein Titel für Gelegenheitsspielsspieler ist es trotzdem nicht geworden. Relativ rasch steigen die Anforderungen für Werbedeals, so dass keinesfalls getrödelt werden sollte beim Aufbau des TV-Imperiums. Neue Räume müssen gebaut und entwickelt und die Reichweite des Senders vergrößert werden. Dieser Prozess ist auch unabhängig davon zu betrachten, ob mit oder ohne Konkurrenz gespielt wird. Die Werbekunden werden jeden Tag gieriger.
Ein bisschen nervt das schon. Einfach mal treiben lassen, M.U.D. TV erlaubt das nicht. Bei Mad TV war das noch irgendwie verständlich. Da ist man durchs ganze Haus getigert, um den Feind zu sabotieren. Nun aber wechselt man nur zwischen zwei Etagen, der eigenen und dem Emfpang, wo Werbeverträge, Einkauf und eine Bank warten. Nebenher läuft auch noch der Fernseher mit dem aktuellen Programm und den sich ähnelnden Videoschnipseln und ihrer grauenvollen Sounduntermalung. Wie gut, dass der Ton abgestellt werden kann.
Anfänger werden zudem ein wenig hilflos ins Geschehen geworfen. Eine Spielhilfe in Form von einem Berater steht nicht zur Verfügung. Klar, wir sind unfassbar böse und wollen die Menschheit versklaven. Aber hätten wir uns nicht vorab schon einen Beratersklaven sichern können. Ich persönlich fände das nicht schlimm, wenn ab und zu ein Figürchen aufpoppt und den Satz mit "Mein Herr und Meister..." beginnt.
Nett aber ist die Idee, dass der Mehrspielermodus nicht nur in Konkurrenz zueinander funktioniert, sondern so ein Sender auch gemeinsam betrieben werden kann. Da ist es dann vielleicht doch noch möglich, auch mal die Beine auf den Tisch zu legen und einfach den Kollegen etwas rackern zu lassen. Wir sind dann einfach mal auf... äh... Recherche!
Großartig ist M.U.D. TV dennoch, wenn man sich reinfuchst und gewisse Mechanismen und Regeln verinnerlicht. Es gibt einige Funktionen, die den Alltag vereinfachen, wie der schnelle Blick ins Archiv oder das aktuelle Programm. Insbesondere dann, wenn nach aktuellen Werbedeals Aussschau gehalten wird, sind diese Menüs unerlässlich. Aber eben ohne Erklärung nicht sofort zu finden. Wer nur auf ein witziges Spiel für zwischendurch aus ist, wird kaum Freude mit M.U.D. TV haben. Es ist eben gemacht für Genre-Freunde und auch dieser Weg ist manchmal nicht verkehrt.