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Kinect Sports Rivals

Kinect Sports Rivals

Der dritte Versuch von Rare, ein Casualsportspiel abzuliefern, das besser als Wii Sports ist. Komplett erfolgreich war der nicht, aber das Potenzial ist endlich sichtbar.

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Bevor es losgehen darf, schaut Microsoft ganz genau hin mit dem Kinect-Sensor. Er scannt Körper und Gesicht des Spielers und baut uns als Champion in spe nach. Also, das ist der Plan jedenfalls. Es dauert eine Weile und während man so gescannt wird, nach links, recht, oben sowie unten schaut, freut man sich auf das Resultat der Pixelarbeit.

Und dann erscheint auf dem Bildschirm ein hakennasiger Justin Bieber mit Fünftagebart und ohne Kappe. Jedenfalls erscheint da nix, was annähernd so aussieht wie ich. Also nicht einmal so wie eine Karikatur von mir. Bei anderen Gesichtern klappt es scheinbar besser, aber von mir kriegt Kinect Sports Rivals einfach keine digitale Version hin. Nicht im Hellen, nicht im Dunkeln. Meh...

Danach startet endlich das richtige Spiel. Sechs Disziplinen Sport hat uns Rare ins Spiel gebaut, dieses ehemals ehrwürdige Studio, dass jetzt Casualgames für Microsoft bauen muss. Sie tun mir als Fans der frühen Rare-Games irgendwie fast etwas leid, die Mitarbeiter, die heute dort arbeiten. Kriegen bestimmt ein gutes Gehalt, aber statt an einem neuen Conker arbeiten sie eben an Kinect Sports Rivals.

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Man kann alle echten Freunde aus der Freundesliste herausfordern, ohne dass die live gegen einen spielen müssen.

Das ist kein schlechtes Spiel, aber es hat seine tragischen Momente, die die Wertung nach unten ziehen. Aber fangen wir mit den guten Sachen an, ganz so wie das Spiel selbst. Nicht alle Disziplinen sind nämlich gleich freigeschaltet, man muss erst durch alle Trainings und das erste Events hindurch, um nach und nach alle freizuspielen. Die erste Disziplin heißt Wake-Ski. Wir düsen mit einem Jet-Ski übers schick gemachte Wasser und spielen gegen sieben andere Fahrer. Man hält sich an einem virtuellen Lenker fest, dessen Bewegungen erstaunlich gut eingefangen werden vom Kinect-Sensor. Wenn man die Hand zur Faust ballt, steht das für Gasgeben, das Öffnen bremst das Gefährt. Die Steuerung wirkt zwar etwas labberig, funktioniert aber prima. Trotzdem wünscht sich der innere Wave Race 64-Fan sofort einen Controller.

Die Kinect-Erkennung funktioniert viel besser als in den Vorgängern. Man spürt deutlich die besseren Fähigkeiten des Sensors. Er zickt aber trotzdem schnell mal rum. Selbst bei taghellem Licht bereiten ihm blaue Pullover und Jeans in einem gut ausgeleuchteten Zimmer Probleme, so dass der Unterkörper nicht erkannt wird und das Spiel ins Stocken gerät. Ein paar Mal hat mich die Xbox One sogar direkt in den Pause-Bildschirm geschickt. Nachdem ich dann "Weiter" gedrückt hatte, war die mögliche Bestzeit der Rennrunde auf dem Jet-Ski natürlich hinüber. Die Steuerung der Menüs via Kinect-Gesten klappt übrigens reibungslos.

Dann kommt das nächste Spiel, Klettern. Das ist so ein bisschen Freeclimbing meets Rennspiel und spielt sich intuitiver als man zunächst denkt. Man schnappt sich die Griffpunkte, kann über größere Streckenabschnitte sogar springen, seitwärts klettern und seine mitkletternden Gegner am Bein in den Abgrund zerren. Bis auf das Seitwärtsklettern ist das ein wirklich gut durchdachtes Spiel. Hier erkennt man auch deutlich, wie präzise Kinect die Bewegungen des gesamten Körper in Echtzeit scannt.

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Kinect Sports Rivals
Die Steuerung beim Wake-Ski wirkt zwar etwas labberig, funktioniert aber prima. Trotzdem wünscht sich der innere Wave Race 64-Fan einen Controller.

Der Höhepunkt von Kinect Sports Rivals in meiner Welt ist das Zielschießen. Mit einer Fingerzeigluftpistole müssen wir auf statische und sich bewegende Zielscheiben schießen. Uns gegenüber steht hinter einer durchsichtigen Schutzwand ein Gegner, der exakt die gleiche Zielscheibenabfolge wegballern muss. Manchmal tauchen oberhalb der Schutzwand Ziele für beide auf. Pew. Pew. Pew. Immer schön mit dem Finger feuern. Erinnert an James Bond im Sag niemals nie-Remake ebenso wie an die Kindheit mit der Erbsenpistole. Die Steuerung ist okay, aber die Präzision leidet etwas darunter, dass der Zeigefinger zwar recht sauber die Richtung anzeigt, aber die Ziele automatisch unter Feuer genommen werden. Müssen sie aber exakt in der richtigen Reihenfolge abgeschossen, nervt das schnell mal, weil man aus Versehen im Vorüberzeigen ballert.

Dann kommt die schlimmste Disziplin: Fußball. Das ist sinnloses Tipp-Kick-Tischfußball-Irgendwas ohne Finesse. Diese extrem komische "Steuerung", die macht, was sie will ... oh mann. Jedenfalls hat das Dargebotene weder mit Kickern noch mit Fußball etwas zu tun. Allein das erste Spiel hat über 15 Minuten gedauert, weil es mir nicht gelungen ist, ein Tor zu schießen, ich aber als Keeper alle Bälle immer gehalten habe. Das erlösende Golden Goal fiel dann eher aus Zufall, weil ich wohl im richtigen Augenblick genervt "Super Aufladen" geschrien habe für einen Powerschuss. Ach ja, man kann sich Power-ups erspielen und muss den Kinect-Sensor anschreien, um sie auszulösen. Eigentlich okay, nur ein bisschen nervig für Mitbewohner und Nachbarn...

Dann mal wieder Bowling. Der Championavatar greift sich Kugel mit einer für das Bowling unnatürlichen Handbewegung, muss dann den Arm schwingen und zum Werfen loslassen. Das fühlt sich leider zu keiner Zeit wie echtes Bowling an, sondern wie Kugelweitwurf von unten. Die Handgelenkbewegungen zum Eindrehen der Bowlingkugel für mehr Rotation funktioniert irgendwie auch nicht so, wie man sich das vorstellt. Ist auf jeden Fall bei Wii Sports Resort vor Jahren schon besser gewesen. Und viel natürlicher. Das erstes Spiel gewinne ich 148:38. Das zweite gegen meinen spanischen Gamereactor-Kollegen mit 192:47. WTF?! Das es eine Begründung dafür gibt, habe ich erst später herausgefunden.

Kinect Sports Rivals
Der Championavatar greift sich Kugel mit einer für das Bowling unnatürlichen Handbewegung, muss dann den Arm schwingen und zum Werfen loslassen.

Dann noch Tennis. Gab es schon in Kinect Sports Season 2, soll jetzt noch präziser sein. Ich scheitere bereits im ersten Training. Am schlimmsten daran: Man muss den Trainer noch einmal ertragen, wie er seine zotigen Army-Witze reißt. Immerhin hört man ihn nicht, denn wie in den gesamten Zwischensequenzen der Story - man buhlt um die Gunst irgendwelcher merkwürdiger Gangs, kann man auch gleich wieder vergessen - ist die deutsche Sprachausgabe einfach nicht da. Es laufen nur Untertitel mit, muss ein Bug sein, denn Spanisch sprechen sich laut und fließend.

Leider kann man die Sequenzen nicht wegdrücken, dafür gibt es keine Kinect-Geste. Immerhin kommt man ohne Sound nicht in Verlegenheit, die Stimmen für den generischen Quatsch zu hassen, den sie labern. Der Aufschlag klappt toll, aber danach ist das gefühlt korrekte Timing, das man vom Tennnisplatz oder diversen Videospielsimulationen kennt, völlig entkoppelt von dem, was auf dem TV passiert. Dafür ist das Gras schick. Im zweiten und dritten Versuch klappt es besser, nachdem ich mich von der Idee entkoppelt habe, dass das hier etwas mit Tennis zu tun hat. Richtig Spaß macht es trotzdem nicht.

Schön ist das Konzept der Rivalen. Man kann alle echten Freunde aus der Freundesliste herausfordern, ohne dass die live gegen einen spielen müssen. Man spielt gegeneinander im Multiplayer, aber quasi rundenbasiert nacheinander und schickt sich dann virtuell die Punktestände zu. Das sorgt dafür, dass die Duelle spannend sind und man immer was zu tun hat. Denn selbst wenn jemand nicht online ist, als Gegner ist er so immer verfügbar. Leider spielt man nicht gegen die reale Performance des Rivalen, sondern gegen ein Art Cloud-Gegner, der aus Statistiken generiert wird. Denn sowohl ich als auch mein spanischer Kollege haben jeweils haushoch gewonnen in allen Disziplinen. Vermutlich muss der Rivalen-Avatar einfach mehr spielen und lernen, aber ich finde das trotzdem grenzwertig schlecht gemacht so.

Kinect Sports Rivals
Einzig die teils langen Ladezeiten von knapp einer Minute vor dem Spielstart zerren auf die Dauer an den Nerven.

Alternativ bekommt man bei allen anderen Herausforderungen echte Spieler via Matchmaking zugelost, mal nur einen, mal mehrere wie beim Wake-Ski. Das funktioniert prima, so dass man immer Gegner gleicher Spielstärke serviert bekommt. Das Spiel läuft nicht in Echtzeit ab, vielmehr registriert der Server die Spieldaten des einzelnen Spielers und stellt die am Ende gegeneinander. Praktisch, wenn man mal kurz Pause drücken will oder Kinect einen dazu zwingt. Offline gibt es einen Splitscreen-Modus für den Multiplayer, aber bereits für zwei Spieler braucht man ein Loft-Wohnzimmer, um sich nicht in die Quere zu kommen.

Man sammelt im Spiel übrigens zum Fortkommen in der Karriere sowohl Fans als auch Erfahrungspunkte. Kämpft sich durch sechs Ligen, um diverse Bonusgegenstände wie neue Waffen oder bessere Jet-Skis mit neuen Fähigkeiten freizuspielen. Das hält einen als simple Karotte vor der Nase bei Laune. Einzig die teils langen Ladezeiten von knapp einer Minute vor dem Spielstart zerren auf die Dauer an den Nerven. Außerdem hängt sich das Spiel immer auf, wenn man die Xbox in den Standby-Modus schickt und danach wieder starten will. Aber man kann ja einen Patch anbieten nach dem Launch. Dann gibt es vielleicht auch deutschen Sound in den Zwischensequenzen. Wobei ich den eigentlich gar nicht will...

Kostenlos gibt es zusätzlich zum Game eine Hub-App. Die ist nett, um Bestenlisten aufzurufen, besondere Herausforderungen anzunehmen und bei der großen Championship einzusteigen, bei der man sogar Echtgeld gewinnen kann. Aber das Geld ist hart erkämpft, wenn man wirklich gewinnen sollte am Ende. Denn man muss den generischen US-Artstyle des Spiels ebenso ertragen wie den fast durchweg schlimmen Eurotrash-Soundtrack.

Kinect Sports Rivals
06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Zielschießen und Wake-Ski bringt echt Laune, Rivalen-Modus sorgt für Langzeitspaß, keine deutsche Sprachausgabe
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drei Disziplinen kaum brauchbar, schlimmer Soundtrack, Kinect hat immer noch Probleme
overall score
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