Aktivitäten sind mehr oder weniger Mini-Spiele, die die Spieler in den verschiedenen Städten der Welt von Guild Wars 2 starten können. Dazu gehören so ehrenvolle Traditionen wie Kneipenschlägereien, Bogenschießen oder Schneeballschlachten. Erfolge werden für Erreichtes im Spiel vergeben, während Leistungen das ersetzt, was in MMOs gewöhnlich als Ruhezeit-Erfahrung bezeichnet wird. Das Persönlichkeitssystem ermöglicht es, die Persönlichkeit des Charakters auszuformen, von charmant bis zu barbarisch - und die letzte Option schaltet sogar die Fähigkeit frei, Gesprächspartner während der Unterhaltung einfach zu schlagen.
Wir haben uns gleich mit vier Mitarbeitern von ArenaNet in einer Telefonkonferenz kurzgeschlossen, nämlich mit den Game-Designern John Stumme, Curtis Johnson und Ben Miller sowie Lead Game-Designer Eric Flannum.
Ihr sprecht bei den Aktivitäten von etwas das "nebenbei" gemacht wird. Wie viel Arbeit investiert ihr da im Vergleich zu den anderen Teilen des Spiels rein, also in die traditionellen MMO-Sachen wie Quests und Handwerk?
John: Wir haben gleichberechtigte Prioritäten für alles an dem wir arbeiten, wobei unterschiedliche Menschen im Team sich unterschiedlichen Dingen widmen. Jeder ist so wichtig wie der nächste.
Funcom hatte ja auch so etwas wie die Kneipenschlägereien für Age of Conan geplant und das gab es zum Launch dann nicht. Läuft das mit den Aktivitäten in Guild Wars 2 ähnlich? Oder sind die ein fester Bestandteil des Konzepts?
John: Die sind fest in das Spiel eingebaut und werden nicht später hinzugefügt, darum sind sie auch zum Launch dabei.
Eric: Wir waren zum Spiel lange ziemlich wortkarg und wir sprechen nicht über Features, es sei denn, sie sind tatsächlich im Spiel. Man kann also davon ausgehen, dass die ganzen Aktivitäten, über die wir sprechen, tatsächlich im Spiel sind.
Aktivitäten sind nicht an ein Charakter-Level gebunden. Gibt es Pläne für Belohnungen für die Aktivitäten und wenn ja - wie sollen die ausbalanciert werden?
John: Es gibt Belohnungen für die Aktivitäten. Ein Beispiel: Wenn man in der Kneipenschlägerei jemanden umhaut, gibt's dafür einen Zahn als Trophäe. Und dann existiert vielleicht ein Typen im Spiel, der sammelt Zähne, weil er für den örtlichen Zahnarzt arbeitet und man ihm im Grunde die Arbeit abnimmt. Der Zahnarzt gibt einem also indirekt Belohnungen für die ausgeschlagenen Zähne. Damit es ausbalanciert bleibt, ist diese Belohnung dann aber eher ästhetischer Natur, eine besondere Verschönerung für Waffen oder Schilde, die es anderswo nicht gibt.
Werden diese Tätigkeiten in Instanzen ablaufen oder werden andere sie beobachten könne? Oder wie bei einer Kneipenschlägerei einfach jederzeit mitmischen?
John: Wie sie konkret funktionieren, hängt von der Art der Aktivität und ihrer Struktur ab. Die Schneeballschlachten zum Beispiel haben einen eindeutigen Sieger und darum gibt es ein Punktesystem, man geht in eine Warteschlange und somit ist es auch als Instanz konzipiert, wenn die Schlacht losgeht. Aber es gibt auch Aktivitäten, in die man einfach hineinspringt.
Wie viele dieser Aktivitäten sind geplant?
John:So um die 30.
Ihr wollt das Spiel brechen, die Regeln ändern. Wie weit kann man gehen?
John: Vieles im Spiel ist auf Kooperation aufgebaut, auf gemeinsamen arbeiten. In den Aktivitäten können wir eine Pause machen. Manchmal will man einfach was anderes machen. Die Kneipenschlägerei ist das perfekte Beispiel: chaotisch, mit dem Gefühl des Augenblicks, so wie im Film, wenn jemand aus dem Nichts einen Stuhl von hinten über den Schädel kriegt, obwohl er gerade mit einem anderen kämpft. Wir können die Regeln für Punkte in solchen Fällen frei verändern.
MMOs sind stark strukturierte Angelegenheiten. Welche Philosophie steckt dann hinter den Aktivitäten?
John: Es gibt ein paar Dinge, die man unbedingt tun möchte. Da alle Aktivitäten an die Städte gebunden sind, sollen sie zu den Rassen passen. Und wenn das so ist, dann will man auch nicht die gleiche Art von Gameplay, das überall sonst gibt. Warum sollte man sonst die Städte erkunden wollen? Die Spieler brauchen zwingende Gründe, wie: "Ach, ich möchte in die Black Citadel gehen, weil ich dies dort tun kann!" Wir wollen Abwechslung.
Sie haben auch ein Features namens Leistungen geplant. Gibt es ein konkretes Beispiel, was sich genau dahinter verbirgt?
Curtis: Leistungen sind unsere Antwort auf Ruhezeit- bzw. Rest-Erfahrung und tägliche Belohnungen. Es sind Dinge, die das Spiel während der Spielzeit über die Spieler sammelt, die Schicht über allem anderen sozusagen. Es geht darum, wie viele Gegner jemand tötet, und auf bestimmten Levelstufen gibt's dafür Belohungen. Das Spiel verfolgt zum Beispiel, wie viele Gegner man gleichzeitig getötet hat und welche Gegner das waren. In solchen Bereichen werden dann spezielle Boni an bestimmten Stellen fällig.
So sollen Gelegenheitsspieler besser mit den Hardcorespielern mithalten können. Nur durch diese Leistungen also, oder gibt es andere Formen von Boni?
Curtis: Es gibt Erfahrungs-Boni und Gold-Boni, es könnten auch bestimmte Gegenstände oder Buffs durch Leistungen freigeschaltet werden. Im Grunde sollen sie dazu beitragen, die Anfangsspielzeit, also die ersten ein, zwei Stunden, effizienter zu gestalten. Jemand, der für eine kurze Zeit spielt, im Vergleich zu jemandem, der drei-oder viermal so lange gespielt hat, bekommt so wenigstens etwa halb so viele Erfahrungspunkte. Die ersten Stunden sind eben deutlich effizienter.
Die Hardcore vs. Casual-Debatte läuft schon länger. Was sagt ihr dazu?
Eric:Man kann nicht alle Spielelemente gleichschalten. Jemand, der 24/7 spielt wird einfach stärker im Spiel. Was wir tun können, ist für Gelegenheitsspieler eine Art Power-Plateau anzubieten. In einigen Spielen muss man sich Hochleveln und hat diese ganze Entwicklung vor sich - und das alles ist sehr, sehr hardcore. Man muss in einer Raid-Gilde oder ein hervorragender Einzelspieler im PvP-Modus sein. Wir wollen diese Leistungskurve für durchschnittliche Spieler erreichbar machen. Das kann heißen, dass es einfacher erreichbare Ziele gibt, um bestimmte Objekte zu bekommen. Wer ein bestimmtes Item sucht, muss in anderen MMOs oft Dutzende Male durch ein Dungeon, bis der Endboss endlich das richtige Teil fallen lässt. Und dann konkurrieren womöglich auch noch mehrere Spieler darum. Wir wollen den Spielern garantieren, dass sie ein bestimmtes Item bei bestimmten Ausgangsbedingungen wirklich bekommen.
Im ersten Guild Wars hatte ich meinen PvE-Charakter und meinen PvP-Charakter und die ganze Zeit wurden nach und nach Skills freigeschaltet - insbesondere mit dem PvP-Charakter. Man holt sich Punkte für jeden Sieg und investiert die dann in neue Skills oder Waffen. Gibt es das auch in Guild Wars 2?
Eric: Unser PvP-Modell beinhaltet derzeit keine Fähigkeiten, die mit der Zeit freigeschaltet werden. Jeder wird bei den Skills auf dem gleichen Level sein und die Sachen zum Freischalten werden nur kosmetischer Natur sein. Und dann gibt es World vs. World. Man nimmt einen PvE-Charakter und ist ziemlich nah an dem dran, was du beschrieben hast. Es gibt die normale Entwicklung des Charakters, bei der Fähigkeiten freigeschaltet werden und der Level steigt, aber es gibt auch Skills und Gegenstände. Wir haben diese beiden Konzepte getrennt, die PvP-Charaktere haben ein komplett ausgeglichenes Spielfeld und World vs. World bietet die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln.
Freischaltbares ist also eher kosmetischer Natur. Ihr habt bereits erwähnt, dass Titel freischaltbar sind, aber können auch andere Dinge auf diesem Weg freigeschaltet werden? Vielleicht auch Rüstungen?
Curtis: Das Ganze ist eher langfristig angelegt. Es sollen dazu dienen, sichtbar zu machen, dass man auf dem Weg ist, etwas zu meistern beziehungsweise es gemeistert hat. Die Titel dienen dazu, jeweils einen Endpunkt für alle Inhalte des Spiels zu markieren.
Ein weitere Aspekt in Guild Wars 2 ist die Persönlichkeit, etwas, das vorher Diplomatie genannt wurde. Es geht darum, wie nicht spielbare Charaktere (NPC) auf uns reagieren, aber funktioniert das mit dem eigentlichen Spielprinzip? Heutzutage erwartet man ja meist, sich ein Wiki anzuschauen, um zu wissen, wie ein Quest gelöst wird. Wird es tatsächlich das Spiel beeinflussen oder ist es mehr eine nette Dreingabe, dass man NPC nur so aus Spaß ins Gesicht schlagen kann?
Curtis: Persönlichkeit ist wirklich ein Rollenspiel-System! Es ist nicht dazu gedacht, um festzulegen, was man im Spiel machen kann, sondern wie man an Situationen herangeht. Wenn man zu einer Person kommt, die Buffs, spezielle Nahrung oder derartiges anbietet, dann werden die Handlungen des Charakters und die Reaktionen des Gegenübers von der Persönlichkeit beeinflusst. Aber es gibt für jeden Persönlichkeitstyp einen Lösungsweg. Und: Nur weil man einem Charakter begegnet, dem man ins Gesicht schlagen kann, heißt das nicht, dass sich derselbe Charakter in einen verlieben würde, wenn man ein anderer Persönlichkeitstyp wäre - obwohl wir natürlich versuchen, solche Möglichkeiten zu integrieren.
Es sieht also wirklich so aus, als ob das Persönlichkeitssystem und die Aktivitäten den Rollenspielern gute Gründe für Guild Wars 2 liefern. Wie wichtig ist diese Gruppe?
Eric: Sie ist uns ziemlich wichtig. Sowohl aus der Sicht von ArenaNet wie auch als Designer geht es doch immer darum, einen Hit zu landen und eine breite Masse von Menschen anzusprechen. Und wir haben uns früh unser Publikum angeschaut, dem wir gefallen wollen. Und das ist im Grunde jeder, der PC-Games mit Rollenspiel-Elementen spielt oder ihnen zumindest zugeneigt ist. Und das kann eine ziemlich bunte Mischung sein. Es gibt Menschen, die lieben Diablo und Borderlands und es gibt diejenigen, die Spaß an Planescape: Torment haben. Das eine ist Action, es gibt Lot und Hau-Drauf-Mentalität. Das andere ist mehr die Kategorie "Ich lese mir verzweigte Dialoge durch und kann mich dadurch in die Persönlichkeit der Charaktere hineinversetzen und die Story verfolgen". Wir wollen alle diese Leute möglichst gleichermaßen ansprechen, sie sind uns sehr wichtig. In den Aktivitäten spiegeln sich die sozialeren Spieler wider, die Städte erkunden und mit anderen Spielern quatschen und auch an Dingen Spaß haben, die keine Erfahrungspunkte bringen.
Guild Wars 2 soll eher eine offenen Welt zeigen und nicht so statisch sein wie die meisten MMOs derzeit. Ist das nicht unglaublich schwierig zu machen?
Eric: Ja. (lacht laut). Diese beiden Welten unter einen Hut zu bekommen, ist wahrscheinlich unsere schwierigste Aufgabe. Wir schauen uns andere Genres an, die ganzen Rockstar Games zum Beispiel, die oft eine ziemlich lineare Story haben, die mit einer offenen Welt verknüpft ist. Ich denke, für ein MMO ist es wichtig, die beiden Welten zu vermischen. Wir machen unsere Spielinhalte nicht zur Pflicht, die meiste Zeit kann man wählen, was man machen will. Wir haben in frühen Betatests gesehen, dass die Tester scheinbar durch andere MMOs geschult sind. Sie gehen an einem Mann vorbei, der um Hilfe ruft, nur weil sie keine Quest für ihn machen wollen. Als sie eine Weile Guild Wars 2 spielen, sagen sie: "Warte mal eine Minute! Der Kerl schreit wirklich um Hilfe? Er redet mit mir, auch wenn ich keine Quest für ihn mache... oh, das sind Banditen und brennen seine Felder nieder. Ich bin ein Held, da sollte ich wohl loslegen und die stoppen!" Die Spieler lernen diese Denkweise erst. Wir haben gesehen, dass viele Spieler wirklich diese Art von geleiteter Erfahrung wollen. Also ist unser Trick, sie durch das Spiel zu leiten und sie nebenbei wissen zu lassen, dass es diese offeneren Elemente gibt. Und wer dann von der Schiene abspringen will, entscheidet das selbst.
Wenn es um die Offene-Welt-Sachen geht, vergleicht das mal mit dem ersten Guild Wars, in dem es so etwas mehr oder weniger gar nicht gab, aber dafür die perfekte Umgebung existierte, um Geschichten zu erzählen. Habt ihr euch jemals so gefühlt, als ob ihr den harten Weg gegangen seid und wolltet ihr lieber wieder zurück in die sichere, instanzierte Welt von Guild Wars?
Eric:Wir fühlen uns sehr, sehr oft so, als hätten wir den harten Weg genommen.
Ben: Guild Wars war ziemlich gut darin, Handlungsstränge in Instanzen wiederzugeben und mit kleineren Gruppen von Spielern darin zusammenzuarbeiten und daraus eine wirklich einzigartige Erfahrung zu entwickeln. In Guild Wars 2 haben wir alles aus Guild Wars genommen, was wir vom Geschichtenerzählen und dem Entwickeln epischer Abenteuer gelernt haben. Den ganzen gelungenen, instanzierten Inhalt, den es in Guild Wars gab, haben wir genommen und ihn für Guild Wars 2 in ein einziges Werk übersetzt. Und währenddessen haben wir ein dynamischeres, offeneres Eventsystem eingeflochten.