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Die vermissten Games #2

Jahr für Jahr werden etliche Videogames angekündigt. Viele davon erscheinen später. Aber so manche verschwinden - plötzlich und oft genug für immer. Gamereactor hat sich durch die Archive gearbeitet und wichtige Relikte wieder ausgegraben. Hier ist Teil 2 der vermissten Games.

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Die vermissten Games #2

Indiana Jones
System: PS3, Xbox 360 | Entwickler: Lucasarts | Genre: Action
Wir schreiben das Frühjahr 2006. Es sind die Anfangsmonate einer neuen Konsolengeneration. Als Gerüchte aufkamen, dass wir bald wieder Indys Peitsche schwingen dürfen, haben wir uns voller Vorfreude die Hände gerieben. Dann die Gewissheit: Ein neues Indiana Jones ist in der Tat auf dem Weg, intern entwickelt von Lucasarts für die Playstation 3 und die Xbox 360. George Lucas wollte das Skript selber schreiben (vielleicht nicht unbedingt vielversprechend, aber zumindest ein Indiz für eine gewisse Art von Engagement). Und Lucasarts prahlt mit fetten Animationen und den Wundern, die die Euphoria-Engine von Natural Motion würde vollbringen können. Die Geschichte des Spiels war ein Jahr nach den Ereignissen des Films "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" angesetzt - und wir würden alte Feinde und treue Freunde aus den ursprünglichen Filmen wiedertreffen. So verging die Zeit. Lange Verzögerungen traten auf und wurden durch das Versprechen abgewiegelt, dass die Entwicklung reibungslos klappen würde. Es stellte sich heraus, dass Lucasarts dann doch die Jedi-Krieger ein bisschen lieber hatte als einen Archäologen - und so wurde mehr Kraft in die Herstellung von Star Wars: The Force Unleashed investiert. Als der vierte Indiana Jones- Film grünes Licht für die Produktion bekam, dachten wir, dass das Spiel dann passend veröffentlicht werden würde. Der Film kam, das Game nicht. Im Sommer 2009 zeigte der Abenteurer mit Hut sein wahres Gesicht - auf der Wii und der Playstation 2 unter dem Namen Indiana Jones und der Stab der Könige. Das HD-Schmankerl wurde ein mittelmäßiges Action-Adventure - und das nach all den Jahren der Arbeit und des Wartens.

Die vermissten Games #2

BC
System: Xbox | Entwickler: Intrepid, Lionhead Studios | Genre: Strategie
Gamedesign-Legende Peter Molyneux hatte Anfang 2000 zwei kleine Studios unter seine Fittiche genommen: Big Blue Box und Intrepid Games, zwei Satelliten von Lionhead.
Big Blue Box arbeitete an Fable, Intrepid an BC - beides waren ambitionierte Projekte. In BC spielten wir den Führer einer prähistorischen Gang, der seine Leute in einer unwirtlichen Welt gegen rivalisierende Stämme und brutale Dinos verteidigte. Im Spiel war ein komplettes Ökosystem integriert, die Tiere interagierten sogar mit verschiedener Intelligenz in Abhängigkeit ihrer Rolle im Ökosystem. Das Gameplay schwankte zwischen Puzzle-Aufgaben und purer Action - ein zu großer Spagat, denn im Oktober 2004 war Schluss. Vermutlich lag es daran, dass das Spiel zum Launch der Xbox 360 niemals fertig geworden wäre. Ein Jahr später kaufte Microsoft die Lionhead Studios dann komplett.

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Die vermissten Games #2

This is Vegas
System: PC, PS3, Xbox 360 | Entwickler: Surreal Software | Genre: Action
Las Vegas ist ein guter Schauplatz für ein Videospiel.
Die Zutaten dafür sind ebenso unbezahlbar wie auch vielfältig: Neonlichter, völlig absurde Casino- Hotels, Glanz und Glamour, luxuriöser Lebensstil und verlorene Existenzen. Ob wir in dieser sündigen Stadt nun Zombies in Dead Rising 2 umnieten oder sie in einer fiktiven Zukunft in Fallout 3 erkunden, es ist immer verlockend in Vegas. Daher finden wir es mehr als sträflich, dass This is Vegas eingestellt wurde - sowohl wegen des Inhalts als auch der Tatsache, dass es sich um ein Action-Spiel mit offener Welt handelte. Die Idee war wirklich gut. Surreal Software schusterte eine Welt zusammen, die uns Missionen auf der allerbuntesten Spielwiese der USA erledigen ließ. In bester Grand Theft Auto-Manier nahmen wir es mit dem Schurken Preston Boyer auf, der Las Vegas doch tatsächlich familienfreundlicher machen wollte. Wahnsinn. Wir werden nie die Chance bekommen, die Stadt mit Hilfe von Wein, Weib und Gesang - und den entsprechenden exotischen Bars - noch verlockender zu machen. Und der Grund ist wie so oft das liebe Geld. Zuerst sollte ja Midway This is Vegas veröffentlichen. Mehr als 40 Millionen Dollar steckten in dem Projekt, aber nach finanziellen Schwierigkeiten wurden Teile des Unternehmens an Warner verkauft - inklusive dem Projekt This is Vegas. Und Warner machte was? Stellte das Projekt aufs Abstellgleis, weil sie nicht ans coole Konzept glaubten - und Surreal Software bekam neue Aufgaben. Im Ergebnis war dies einer der teuersten Entwicklungsstopps in der Spielegeschichte. Und was lernen wir daraus? Wer Vegas erobern will, muss dafür oft sein letztes Hemd hergeben...

Die vermissten Games #2

Redwood Falls
System: PS3 | Entwickler: Kuju Entertainment | Genre: Action
Das Horror-Genre zu überdenken, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr, auch wenn ein Spiel wie Alan Wake einen neuen Ansatz gewählt hat. Redwood Falls war ähnlich. Es drehte sich um die Stadt Redwood in Alaska und erinnerte stark an die Geschichte von Remedys gequältem Schriftsteller. Redwood Falls war eine dörfliche, aber trotzdem wuchtige, idyllische, amerikanische Kleinstadt, wie es sie heute in Alaska tatsächlich geben könnte. Aber hinter der Idylle und Freundlichkeit der kleinen Stadt brodelte ein dunkles Geheimnis, das die Menschen und Tiere bald bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Und so packte die Nachbarschaft bald schärfere und weniger freundliche Methoden aus als üblich. Das allein war jedoch nicht genug. Ein paar Jungs mit militärischer Ausbildung und einem großzügigen Budget von höchster Stelle wollten auch mitspielen - und wir hatten als Held damit eine anständige Ausgangsbasis. Horror aus der First-Person-Perspektive hinzubekommen, das ist für gewöhnlich ziemlich schwierig, aber dieses sehr ambitionierte Spiel punktete mit unkonventioneller Präsentation, seiner dichten Atmosphäre und einem Spielkonzept, das sich neu anfühlte. Anders als sonst ging es nicht darum, den Gegner in seine Einzelteile zu zerlegen. Die Idee war es, sich auf Fallen und Feuer zu verlassen. Die Entwicklungszeit lag bei nur vier Monaten. Und obwohl viele Journalisten mochten, was sie zu sehen bekamen, wurde das Projekt nicht weiter verfolgt. Redwood Falls wurde schlicht und ergreifend auf Grund von Geldproblemen einfach eingestellt.

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Die vermissten Games #2

Coded Arms Assault
System: PS3 | Entwickler: Konami | Genre: Action
Wie steuert man ein böses Unternehmen in der Zukunft? Via Cyberspace natürlich. In Konamis Playstation 3-exklusivem Action-Adventure sollten wir die Rolle eines Super-Hackers übernehmen und all die bösen Sicherheitsprogramme killen. Gemeinsam mit bis zu drei Freunden sollten wir im Koop Computerviren downloaden, um einen Cyberkrieg zu gewinnen. Coded Arms Assault sah super aus und hatte einen tollen, eigenen Style. Und weil es im Cyberspace spielte, hätte sich das Szenario ja quasi auch beliebig verändern können. Konami hatte sogar einen heftigen Multiplayer für bis zu 16 Spielern bereits fertig, als sie irgendwann 2006 ihre Meinung änderten und das Spiel von der Release- liste verbannten. 2007 bestätigten die Japaner, dass die Entwicklung offiziell eingestellt wurde.

Die vermissten Games #2

Eight Days
System: PS3 | Entwickler: Sony London | Genre: Action
Es ist ziemlich schwierig, die Pressekonferenz
von Sony auf der E3 2006 nicht zu vergessen. Die Playstation 3 präsentierte sich mit all ihrem Glanz. Auf der Bühne stand ein hocherfreuter Ken Kutaragi mit einem Playstation 3-Controller in der Hand und im Hintergrund liefen Bilder über den Schirm, die uns den Atem verschlugen. Tekken 6, Killzone 2, Gran Turismo 5, Resistance und... Eight Days. Eight Days war ein ambitioniertes und vom Konzept her spannendes Actionspiel von Sonys London Studios. Die Geschichte war zweigeteilt und drehte sich um einen bösen und einen guten Charakter. Beide durften wir gleich von Anfang an auswählen. Beide hatten denselben Auftrag: Krieg gegen ein finsteres Verbrechersyndikat zu führen - nur die Motivation war für beide eine andere. Der gute Charakter wollte nur seine entführte Tochter befreien, während der coole Bösewicht gegen jene vorging, die ihm sein Vermögen genommen hatten. Eight Days basierte auf einem Tagesrhythmus, der sich an der Realität orientierte und dafür die interne Uhr der Konsole nutzte. Die Idee war, dass das Spiel tiefschwarz war, wenn man es in der Nacht spielte und umgekehrt. Angedacht war auch, dass Eight Days in acht Tagen gespielt wird und dabei an acht verschiedenen Orten spielt - was es wohl zum größten Actionspiel aller Zeiten gemacht hätte, wenn wir nach der reinen Spielwelt gehen. Aber Sonys Führung entschied sich anders, sie mochten die Spielmechanik nicht und fanden es unerträglich, dass ein Online-Modus fehlte. Darauf folgte der Entwicklungsstopp. Leider, leider...

Die vermissten Games #2

Heist
System: PC, PS3, Xbox 360 | Entwickler: Inxile Entertainment | Genre: Action
San Francisco in den späten Sechzigern. Selbst die erfahrensten Bankräuber brauchen einen Anführer, der Überfälle durchdenkt und die Gangsterbande zum Erfolg führt. Die Rolle des Meisterdiebs, der Banken mit einer ordentlichen Portion Strategie und seinem rücksichtslosen Fahrstil leer räumt, fällt selbstverständlich uns als Spielern zu. Das Codemasters-Projekt im Stil von The Getaway und der Grand Theft Auto-Reihe wurde vom The Bard's Tale-Macher Inxile Entertainment entwickelt. Das Konzept sah vor, dass wir als Boss die strategischeren Aufgaben eines Bankraubs übernehmen sollten. Nach dem Motto: Die richtige Person am richtigen Ort platzieren, korrekt mit der verängstigten Menge umgehen oder etwa dafür sorgen, dass die Sicherheitskameras außer Gefecht gesetzt sind. Das klingt nicht mal dumm. Ganz im Gegenteil, es ist eine hervorragende Idee. Wir haben uns darauf gefreut, den perfekten Plan auszuarbeiten, um in San Francisco Banken zu knacken. Das alles eingetaucht in ein Setting, das die amerikanische Westküste während der Hippie-Zeit zeigt. Aber Heist durfte nie antreten. Wieder einmal hat die harte Realität über die vielversprechende Vorstellung gesiegt. Denn Codemasters hatte ein Problem: Die intern entwickelten Spiele wie Colin McRae: Dirt 2 und Operation Flashpoint 2 waren gut, aber externe Entwicklungen hatten zu kämpfen. Zwischen den Zeilen war zu lesen, dass Heist dem Anspruch nicht gerecht wurde, denn man wollte sich "auf hochwertige Titel konzentrieren". Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es neue Serien haben, zu wachsen, wenn eine Fortsetzung eher eine sichere Bank ist. Die Entscheidung von Codemasters mag gut begründet sein, aber auf lange Sicht gesehen hoffen wir, dass das Heist-Beispiel keine Schule macht.

Die vermissten Games #2

Halo Universe
System: Xbox 360 | Entwickler: Ensemble Studios | Genre: Onlinerollenspiel
Bereits 2005 tauchten erste Berichte auf, dass die ehrwürdigen Ensemble Studios an einem beeindruckenden Onlinerollenspiel arbeiten. Mehr war aber nicht bekannt und das Studio war mit dem Master Chief schließlich bis dahin nicht vertraut. Aber dann 2006, nach der Ankündigung von Halo Wars, ging es mit Gerüchten um ein MMORPG im Halo-Universum los. Ende 2007 gaben die Ensemble Studios dann plötzlich an, dass eine Menge Leute an einem großem Projekt arbeiten würden, aber vor Ende 2008 gab es dazu noch immer keine Informationen. Dann gab Microsoft die plötzliche Schließung des Entwicklerstudios bekannt. Zu dieser Zeit war Halo Wars noch nicht erschienen, aber als so viele Leute auf einmal auf der Straße saßen und in Lebensläufe für potenzielle Arbeitgeber schrieben, woran sie bisher gearbeitet hatten, war es auf einmal offiziell: Halo Universe. Das Spiel war wahrscheinlich bereits in der Entwicklung sehr weit fortgeschritten. Warum es dann gestoppt wurde, hat Microsoft nie beantwortet. Ehemalige Studio-Mitarbeiter haben jedoch durchaus selbstkritisch bemerkt, dass sie Schwierigkeiten hatten, Deadlines einzuhalten und häufig sehr ineffizient arbeiteten - was eben auch zur Schließung führte. Und sie sprachen in dem Zusammenhang auch von Halo Universe.

Zu Teil 1 der vermissten Games geht es hier.



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