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Deus Ex: Human Revolution

Deus Ex: Human Revolution

Deus Ex: Human Revolution will beides sein: ein innovativer Action-Shooter und ein tief greifendes Rollenspiel mit großer Geschichte. Die Chancen stehen gut, dass dieses Experiment gelingt - davon haben wir uns in einer Session mit dem Spiel selbst überzeugt.

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Da stehe ich nun als Adam Jensen. Bin halb Mensch, halb Maschine, ehemaliger SWAT-Spezialist und nun ein Sicherheitsagent im innovativsten Biotech-Unternehmen der USA. Und diskutiere in einem schmucklosen Büro mit einem abgerockten Typen, der einer armen Angestellten von Sarif Industries seine Knarre an den Schädel drückt. Sein Finger sitzt locker am Abzug. Geduldig versuche ich ihn davon zu überzeugen, dass das alles hier keine gute Idee war. Dass er betrogen und benutzt wurde. Nach mehreren Diskussionsrunden mit drei Optionen glaubt er mir. Er lässt die Frau ziehen.

In einem Paralleluniversum liegt derweil genau dieser Typ gerade neben seiner Knarre tot auf dem Boden. Die Frau, sie heißt Josie Winters, fragt uns verstört, ob wir ihren Ehemann retten konnten, der in dem Trubel hinter uns sein Leben ließ. In einer weiteren Realität gehen die Verhandlungen mit dem Typen namens Zeke Sanders schief. Josie Winters stirbt.

Drei von vielen möglichen Resultaten einer Situation in Deus Ex: Human Revolution. Diese Gespräche erinnern an Alpha Protocol oder Mass Effect, man kann seine Emotionen in Relation zum Gesprächspartner steuern. Jede dieser Entscheidungen hat Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf und verändert ihn. Wenn man es schafft, den Kidnapper am Ende des Levels davon zu überzeugen, Josie Winters nicht umzubringen, wird sie uns im nächsten Level in Chicago ziemlich schnell kontaktieren und mit neuer Ausrüstung versorgen. Und selbst Zeke, dem wir die Augen geöffnet haben, wird eine Art Freund und hilft uns später womöglich nicht nur einmal. Jede Entscheidung beeinflusst also den weiteren Spielverlauf - mal stärker, mal nur im Detail und kaum realisierbar.

Deus Ex: Human Revolution
Im Nahkampf ist Adam Jensen eine Wucht, wenn er die richtigen Verbesserunegn eingebaut hat.
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Vor Deus Ex: Human Revolution gab es lange kein Spiel, dass auf dem Papier so spannend klingt. Die Mischung aus Action-Shooter und Rollenspiel ist extrem verführerisch. Bei einem Blick in die jüngere Vergangenheit drängt sich Borderlands sofort auf, irgendwie auch Phantasy Star Online und natürlich die beiden Mass Effect-Teile oder Alpha Protocol. Keines dieser Spiele aber ließ uns so viel spielerische Freiheit, ermöglichte so viele verschiedene Wege.

Es ist vor allem die Art, wie man sich entscheiden kann, das Spiel zu spielen und eine Situation zu lösen, die das Spielgefühl so wunderbar macht. Man kann Gegner töten, unbemerkt hinter ihnen vorbei schleichen, Computersysteme hacken, um Überwachungskamera und Turrets zu manipulieren oder sozialen Fähigkeiten einsetzen, um Schlüsselfiguren zum Reden zu bringen. Und es gibt zahllose Nuancen dazwischen. Deus Ex: Human Revolution spielt sich wirklich ungemein unterschiedlich. Es wechselt vom Stealth- zum In-your-Face-Action-Shooter - und zwar leichtgängig wie kaum ein anderes Game. Und es ist ein ziemlich spannendes Rollenspiel dazu.

Für alle Arten, die Haupt- und optionalen Nebenaufgaben einer Mission zu klären, gibt‘s Levelpunkte, die wiederum dazu beitragen, Praxis-Punkte freizuschalten. Manchmal findet man die auch so im Spiel oder bekommt für besonders gut gelöste Aufgaben extra welche geschenkt. Für die Praxis-Punkte darf sich Adam neue Augmentationen kaufen, nützliche Erweiterungen für seine bionisch modifizierten Körper. In sieben Kategorien müssen wir uns entscheiden, alles Aufzuleveln ist unmöglich. Das Gehirn, der Torso, die Arme, die Augen der Rücken, die Haut und die Beine können modifiziert werden. Im Gehirn werden zum Beispiel der Radar, ein Wegfinder, Stealth- und Hacking-Fähigkeiten gesteuert.

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Der auf Schwarz und Gold fokussierte Farbstil passt hervorragend zum düsteren Zukunftssetting.
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Ich habe viele Punkte ins Hacking investiert: verlangsamte Erkennung meiner illegalen Aktivitäten im Netzwerk, dazu die Live-Analyse von Nodes vor dem Hack, um bessere Wege zu finden. Das Hacking ist ein eigenes Minigame, wo man sich von Node zu Node durch ein Rechnersystem bewegt, um die Registry zu kapern. Anti-Virensoftware jagt einen dabei, die lässt sich aber mit verbesserten Augmentationen aushebeln. Manchmal spalten sich die Augmentationen auf und es gibt zwei Wege. Beim Hacking kann man sich zum Beispiel dafür entscheiden, entweder bis zu mit Level 5 verschlüsselte Terminals automatisch hacken zu können oder Kameras, Turrets und Roboter zu deaktivieren, die an Sicherheitsterminals gelinkt sind.

Im Torso lassen sich Energie, Selbstheilung verbessern, auch eine fiese Nahkampfbombe ist dort im Angebot. Der Arm kann zum Heben von schweren Gegenständen aufgerüstet werden oder um mit ihm Gegner durch jede Wand hindurch erledigen zu können. Die Beine machen mit Upgrades leiseres Springen oder Herunterspringen möglich. Die Haut kann gehärtet werden oder eine Unsichtbarmach-Funktion verpasst bekommen. Einen Fallschirm gibt‘s auch, ebenso den Skill, im Nahkampf mehrere Gegner auf einmal zu erledigen.

Die Art und Weise, wie man seinen Helden verbessert, definiert in der Folge dann ziemlich massiv, wie sich das Spiel spielt. Ruhiger und besonnener, taktierend und hinterhältig oder mit der Brechstange und Feuerkraft.

Deus Ex: Human Revolution
Im Labor fliegen die Gegner in die Luft, wenn man auf die Sauerstofftanks zur ihren Füßen schießt. Ein leiseres Vorgehen ist aber fast immer erfolgreicher.

In jedem Fall bleibt es ein Action-Shooter aus der Egoperspektive. Aber eben einer, wo man selbst die Intensität und Art der Gewalt bestimmt. Adam kann Gegenstände aufnehmen, um mobile Deckung zu haben, Geheimgänge freizulegen oder damit die Gegner niederstrecken. Via Knopfdruck bewegt er sich von Deckung zu Deckung - eine bekannte und gut funktionierende Action-Shooter-Mechanik. Leider existiert keine Physik für Gegenstände jenseits derer, die man explizit aufheben darf. Es fliegt nix um oder zersplittert effektvoll, auf das geballert wird - dafür hätten die Ressourcen nicht gereicht, erklärt Gamedesigner Francois Lapikas.

Das schadet ein wenig dem sonst durchgängig guten Look des Spiels. Selten ist eine Zukunftsvision in einem Videospiel schöner und düsterer eingefangen worden. Akira und Blade Runner gehen einem durch den Kopf, aber auch die anderen Romane von Philip K. Dick scheinen sich in der Welt irgendwo zwischen Robotern und Menschen widerzuspiegeln. Es ist Science Fiction wie man sie liebt: etwas trist, dann wieder glänzend wie eine verrückte Neonreklame, dazu Laboranlagen mit passend unpassenden Büropflanzen und reichlich absurden Forschungsgerät.

Die Künstliche Intelligenz der Gegner verdient ihren Namen nicht immer. Anders gesagt: Die Typen sind gelegentlich ziemlich dumm. Sie hören uns laufen, reagieren aber doch fragwürdig. Etwa, als sich alle sechs Angreifer zu einem Maschinengewehrkonzert auf einer Treppe versammeln, unter der ich hocke. Sie haben alles versucht, um den Beton wegzuschießen, genützt hat es nichts. „An solchen Fehler wird aber explizit noch gearbeitet", relativiert Francois Lapikas. Leichte, mittelschwere und harte Gegner patrouillieren in den Levels, je nachdem, welche Waffen und welche Rüstung sie tragen. Ist ein Gegner erledigt, kann man ihn durchsuchen und wertvolle Zugangskarten finden ebenso wie Munition und Credits. Seine Waffen liegen auch neben ihm herum.

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Später geht es nach draußen, in eine ebenso düstere Welt... aber wer schlau spielt, hat Hilfe von neuen Freunden.

Apropos Waffen. Die lassen sich natürlich auch verbessern, etwa mit explosiver Munition. Unendlich viele davon kann Adam natürlich nicht mitschleppen, denn er hat nur begrenzt Platz. Das System dafür ähnelt dem von Resident Evil. Das Inventory für Waffen, Munition und sämtliche relevanten Gegenstände wie Sicherheitskarten sind in ein Kästchenheft einsortiert. Acht mal acht Kästchen sind es am Anfang, auf bis zu acht mal vierzehn ist es aufrüstbar. Eine Maschinenpistole nimmt drei mal vier Plätze ein, ein Sturmgewehr zwei mal sechs. Doch Adam Jensen kann nicht nur schießen, er kann auch zuschlagen. Gegner lassen sich dabei entweder töten oder betäuben.

Richtig negativ aufgefallen ist mir nur eine von Fallout 3 aus anderen Gründen bekannte Marotte, die auch bei Deus Ex: Human Revolution greift: Man speichert zu häufig ab. Das liegt einerseits an ungünstig gesetzten Auto-Speicherpunkten aber auch daran, dass das Spiel einfach so hart ist. Man stirbt schnell. Wenige Treffer reichen, um den Bildschirm feuerrot zu umranden - und dann gehen die Lichter fast immer aus. Wer realisiert hat, dass dies kein Spiel für Speed-Runs ist, dem ergeht es besser. Die Kamera kann auch ein bisschen langsam sein, ebenso wie das Zielen. Aber vielleicht wird man hier auch nur bewusst ein bisschen ausgebremst, um eben nicht in den üblichen Shooter-Rush-Wahnsinn zu verfallen. Ist ja auch ein etwas anderer Action-Shooter, dieses Deus Ex: Human Revolution.

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