Mit einem Ring fing alles an: Schwefelige Luft, verbrannte Erde und klirrendes Metall, das im ohrenbetäubenden Dröhnen des Kriegshorns untergeht - die Schlacht in Mittelerde ist eine der gewaltigsten im Fantasygenre. Auch in Der Herr der Ringe: Krieg im Norden tobt der Krieg weiter. Das Spiel erzählt eine von der Romanvorlage losgelöste Handlung, ohne sich jedoch zu stark von Tolkiens Werk zu entfernen. Während Frodo Beutlin und seine Gefährten gen Süden reisen, um den Ring zu zerstören, zieht es uns im Spiel in den Norden. Und damit in ein noch verborgenes Kapitel des Herr der Ringe-Universums.
Neben bekannten Schauplätzen wie Bruchtal oder dem Auenland führt uns der Kreuzzug in überwiegend fremde Gegenden, die Fans aber aus dem ein oder anderen Buch kennen dürften. Und natürlich feiern nebenbei auch mit Aragorn, Gandalf und Co. prominente Gesichter ihren Auftritt. Doch anscheinend hatte es Snowblind nicht nötig, die Geschichte mit hübschen Zwischensequenzen zu verknüpfen. Stattdessen lauschen wir in Spielgrafik gehaltenen Dialogen oder bestaunen hin und wieder kleinere Kamerafahrten durch die linearen Levels. Letztlich ist das aber weit von der imposanten Inszenierung der Filme entfernt und mehr als ernüchternd.
Gefochten wird der Kampf zu dritt in einer Heldengruppe, bestehend aus einem Waldläufer, einer Elfin und einem Zwerg. Das Dreiergespann deckt damit die rollenspieltypischen Klassen des Nah- und Fernkämpfers sowie des Magiers ab. Spielt man alleine, werden die verbleibenden Recken von der passablen Künstlichen Intelligenz gesteuert. Man kann sich aber natürlich auch im Koop-Modus mit zwei menschlichen Mitstreitern durch die hässlichen Gegner metzeln, was deutlich mehr Freude bereitet.
Obwohl der kleine, stämmige Zwerg eindeutig den Haudrauf und der gewandte Waldläufer den Bogenschützen verkörpert, verfügt keiner der Charaktere über rasseneigene Attribute. Theoretisch ist es also möglich, auch als Klon-Gimli mit der Armbrust zu feuern und sich als Legolas-Verschnitt in den Nahkampf zu wagen, da für jeden Helden entsprechende Waffen existieren. Das Zaubern von Auren und Feuerbällen bleibt indes allein der Magierin vorbehalten. Man sollte sich dementsprechend im Team für jeweils eine der drei Heldenklassen entscheiden und nicht etwa als Kriegertrio losziehen, denn vor allem im fortgeschrittenen Spielverlauf sind die individuellen Fähigkeiten jedes Einzelnen überlebenswichtig.
Das Spielprinzip läuft nach dem altbekannten Muster ab: Wir kämpfen (oder zaubern) uns durch allerhand Mutantenviecher und sammeln Gold, Ausrüstung und Erfahrungspunkte und steigen dadurch im Level auf. So verteilen wir Punkte unter anderem auf Gesundheit, Regenerationsrate und Stärke unseres Helden; Das Herzstück des Charaktersystems schlummert jedoch im Talentbaum. Dabei steht jeder der drei Äste für eine eigene Spezialfähigkeit und somit auch für eine andere Spielweise. Beispielsweise machen wir mit der Fähigkeit Entrinnen den Waldläufer für kurze Zeit unsichtbar und schlagen daraufhin aus dem Hinterhalt zu. Wer‘s offensiver mag, kann hingegen mit zwei Einhandschwertern den Orks einen Scheitel ziehen oder einen ganzen Pfeilhagel auf die Meute herabregnen lassen. Sich zu verskillen, ist so gut wie unmöglich. Und falls man mit seiner Verteilung dennoch mal unzufrieden sein sollte, kann man die Talente mithilfe eines käuflichen Tokens zurücksetzen.
Wo anfangs noch stupides Tastendrücken zum Erfolg führt, gestaltet sich die Prügel-Action zunehmend mühsamer. Die Gegner stecken mehr Treffer ein und teilen kräftiger aus. Spätestens in den anspruchsvollen Bosskämpfen ist jeder auf das Können des anderen angewiesen. So heilt die Elfin immer wieder ihre Kumpanen und steckt sie unter ein lebensspendendes Schutzzelt, wohingegen der Waldläufer Orks, Skelettkrieger und schlurfende Zombiegeister aus der Distanz beharkt. Dank flüssigen Animationen und kleineren Splattereffekten samt Zeitlupenszenen unterhalten die Gefechte gut genug, um über das monotone Missionsdesign hinwegzutrösten. Denn abgesehen von lächerlichen Schalterrätseln geht es ausnahmslos ums Metzeln.
Trotzdem verschenkt das Spiel viel Potenzial, und wenn man über die anfängliche Euphorie des Settings hinweg ist, registriert man, dass die aus mehreren Abschnitten bestehende Welt kaum Höhepunkte bietet. Klar, wenn plötzlich ein riesiger Troll durch die Wand bricht und brüllend auf uns zustampft, ist das zuerst eine Überraschung. Wenige Schritte später aber gleich zwei Biester derselben Art besiegen zu müssen, ist einfach nur zermürbend. Zumal uns das Spiel regelmäßig unaufhörliche Gegnerwellen vor den Latz wirft, die wir alle schlachten müssen, ehe sich irgendwo ein Türchen öffnet. Momente, in denen etwa unser vom Himmel herabstürzender Adler halbe Burgmauern mit in den Abgrund reißt, gehören zu den absoluten Ausnahmen.
Zum Glück ist da noch die motivierende Itemjagd: In Truhen finden wir regelmäßig neue Ausrüstungsgegenstände für jeden Recken, die wir untereinander tauschen dürfen. Einige der Kluften, Äxte und Schwerter können wir sogar mit Edelsteinen verzieren und so von netten Boni profitieren. Zudem ist jeder Lumpen tatsächlich an unserem Körper sichtbar, die Gegenstände unterscheiden sich optisch aber nur marginal voneinander. Vorbildlich ist hingegen das Inventar, das uns mit einem Sternchen über neue Rüstungsteile informiert und in einem separaten Fenster direkt vergleicht.
Mit der Zeit erhalten wir Zugang zu speziellen Arenen, in denen wir Monsterwellen überleben müssen. Obwohl die Künstliche Intelligenz durchweg passabel reagiert und uns fleißig wiederbelebt, sind die Arenakämpfe nur mit menschlichen Mitstreitern und einer fortgeschrittenen Charakterstufe zu schaffen. Letztlich macht man aber nichts anderes, als abermals die beiden Schlagknöpfe zu malträtieren. Abseits der Scharmützel kann man übrigens noch Pilze sammeln und Tränke brauen oder geheime Verstecke lüften (jeder Held besitzt eine persönliche Gabe), allerdings fehlt es hier wie da an Abwechslung.
Wenigstens die Kulissen unterscheiden sich in jedem größeren Abschnitt. Wir kloppen uns durch vernebelte Gebirge, verwinkelte Burgen und vermoderte Gräber. Und das für eine ganze Weile: Mitunter dauert es eine Stunde, bis man ins nächste Areal vordringen darf. Bis dahin wiederholen sich die Umgebungstexturen in einer Tour. Überhaupt scheint die veraltete Grafik nicht von Gandalf gesegnet zu sein: karge Texturen und blasse Farben - wie soll da Atmosphäre aufkommen? Immerhin brillieren alle Figuren mit einer guten deutschen Synchronstimme. Den actiongeladenen Kämpfen jedoch mangelt es an Vielfalt und Spektakel. Begeistern wird Der Herr der Ringe: Krieg im Norden höchstens eingefleischte Fans. Für spaßige Koop-Abende zu dritt taugt der Mittelerdeausflug mit einem motivierenden Charaktersystem und flotten Kämpfen aber allemal.