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Anno 2070

Anno 2070

Vor zwei Wochen lud Ubisoft nach Mainz. Im Grunde war damit eigentlich auch schon klar, worum es sich bei dem unangekündigten Projekt handeln muss. In Mainz in der Römerpassage sitzt Related Designs, Entwickler von Anno 1701 und Anno 1404, das mit Preisen und Lob nur so überschüttet wurde. Es war also ein offenes Geheimnis, dass uns am 31. März der nächste Teil der vor allem in Deutschland beliebten Anno-Serie präsentiert werden würde.

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Man muss sich das jetzt ungefähr so vorstellen: da sitzen eine Hand voll Journalisten um einen Tisch herum mit Vertretern von Related Designs, Blue Byte und Ubisoft - darunter Creative Director Dirk Riegert und Christopher Schmitz als ausführender Produzent. Vor uns ein Bildschirm mit dem Logo von Anno 1305. Dann folgen ein paar einführende Worte. Es hätte viele Vorüberlegungen gegeben, in welche Richtung sich die Serie entwickeln könnte. Mit Anno 1404 wäre schließlich alles erreicht worden und das Gameplay in seiner bisherigen Form ausgereizt. "Jetzt müssen wir einen großen Schritt machen", sagt Schmitz. "Revolution statt Evolution", und dann startet er den Trailer.

Langsam schiebt sich das Anno 1305-Logo beiseite und eine Welt wird sichtbar, die gar nicht mehr so hübsch und beschaulich wirkt wie die aus den bisherigen Spielen. Detailliert offenbart sich da keine historische Vergangenheit, nein, dass sieht aus wie eine Zukunftsvision - eine ziemlich triste dazu. Eine rostbraune Landmasse, auf der alles mechanisiert scheint, selbst die Holzfäller sind Roboter. Schweine fahren auf Förderbändern in eine Fabrik, Felder werden bewässert. Wir starren noch immer gebannt auf den Bildschirm, scheinen alle noch auf irgendetwas zu warten. Eine Auflösung für das Gezeigte und wenn es nur "April, April!" ist. Was ist das für eine Zukunftsvision? Was ist das für ein Anno?

Es ist Anno 2070. Ein Anno mit einer deutlich weiterentwickelten Wirtschaft und doch sind es Dinge wie etwa die Schweine, die uns dann irgendwo doch an den Klassiker erinnern. Es ist realistischer, wirkt erwachsener. Christopher Schmitz versichert uns, dass es sich um keinen Aprilscherz handelt. Im nächsten Teil wollen sich die Entwickler der Frage widmen, was aus unserer Welt in der Zukunft wird. "Jeder kann unterschiedliche Strategien entwickeln", sagt Schmitz. "Es muss nicht immer Schwerindustrie sein, der Spieler kann auch versuchen, nachhaltiger zu sein."

Anno 2070
Im Jahr 2070 sind die Meeresspiegel angestiegen und übrig blieben kleine Inseln wie diese, die von Tycoon-Fraktion besiedelt wurde.
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Es folgt ein Video mit einer deutlich entspannteren Insel. Wir sehen grüne Blumenwiesen, kleinen Häuser und dazwischen Windräder. Ein bisschen wirkt es wie diese Wagenburgen, in denen Menschen wie in einer Art von Kommune zusammenleben und trotzdem ist alles etwas futuristisch angehaucht. Zwischen den Wolken sorgt ein Ozonmaker für saubere Luft. Diese Welt hat auch deutlich mehr mit dem zu tun, was wir bisher kennen, aber auch sie ist nur ein Ausschnitt. Beide Varianten, die der Ecos, wie sie Related Designs nennt, und die der Tycoons, haben jeweils Vor- und Nachteile.

Bevor die Arbeiten an Anno 2070 losgingen, haben sich die Entwickler belesen und Informationen eingeholt. Sie haben zum Beispiel mit etlichen Zukunftsforschern an Universitäten gesprochen, um sich daraus ihre eigene Vision von der Welt von Übermorgen zu bilden. Dabei war die Vorgehensweise gar nicht so unterschiedlich zu den bisherigen Anno-Spielen. Auch die waren historisch nicht immer korrekt und ihnen fehlte der echte Bezug zur Vergangenheit. Sie basierten nur auf dem, was wir von der Zeit wissen. Aber die Spiele zeigten eine Welt, wie sie funktioniert hätte, obwohl sie fiktiv war. Genau darin versucht sich das neue Spiel im Grunde auch - nur das es eben noch keine Fakten darüber gibt, was in sechzig Jahren sein wird. Anno 2070 ist so gesehen fantastisch. Selten entwickeln Spiele eine glaubwürdige so weitreichende Zukunftsvision. In Büchern und Filmen sehen wir das manchmal, aber Spiele bauen sich oft ihre eigene, kleine Welt, die mit der realen kaum etwas zu tun hat.

Eine Frage drängt sich aber trotz aller Euphorie über diese schöne, neue Welt auf. Warum heißt das Spiel eigentlich immer noch Anno? Sid Meyer schob sein Civizilization schließlich einfach nach Alpha Centaury - ein ebenfalls fantastisches Spiel, nur eben mit einem ganz anderem Hintergrund. Schmitz erklärt uns, dass der Vergleich sicherlich nahe liegt, aber Anno 2070 ein echtes Anno sei, auch wenn es nicht so aussehe: "Wir wollten kein Science Fiction-Spiel entwickeln - also keine Außerirdischen und keine Space Opera." Es gibt weiter klassische Elemente wie Inseln, Handel oder Schiffe. Aus der Ferne wird sichtbar, was er meint. Wir befinden uns am Hafen, es herrscht geschäftiges Treiben und viele Menschen sind unterwegs - das ist Anno, so wir wir es kennen. Aber beim Aufbau unserer Zivilisation sind wir nicht nur einfach auf Werkzeug und Baustoffe angewiesen. Wir brauchen in dieser hochtechnisierten Welt eben auch Energie und daran gebunden ist die Ökologie.

Anno 2070
Die zweite Fraktion sind die Ecos, deren Siedlungen fast Wagennburg-Charakter haben und in der Luft schwebt ein Ozonmaker.
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In Anno 2070 gibt es mindestens zwei große Fraktionen. Die Ecos, die die so genannten "Schönbauer" ansprechen sollen. Sie sind nachhaltig, grüner und die Gebäude eben schöner. Die Tycoons wiederum sind ziemlich effizient, aber ihre Gebäude schauen eher schmutzig aus. Related Designs hat eine Weile an beiden Arten gefeilt, damit beispielsweise die Ecos nicht wie uncoole Müsli-Ökos daherkommen. Diese beiden Gruppen scheinen mehr oder weniger auch das bisherige Konzept der Bevölkerungsentwicklungsstufen abzulösen. Ecos etwa sind anspruchsvoller, aber sie liefern auch mehr Steuern als die Tycoons. Aber die beiden können auch ganz gut koexistieren. Und das kommt uns doch irgendwie bekannt vor...

Allerdings ist nicht alles so schlicht Gut und Böse wie es scheint. Die Spielwelt ist dynamisch und es gibt zwischen den beiden Extremen sehr viele Facetten, die fließend ineinander übergehen. Viel verraten wollten sie uns noch nicht, aber offensichtlich gibt es mehrere Organisationen, denen wir uns anschließen können. Organisation die vielleicht mit Greenpeace, der Nato oder auch einzelnen heute existierenden Staaten vergleichbar sind. Diese stehen dann jeweils für die Fraktion der Ecos oder der Tycoons. Die Organisation, der wir uns anschließen, stellt dann auch bestimmte Dinge zur Verfügung. Aber das Konzept ist nicht so starr wie bei den vergangenen Spielen - wer Anno 1404 gespielt hat, erinnert sich wahrscheinlich an Orient und Okzident. Auch wenn wir uns nun anfangs für eine Organisation entschieden haben, können wir später einfach wechseln, die Spielweise ändern und andere Gebäude bauen.

Städte wird es in Anno 2070 natürlich auch wieder geben. Aber während in der Vergangenheit mehr in die Fläche gebaut wurde, geht es jetzt in die Höhe. Die Städte haben fast Sim City-Charakter, wenn wir das wünschen. Es gibt zudem Monumente, die die Struktur der Stadt prägen und besondere Eigenschaften haben. Außerdem wird es etwa große Videoleinwände geben, die wir mit unseren Inhalten bespielen. Wollen wir unsere Bewohner erziehen, sie fortbilden, mit sanften Worten einlullen und einfach manipulieren? Wahrscheinlich ist dieses System eher simpel konzipiert, aber allein die Möglichkeit, so direkt Einfluss zu nehmen, ist clever. Insgesamt wird der Charakter einer Stadt deutlicher. Den Entwickler zufolge offenbar ganz typisch für die Zeit: Unten laufen die Menschen in Fußgängerzonen durch die Straßen, während in der Luft die Autos fliegen - ein toller Anblick.

Anno 2070
Die Städte sollen in Anno 2070 deutlich größer werden und das vor allem in der Höhe.

Die Welt basiert auf verschiedenen Inseln und auch Schiffe fahren noch über das Meer. Die Startbasis, unsere Arche, ist zum Beispiel eine kleine schwimmende, bewegliche Insel, die unter anderem eine Landeplattform bietet und Schiffe bauen kann. Doch damit ist noch nicht Schluss, es gibt weitere Ideen für solche künstlichen Inseln. Freizeitparks, Hotels oder auch Forschungsstationen, um nur einige Beispiele zu nennen, sollen so ebenfalls integriert werden. Oder wir entdecken auf dem Wasser einen ausrangierten Flugzeugträger, der einen Schwarzmarkt mit seltenen Produkten beherbergt.

Die nächste Evolutionsstufe von Anno 2070 definiert sich durch eine ganz neue Komplexität. Es gibt nicht einfach mehr Einheiten, Inseln und Waren. Das Warenangebot etwa bleibt gleich und soll sich an dem von Anno 1404 orientieren. Aber wir produzieren eben nicht mehr nur Güter, sondern auch Energie. Der Einstieg soll dadurch einfach und zugänglich bleiben und das Spiel erst im Verlauf anspruchsvoller werden. Außerdem wird Anno 2070 durch die beiden konträren Spielweisen offener. Wir haben als Spieler also mehr Freiheiten, wie wir uns verhalten wollen. Im Gegenzug warten aber auch neue Herausforderungen.

Früher gab es zum Beispiel Katastrophen, auf die wir aber keinen Einfluss hatten - so wie die Vulkanausbrüche. Jetzt sind wir ein Stück weit selbst dafür verantwortlich, was in unserer Welt passiert. Unser Ölbohrturm fliegt zum Beispiel in die Luft. Wir haben stark auf diese Energieform gesetzt und das kann zum Nachteil werden. Im Wasser breitet sich langsam ein schwarzer Ölteppich aus und die entsprechenden Lösch- und Reinigungsboote sind nicht in ausreichender Zahl vorhanden.. Wer auf Risikotechnologie setzt, muss mit den eventuellen Konsequenzen leben und sich entsprechend rüsten.

Anno 2070
Das Konzept der schwimmenden Inseln betrifft nicht nur unseren Heimathafen, die Arche, sondern soll auch an anderen Stellen zum Einsatz kommen.

Trotz all der Technologie, der Diplopmatie und dem Ansatz zwischen ökologischer und besonders effizienter Spielweise zu wählen, ist Anno 2070 nicht als Lernspiel konzipiert. Die Entwickler wollen nicht mit dem Zeigefinger den Moralapostel spielen - es gibt keinen richtigen oder falschen Weg. Related Designs stattet beide Seiten mit Vor- und Nachteilen aus. Ob ihnen aber der Spagat wirklich gelingt und sie insbesondere bei sensiblen Themen unvoreingenommen zwei Wege als gleichwertig anbieten, wird sich zeigen. Auch Kernkraft wird es in Anno 2070 weiterhin geben...

Bei allen Veränderungen gab es für Related Designs eine Maxime: Anno soll Anno bleiben. Es sollte sich nach einer halben Stunde Spielzeit immer noch wie Anno anfühlen. Das sei ihnen geglückt, glauben die Entwickler. Sie hätten im Vorfeld wirklich von der Steinzeit bis in die weit entfernte Zukunft nahezu jedes Szenario durchgespielt, auch Anno 1305. Aber gewonnen hat die Idee, nur sechzig Jahre in die Zukunft zu reisen - eine Zeit, die man sich noch halbwegs vorstellen kann und bei der es sich trotzdem nicht, wie sie betonen, nur um "alten Wein in neuen Schläuchen" handelt. Erst war das Team überzeugt, dann Ubisoft und in den ersten Tests mit ausgewählten Spielern schienen auch die vom neuen Konzept überzeugt. Anno, so versichert Christopher Schmitz gebetsmühlenartig, bleibt Anno.

Eines ist dem Team in jedem Fall gelungen, denn Anno 2070 bringt sehr frischen Wind in die Serie. Wir sind gespannt, wie tief wir in diese Zukunftsvision eintauchen dürfen und an welchen Stellen doch lieber nur ein bisschen an der Oberfläche gekratzt wird. Kaum geäußert wurde sich etwa zum Thema Militär. Natürlich wird es weiterhin möglich sein mit anderen Inselstaaten in den Krieg zu ziehen, aber die Diplomatie soll eine andere Rolle spielen - die Welt ist schließlich globalisiert und damit soll es auch für Pazifisten die Möglichkeit geben, sich vor Interventionen zu schützen. Wie das aber genau ausschaut, wissen wir noch nicht. Verraten wurde lediglich, dass die Rolle des Militärs eine ganz ähnliche wie in den bisherigen Spielen einnehmen wird.

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