In APB Reloaded herrscht Krieg - und wir sind mitten drin. Die Kriminalitätsrate des fiktiven San Paro ist massiv gestiegen, dementsprechend schnell finden wir uns auf den Straßen im Kugelhagel wieder. Nach dem anfänglichen Tutorial wollen wir natürlich am Chaos teilhaben, schnappen uns den Truck einer alten Lady und rasen wild hupend in eine Einkaufspassage. Dort entbrennt die nächste Schießerei. Das Spiel ist vergleichbar mit dem Mehrspielermodus von Grand Theft Auto IV: Mit ein paar Gleichgesinnten durch die Stadt cruisen, Passanten aufs Kreuz legen, Aufträge erledigen und dabei möglichst viele Gegner aufs Korn nehmen. Aber APB Reloaded ist bei weitem nicht so sauber geschliffen wie der Rockstar-Diamant.
Zu Beginn müssen wir uns zunächst für eine Fraktion entscheiden, danach schrauben wir an unserem Ebenbild. So rauben wir als Gangster etwa Zivilisten und Geschäfte aus, knacken Autos und verhökern teure Luxuskarren und anderen erbeuteten Krimskrams beim örtlichen Dealer. Auf Seiten der Gesetzeshüter gilt es natürlich, den Kriminellen das Handwerk zu legen. Wer sich für die Ordnungsbeamten entscheidet, darf darüber hinaus an Razzien teilnehmen, Verdächtige für seine Mitstreiter markieren und diese schließlich für ein stattliches Kopfgeld hochnehmen. Wobei hochnehmen durch umpusten ersetzt werden muss, denn im Spiel bringen wir unsere Gegner nur mit bleihaltigen Argumenten zum Schweigen.
Eine weitere Rolle spielen die Instanzen, in die APB Reloaded seine Spielwelt untergliedert. Von denen gibt es zwei Typen: Während wir uns in den Action-Distrikten nach Lust und Laune frei bewegen oder an Missionen teilnehmen können, reduziert sich der Spielablauf in den Battle-Abschnitten auf die Essenz eines Shooters. Das wäre dann die (Team-)Deathmatch-Arena von San Paro. Wer nicht ballern will und wie in einem MMO üblich mit Leuten quatschen möchte, für den ist der Social-Distrikt vorgesehen. Gleichzeitig als Marktplatz und Ruhezone gedacht, kann man hier auch seinen Charakter einkleiden, in der Garage am Mustang schrauben oder das Auktionshaus nach Schnäppchen durchstöbern.
Klingt nach viel Spaß im kriminellen Sandbaukasten, doch gerade Anfänger sehen meist nur den Ladebildschirm des Spiels, weil sie ständig umgebracht werden. Da brettert man eben noch fröhlich mit seinem fahrbaren Untersatz ins Krisengebiet, nur um kurz nach Verlassen des Gefährts oder sogar noch während des Fahrens zu sterben. Angesichts der zahlreichen Premiumkunden wohl kein Wunder. Über 80 Prozent der Spieler stecken echtes Geld in ihre Spielfigur und erkaufen sich dadurch massive Vorteile. Von solch hochgezüchteten Charakteren inklusive Superwaffen mit Schadensmodifikationen können Sparfüchse nur träumen. Bis man sich annähernd ebenbürtige Ausrüstung erspielt hat, vergehen Wochen, wenn nicht gar Monate.
Klar, das hier ist ein Teamspiel. Und klar, am Ende zählt immer noch das Können des Spielers. Wer allerdings schon zu Beginn Gegner der Maximalstufe trifft, hüpft fast schon freiwillig in den Tod. Zumal die Standardwaffen übertrieben stark verziehen und wir auch keinen Einfluss auf die Wahl des Servers haben. Stattdessen würfelt es uns jedes Mal in eine andere Partie. Da noch auf eine halbwegs gescheite Gruppe zu treffen, gelingt nur mit viel Glück. Immerhin wissen wir nicht, ob diejenigen Spieler gerade im Netz surfen, nebenbei Musik hören oder überhaupt am Rechner sitzen. Dabei ist sowohl eine funktionierende Gruppe als auch die gegenseitige Absprache (via Voice-over-IP) das A und O - ohne Teamplay funktioniert oft gar nichts.
Stark sind hingegen jene Glücksmomente, die auch schon in GTA 4 prächtig unterhielten. Etwa, wenn wir zu viert einen Krankenwagen entführen und mit Schmackes über eine der zahlreichen Sprungschanzen rasen. Die Autos steuern sich zwar allesamt wie Flüssigseife, aber die Mischung aus Fahren, Ballern und Unruhestiften bringt trotzdem kurzzeitig Laune.
Lange kann APB Reloaded aber nicht fesseln. Die Stadt wirkt so lebendig wie ein Friedhof, noch dazu fehlt es an Abwechslung. In der Regel fährt man von A nach B, schnappt sich einen Geldkoffer, legt jemanden um oder sprüht ein Graffiti. Danach geht's weiter nach C und so weiter. Manchmal muss man auch eine Bombe entschärfen oder legen. Letztendlich wiederholt sich die Prozedur aber immer wieder - nach knapp zwei Stunden hat man alles gesehen.
Aber hey, was will man von einem Online-Shooter auch anderes erwarten? In Battlefield 3 regt sich ja auch keiner auf, dass er ständig nur Flaggenpunkte einnehmen muss. Wer möchte, kann in San Paro auch sein eigenes Ding durchziehen und Schaufenster plündern. Letzteres bringt neben ein paar Geldscheinen übrigens auch negative Rufpunkte ein, ebenso wie Vandalismus, Raubüberfälle und das Töten von Zivilisten. Der Clou: Mit jeder Rangstufe steigert sich auch unser Geldmultiplikator. Übertreiben wir es, wird auf unseren Kopf eine saftige Belohnung ausgeschrieben. Dann hilft nur noch Verstecken oder Verstärkung anfordern.
Letztlich dreht sich in APB Reloaded alles ums Geld. Wir brauchen Geld für neue Klamotten und Waffen. Nur mit Geld können wir unseren Wagen tunen. Weit kommen Spieler der kostenlosen Variante nicht, dafür werfen die Aufträge viel zu wenig Geld ab und als kostenlose Belohnung winkt meist wertloser Krempel (Tennissöckchen!!!). Bereits eine Strickmütze kostet mehrere Hundert Dollar, eine verlässliche Knarre gleich 30.000 Scheine. Deutlich schneller kommt man als Premiumkunde an Schotter - oder indem man sich Credits für echte Euro kauft.
Im Klartext heißt das: Wer in APB Reloaded erfolgreich sein möchte, muss in die Tasche greifen. Aus Free-to-Play wird so ganz schnell Feel-Free-to-Pay - und das für ein Spiel, dass derzeit noch deutliche Fehler hat. So ist etwa die Levelarchitektur häufig unfair gestaltet. Besonders die Kriminellen können sich meist einfach auf Dächern oder Containern verschanzen, während die Ordnungshüter vergeblich versuchen, das Gesindel mit Sprengstoff auszuräuchern. Für Ungerechtigkeit sorgen auch die Missionen selbst. Die starten nämlich völlig zufällig und dauern mehrere Phasen. Blöd nur, wenn man gerade ziellos durch die Pampa kurvt und meilenweit vom Ziel entfernt ist, wo die Gegner bereits fleißig Punkte sammeln.
Hinzu kommen Grafik- und Übersetzungsfehler, ach was: vom gesamten Spiel ist nur ein Bruchteil der Texte überhaupt ins Deutsche übertragen worden. Darüber hinaus beklagen sich viele Spieler über Cheater und Teamkiller. Zumindest gegen echte Betrüger gehen die Entwickler vor. Trotzdem: APB Reloaded schwächelt an vielen Stellen, selbst bei den Schusswechseln. Dass es beispielsweise keine unterschiedlichen Trefferzonen gibt, ist nur ein Grund für die unausgegorene Spielbalance.
Dafür entschädigt die für ein Onlinespiel hübsche Grafik, die zwar die meisten Büro- und Einkaufskomplexe detailarm und kantig zeichnet, uns aber mit einem Schadensmodell und einer zerstörbaren Straßenumgebung belohnt. Und da das Spiel unheimlich viele Einstellungsmöglichkeiten im Editor liefert, sieht kein Charakter aus wie der andere. Gruppenspieler mit viel Zeit sei eine Runde in San Paro durchaus empfohlen - für Einzelgänger und jene, die nur wenig Mühe und Geld in ein Spiel investieren möchten, ist All Points Bulletin Reloaded jedoch nichts.