Nach über zehn Jahren Wartezeit bekommt die Age-of-Empires-Reihe endlich einen neuen Teil. Das Entwicklerstudio der originalen Games (Ensemble Studios) wurde mittlerweile aufgelöst und Relic Entertaiment hat die Weiterentwicklung der Reihe übernommen. Ihnen ist ein schönes Echtzeitstrategiespiel gelungen, aber es gibt auch ein paar Dinge, die den damaligen Spielen besser gelungen sind.
Age of Empires IV orientiert sich stark an Age of Empires II (1999), das ebenfalls im Mittelalter angesiedelt war. Wir errichten unsere Basis, bilden Dorfbewohner aus, die für uns die nötigen Ressourcen einsammeln, und dann errichten wir eine Armee, mit der wir unsere Gegner bekämpfen. Die Einheiten folgen dem Schere-Stein-Papier-Prinzip: Speerträger kontern die Kavallerie, die Kavallerie überrennt die Bogenschützen und die Bogenschützen besiegen die Speerträger. Wenn ihr in Ökonomie investiert und technologische Fortschritte erzielt, könnt ihr die Fraktionen vom dunklen Jahrhundert bis in das imperiale Zeitalter führen.
In Age of Empires IV stehen zum Start acht Zivilisationen zur Verfügung: England, Frankreich, China, Russland, das Heilige Römische Reich, das Sultanat von Delhi, die Mongolen und das Abbasiden-Kalifat. Es gibt Grundgebäude und Einheiten, die sich die Völker teilen (mit unterschiedlichen Skins), und spezielle Einheiten, wie die berittenen Bogenschützen der Mongolen, Delhis Elefanten oder die Langbogen Englands. Die Einheiten sprechen mit angeblich historisch korrektem Akzent und das sorgt zusammen mit der Musik für eine romantisierende Geschichts-Immersion. Age of Empires IV läuft mit Relics neuster Essence Engine 5 und die sorgt für detailreiche Gebäude und Einheiten. Außerdem lässt sie uns die Kamera um 360 Grad drehen, um die epischen Szenen aus allen Winkeln zu beobachten.
Ich habe mit der Kampagne angefangen und die haben Relic wirklich schön hinbekommen. Wir erleben die Eroberungen der Normannen, der Franzosen oder der Mongolen, angereichert mit hochwertigen, dokumentarischen Videos. Das Schlachtfeld von Hastings von heute im Video zu sehen und danach dann selbst dieses Gefecht auszutragen, das sorgt für unglaubliche Immersion. An anderen Stellen werden historische Figuren oder Ereignisse durch Malereien oder Zeichnungen aus der Gegenwart illustriert. Die tolle Kombination aus schön präsentierter Erzählung und packender Action lässt das Spiel wie eine interaktive Dokumentation wirken, was mir wirklich gut gefallen hat.
Neben den Videos zur Kampagne gibt es noch zusätzliche Filme, die sich näher mit anderen relevanten Themen beschäftigen (wie den Themen Burgenbau, berittenen Bogenschützen oder mongolischen Kriegstrommeln). Als Historiker lese ich viele Bücher und Artikel über Geschichte, aber ich hatte eine völlig neue emotionale Erfahrung beim Spielen der mongolischen Kampagne. Die Kampagnen sind ein echter Höhepunkt, was historische Strategiespiele angeht.
Es macht Spaß, die Einheiten und Gebäude aus der Nähe zu bewundern, denn die neue Essence Engine liefert detaillierte Umgebungen, farbenfrohe Gebäude und authentische Einheiten. Die Waffen der Einheiten wirken am Anfang ein wenig comichaft, weil sie im Vergleich zu den Einheiten zu groß sind, aber daran gewöhnt man sich schnell. Die Waffengröße hilft immerhin dabei, die Einheitentypen gut voneinander zu unterscheiden. Wenn die Gebäude Schaden nehmen, gibt es schicke Einsturzanimationen und ihr könnt wie gesagt die Kamera frei bewegen. Das Interface ist minimalistisch gehalten, hätte aber etwas mehr historische Details vertragen. Leider wird in der Auswahl auch nicht klar genug zwischen Einheiten und Gebäuden unterschieden.
Ein paar Dinge gefallen mir weniger und sie passen auch nicht so ganz zu Age of Empires. Die Mehrspielerkarten fühlen sich zu klein an, denn der Platz für Gebäude ist begrenzt und die Zivilisationsboni zwingen uns dazu, die alles nah beieinander zu bauen. Zusammen mit dem niedrigeren Zoom-Level wirken die Karten deshalb insgesamt überfüllt. Der Basenbau fühlt sich eher nach Starcraft II an und nicht mehr wie bei Age of Empires II. Längere Duelle enden oft in sogenannten „Trash-Kriegen", in denen die Spieler viele Militärgebäude bauen und billige Einheiten rauspumpen. Da die Gebäude schneller zerstört werden als früher und ihr nur wenige Fabriken bauen könnt, könnt ihr nach einer verlorenen Schlacht nicht schnell genug Nachschub nachproduzieren.
Die Belagerungswaffen haben mir auch nicht gefallen. Die mittelalterlichen Katapulte und Ballisten bewegen sich unbeholfen und brauchen auf den kleinen Karten viel Platz. Im Gegensatz zu früher gibt es keinen Freundbeschuss mehr, was bedeutet, dass jeder Nahkampf von demjenigen Spieler gewonnen wird, der schneller ein paar Katapulte in den Kampf schickt. Die Seefahrt leidet unter den gleichen Problemen, denn auch die Schiffe bewegen sich unbeholfen und brauchen viel Platz. Manchmal drehen sie sich unkontrolliert auf der Stelle, als könnten sie sich nicht entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Es gibt noch nervige Kleinigkeiten, wie die fehlende Möglichkeit, mit den Befestigungen bestimmte Einheiten anzugreifen, aber auf der anderen Seite finde ich es toll, wie sich die Schiffe der verschiedenen Zivilisationen voneinander unterscheiden. Einige Boote sind richtig schön anzusehen, wie das chinesische Baochuan-Kriegsschiff mit seinen riesigen Kanonenkugeln.
Es wäre unfair, dass Spiel nur mit seinen Vorgängern zu vergleichen. Denn als ich meine Erwartungshaltung erst einmal abgelegt hatte, wurde ich richtig neugierig, wie sich das Spiel am 28. Oktober schlagen wird. Die Matches dürften relativ schnell verlaufen und vermutlich will Relic Games diesen Zerg-Rush-Spielstil aus Starcraft auch nachahmen. Abhängig von eurer gewählten Zivilisation müsst ihr euch auf alles vorbereiten, was euch euer Gegner entgegenwirft. Die Russen haben früh gute Verteidigungsanlagen und die Monoglen können ihre Basis einpacken und damit umziehen. Es gibt eine Asymmetrie zwischen den Zivilisationen, die für interessante Strategien und Metas sorgen könnte, aber das wird sich erst zeigen, wenn mehr Spieler die Server bevölkern.
Neu sind neutrale Handelsposten, die das Sammeln von Ressourcen steigern, oder religiöse Stätten, die (ähnlich wie die Relikte und Wunder in früheren Spielen) nach einer bestimmten Zeit den Sieg bedeuten. Ich war genervt, als die KI mein erstes Gefecht auf diese Weise gewonnen hat, aber gerade weil es unterschiedliche Siegesbedingungen gibt, müssen die Spieler immer aufmerksam bleiben. Das Aufsteigen im Zeitalter ist komplexer geworden, weil ihr dafür bestimmte Gebäude braucht, ähnlich wie in Age of Empires III. Die können gut zu eurer Strategie passen, denn manchmal bekommt ihr auf diese Weise Verteidigungs-Upgrades für eure Stadt oder es führt zu einer Steigerung eurer Ökonomie. Ich freue mich darauf, meine Strategie in den kommenden Monaten zu verfeinern.
Was die historische Immersion betrifft, da gehört die Kampagne von Age of Empires IV sicher zu den Höhepunkten innerhalb der Reihe. Das Gameplay nutzt viele Elemente früherer Spiele und ist dabei richtig hübsch. Die kleineren Karten sind jedoch überladen und Belagerungswaffen, sowie Schiffe überzeugen nicht. Auf der anderen Seite sorgen die asymmetrischen Zivilisationen für viel Tiefe und das schnellere Gameplay bringt die Reihe näher an Spiele, wie etwa Starcraft, heran. Ich freue mich in den nächsten Monaten auf ausgiebige Mehrspielerschlachten und bin gespannt, welche Strategien sich die anderen Spieler*innen ausdenken werden.