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El Shaddai: Ascension of the Metatron

El Shaddai: Ascension of the Metatron

Referenzen auf das Christentum beziehungsweise auf das Judentum sind in Videospielen nicht unüblich. Dass aber ein Spiel seine Geschichte so konsequent dieser Thematik widmet, ist schon ungewöhnlich.

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El Shaddai: Ascension of the Metatron basiert auf dem Buch Henoch, das zwar nicht Teil der Bibel selbst ist, aber dennoch als wichtiger Bestandteil gilt. Demnach sind Engel gefallen, weil sie von der Lust getrieben wurden. Die Grigori, eine bestimmte Engelgruppe wurde damit beauftragt den Erzengeln bei der Schaffung des Garten Eden zu helfen. Als sie aber auf die Erde herabstiegen, verliebten sie sich in die Frauen, verrieten ihnen himmlische Geheimnisse und, das war das größte Problem, sie zeugten Kinder mit ihnen, die als Nephilim bezeichnet werden. Gott war darüber so erzürnt, dass er eine Sintflut entsenden wollte. In Enoch, wie der Hauptcharakter im Spiel heißt, sah er jedoch eine würdige Person, welcher er das Angebot machte, die Menschen zu verschonen. Dafür sollte dieser die Seelen der gefallenen Engel herbeischaffen.

Der relativ trockene Stoff wurde in eine wunderschöne Form gegossen. Unter der Feder von Takeyasu Sawaki, Charakterdesigner von Okami und Devil May Cry entstand ein Spiel, das zwar ein paar Schwächen bei den ganz grundsätzlichen Spielmechaniken aufweist, aber dafür mit seinem Erzählstil und der imposanten Präsentation punktet. Enoch wandert durch eine Welt, die mit ihrer Surrealität und ihren Effekten verzaubert. Erklärt wird das Aussehen damit, dass die gefallenen Engel sich eine eigene Welt erschufen und einen Schleier über den Himmel legten, um sie vor Gottes Augen zu verstecken und die Menschen Gott vergessen zu lassen. Und tatsächlich gibt es keinen Himmel wie wir ihn kennen. Farben und Formen wechseln mit jedem Level und für sich genommen, ist jedes davon ein begehbares Kunstwerk.

In den 3D-Welten laufen wir immer auf Pfaden entlang, viel zu entdecken gibt es abseits nicht. Daneben gibt es Abschnitte, die sich komplett in 2D spielen. Was dort anfangs an wenig an den Download-Titel Outland erinnert, entpuppt sich schnell als ebenso abwechslungsreiche Spielerei mit Stilen und Konzepten wie im Hauptteil des Spiels. Neben kontrastreichen Scherenschnitt-Leveln gibt es Orte, die aussehen wie aus in einem Bilderbuch oder etwa Passagen, die sich bei dem bekannten Meisterwerk Die große Welle vor Kanagawa vom Künstler Hokusai bedienen. Das ganze Spiel ist ein Sammelsurium fantastischer visueller Effekte, die manchmal auch die Spielmechanik beeinflussen, wenn uns etwa eine Welle beginnt zu tragen.

El Shaddai: Ascension of the Metatron
Farben und Formen wechseln mit jedem Level und für sich genommen, ist jedes davon ein begehbares Kunstwerk.
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Takeyasu Sawaki hat eine wunderschöne Welt geschaffen und das Design der Welten wie auch Figuren ist zweifelsohne grandios. Leider gibt es eine große Ausnahme und das sind wir selbst. Der Held ist der unsympathischste Charakter im ganzen Spiel. Ein weichgespülter, blonder Jüngling, der ausschaut wie eine Mischung aus Tidus von Final Fantasy X und He-Man. Da wir uns selbst aber zumeist nur selten sehen müssen, genießen wir stattdessen großartige Ideen wie etwa zwei riesenhafte Schweine, die mit einer Rüstung gegen uns antreten und niedertrampeln wollen. Oder aber die Nephilim, die merkwürdigen Produkte aus der Vereinigung von göttlichen Wesen mit Menschen - ganz offensichtlich eine japanische Version der Wesen, die Pieter Bruegel im 16. Jahrhundert gemalt hat.

Enoch stehen bei seiner Reise die vier Erzengel Uriel, Raphael, Gabriel und Michael zur Seite. Begleitet und beobachtet werden wir vom Schutzengel Lucifel, der richtigerweise mindestens Lucifer heißen müsste. Er wird als Person im Anzug dargestellt, der immer mit dem Handy mit Gott in Kontakt ist und unseren Fortschritt speichert. Er erklärt uns auch die Funktionsweise des Spiels, hält etwa mitten in einem Kampf mit einem Schnipsen die Zeit an und transferiert für den folgenden Dialog in eine Zwischenwelt. Ist er fertig, schnipst er wieder lässig und das Geschehen wird fortgesetzt. Auf diese Weise erfahren wir beispielsweise, dass es drei heilige Waffen gibt und wir immer nur genau eine bei uns tragen können. Es gibt Arch, eine bogenartige Waffe, die wir aber wie einen Säbel einsetzen. Dann sind da noch Veil, eine Mischung aus Schild und gepanzerten Handschuhen und Gale, was wie eine Kreuzung aus Laser und mobiler Flak wirkt.

Aber eigentlich sind es gar nicht unsere Waffen, sondern wir nehmen sie viel mehr den Gegnern ab. Wollen wir Arch wechseln, müssen wir den Feind, der die von uns gewünschten Waffe trägt, durch Angriffe betäuben, sie ihm dann aus der Hand nehmen und reinigen. Das ist nämlich unsere besondere Fähigkeit, die wir unabhängig von den drei Waffen beherrschen - wir können die mit Bösem verschmutzten Elemente mit unseren Händen reinigen. Und so schlagen wir uns im Rhythmus mit mehreren Gegnern, um ihre Verteidigung besser umgehen zu können, nutzen den richtigen Moment, um unsere Waffe von Dunkelheit zu säubern und setzen in kniffligen Momenten auf die Kräfte der Erzengel. Ziemlich solides Action-Gekloppe, dem es aber im Verlauf eigentlich an etwas Abwechslung mangelt.

El Shaddai: Ascension of the Metatron
Und schwer ist El Shaddai: Ascension of the Metatron insgesamt sowieso nicht unbedingt, denn Enoch kann nicht sterben.
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Vorkenntnisse sind für das Erleben der Geschichte im Übrigen nicht unbedingt erforderlich. Ganz im Gegenteil, wer sich in der Bibelgeschichte nicht auskennt, lernt auf diesem Weg eine Menge darüber. Die Handlung wird in Form von Videosequenzen, eingesprochenen Passagen und Textboxen zusammengeführt. Wichtig dabei sind etwa auch die als freie Menschen bezeichneten Personen. Die halten sich in der Welt der gefallenen Engel auf, aber sind ihnen nicht verfallen und haben interessante Informationen für uns. Wer allerdings gar nichts für die Thematik übrig hat, sollte auch die Finger vom Spiel lassen. Nicht umsonst empfiehlt der Titel beim Start den einfachen Schwierigkeitsgrad mit dem Kommentar, dass wir uns dabei voll auf die Handlung konzentrieren können.

Und schwer ist El Shaddai: Ascension of the Metatron insgesamt sowieso nicht unbedingt. Enoch kann nicht sterben. Er trägt eine Rüstung, die sichtbar abgeschlagen wird, wenn wir im Kampf einen Treffer kassieren. Dazu verändert sich der Bildschirm, wenn wir kurz vor dem Tod sind. Tritt der allerdings ein, müssen wir vier Tasten schnell drücken, um uns damit wiederzubeleben. Das wird zwar von mal zu mal schwieriger, aber mindestens drei bis vier Versuche schaffen wir dadurch, bevor wir vom letzten, fair gesetzten Rücksetzpunkt erneut unser Glück versuchen - denn Enochs Ende war eben von Gott zu "diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen".

Nein, es ist kein klassisches Spiel, sondern eines, das vor allem von seiner Handlung getrieben wird und mit seinen starken Bildern und der passenden musikalischen Untermalung punktet. Vielleicht sind wir irgendwann ein wenig genervt davon, dass sich die einfachen Kämpfe zu sehr ähneln, aber Bosskämpfe und die 2D-Abschnitte kompensieren dieses Defizit durchaus ausreichend. Zumindest ist das Kampfsystem ausgeklügelt genug, um sich nicht völlig zu langweilen, aber umgekehrt auch niemanden zu überfordern. El Shaddai: Ascension of the Metatron ist eine mögliche Antwort auf die Frage, ob Spiele mit ihren ganz eigenen Möglichkeiten auch Kunst sein können. Das hier ist nämlich nicht einfach nur Unterhaltung, es ist ein kleines Meisterwerk.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
ungewöhnliche, wunderschöne Welten, interessante Geschichte
-
Gameplay teilweise eintönig
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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