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The Cave

The Cave

Das Point & Click Adventure, das keines ist und trotzdem den Charme glorreicher Adventure-Zeiten einfängt.

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The Cave, die sprechende Höhle, stellt sich zu Beginn gleich direkt mal selbst vor. Und sie hat viel zu erzählen. Der Anziehungspunkt für Abenteurer aus allen Epochen birgt sagenhafte Schätze, geheimnisvolle Artefakte und dunkle Geheimnisse. Sieben ganz unterschiedliche Charaktere haben sich am Höhleneingang eingefunden und wir haben die Qual der Wahl, denn nur drei dürfen die aufregende Reise durch die Höhle antreten und jeder von ihnen besitzt einzigartige Fähigkeiten.

Mein Team besteht aus der stämmigen Wissenschaftlerin, die gut mit elektrischem Gerät umgehen kann und aussieht, als könnte sie im Zweifelsfall einiges einstecken. Dazu gesellt sich eine agile, blondgelockte Abenteurerin mit Enterhaken - und ein Mönch. Der beherrscht Telekinese und kann Gegenstände auf kurze Distanz mit der Kraft seiner Gedanken beeinflussen. Hoffentlich wird er zudem die nötige Ruhe bewahren, falls die beiden Girls zickig werden sollten. Pech für die anderen Abenteurer - man sieht sich. Mit Sicherheit sogar, denn wer die Höhle komplett erforschen möchte, braucht mehrere Durchgänge, um alle Areale zu erforschen.

Die verschiedenen Charaktere mit ihren Spezialfähigkeiten müssen zwar zusammenarbeiten, aber die ursprüngliche Vermutung, dass darum unterschiedliche Lösungsansätze für die vielen Rätselaufgaben gefordert sind, stellt sich schnell als falsch heraus. Die Struktur der Höhle ist tatsächlich so angelegt, dass jede Figur ihren eigenen Level hat, zu dem nur sie dem Team Zutritt verschaffen kann. Dabei wechselt sich eigentlich immer ein allgemeiner Bereich, den jedes Abenteurer-Team durchquert, mit einem thematisch auf eine der Figuren zugeschnittenen Level ab.

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The CaveThe Cave
Raketenwissenschaft braucht es sicher nicht, um die kleinen Rätselaufgaben zu lösen, die unser Team immer tiefer in die Höhle schicken.

Mit ihrem Enterhaken verschafft uns die abenteuerlustige Archäologin zutritt in eine unterirdische Pyramide voller Fallen und Schalterrätsel. Der Fackelschein und das irgendwie so vertraute Geräusch von aufeinander reibenden Steinquadern versetzten einen schnell in Abenteuerlaune. Der klassische Charme der Lucasarts-Adventures wirkt sofort. Wunderschöne, handgezeichnete Level, dazu absurde Charaktere und eine ordentliche Portion unaufdringlicher Humor erinnern an die alten Point & Click-Abenteuer, deren Spielprinzip in einer sehr vereinfachten Version auch beibehalten wird. Natürlich bewegt man in der aktuellen Version seine Figur selbst und muss auch einfachste Jump & Run-Passagen bewältigen, bei denen aber nie Timing oder Präzision gefragt ist.

Das klassische Inventar ist allerdings weggefallen. Jetzt kann jede der drei Figuren immer nur jeweils einen Gegenstand tragen oder benutzen. Inventarrätsel fallen also weg und überhaupt hält sich die Anzahl der verfügbaren Gegenstände oder Orte, an denen diese benutzt werden können, immer stark in Grenzen.

Raketenwissenschaft braucht es sicher nicht, um die kleinen Rätselaufgaben zu lösen, die unser Team immer tiefer in die Höhle schicken. Man kennt das von früher - manchmal muss man vielleicht etwas länger mit der absurden Logik eines Ron Gilbert kämpfen. Aber eigentlich sind die Rätsel nur so schwer, dass sich beim Lösen noch ein gewisses Erfolgserlebnis einstellen kann. Es ist heute aber auch schwer, da noch die richtige Balance zu finden. Ruckzuck spuckt das allwissende Internet beim kleinsten Problem die Lösung aus und man weiß ja, was passiert, wenn der Ruf erst ruiniert ist. Da ist es vielleicht besser für den Spielspaß, wenn man den Ball flach hält. Bei einem mathematischen Rätsel um drei Krüge, eine Waage und Wasser liefert einem das Spiel gleich den Internetlink zur Lösung und die Höhle witzelt über die Vertrauensfrage. Das war dann aber auch eins der schwereren Rätsel und die Lösung hat dem aufmerksamen Zuschauer Samuel L. Jackson in Stirb Langsam 3 schon mal vorexerziert.

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Die Interaktion zwischen den drei Helden und ihre Spezialfähigkeiten hätten mehr Potenzial für tolle Rätselaufgaben gehabt, aber dafür ist The Cave ein beschwingtes und unbeschwertes Adventure für Abenteurer fast jeden Alters geworden. Die dürfen sich dann auch gerne zum lokalen Koop-Abenteuer zusammenfinden, das bis zu drei Spieler gleichzeitig an die Controller lässt. Der Koop-Modus ist zu Beginn allerdings sehr gewöhnungsbedürftig. Wer hier Nonstop-Action erwartet, wird enttäuscht, denn ohne Splitscreen ist der eigene Charakter schnell weg vom Fenster oder eben nicht mehr im Bild. Die zuletzt aktivierte Figur bestimmt das Tempo, wobei jeder Spieler jederzeit den Helden wechseln darf und dann die Kamera auf den neu aktivierten Helden schwenkt. Ohne Absprache und mit ungeduldigen Mitspielern wird es so schnell hektisch und verwirrend.

The Cave
Das Spiel liefert uns eine vergnügliche Zeit, wenn wir von stetiger Neugier angetrieben die Höhle erkunden.

Die eigentliche Idee von Ron Gilbert war aber eine ganz andere - nämlich die klassische Spielweise von Einzelspieler-Abenteuern, bei denen mehrere Freunde abwechselnd spielen. Wer kennt das nicht? Alle zehn Minuten ein Padwechsel oder die üblichen drei Versuche bei skillbasierten Aufgaben. Es ist also alles eine Frage der Absprache. Vielleicht legt sich jeder auf einen Helden fest oder es greift einfach derjenige ein, der gerade eine Idee hat. Wer will, kann natürlich auch versuchen, immer mit allen Figuren gleichzeitig durchs Bild zu hüpfen. Der Koop-Modus ist also nicht ganz, was er zuerst verspricht, aber die Idee ist eigentlich nett und erspart es einem, das Pad rumzureichen.

Es ist trotzdem erstaunlich, wie viel Spaß einem The Cave bereitet und was für eine vergnügliche Zeit man, von stetiger Neugier angetrieben, in der Höhle verbringt, obwohl viele der Design-Entscheidungen tatsächlich zwei Seiten einer Medaille zeigen. The Cave spielt viel mit den Erwartungen. Ein Point & Click-Adventure, das ohne Inventar dann doch keins ist. Ein Koop-Modus, den man besser abwechselnd spielt und unterschiedliche Helden, die doch nur selten wirklich zusammenarbeiten müssen. Und dann sind da noch die Spezialfähigkeiten, die in den meisten Fällen fast nur als Schlüssel zu bestimmten Bereichen dienen. Üblicherweise werden in Adventures neue Fähigkeiten nach und nach freigeschaltet und das Prinzip von erneuten Spielstarts löst sicher nicht nur Begeisterung aus, aber so kommen auch mehr der skurrilen Charaktere zum Einsatz und man hat tatsächlich nach dem ersten Durchgang sofort Lust, sich ein neues Team zusammenzustellen, um die unbekannten Bereiche der Höhle zu erkunden.

The Cave ist ein unbeschwertes Abenteuer, das vor allem mit seinem Charme und Humor glänzt, auch wenn einiges an Potential verschenkt wurde. Man muss einfach nur vorher wissen, mit welchen Erwartungen man an das Spiel herangehen sollte. Dann steht dem winterlichen Eskapismus eigentlich nichts mehr im Weg.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Charmantes und humorvolles Adventure
-
polarisierende Design-Entscheidungen beim Gameplay, merkwürdiger Koop-Modus
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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