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Yakuza 4

Yakuza 4

Wie beschreibt man ein Spiel mit einer fantastisch erzählten Story und durchaus glaubwürdigen Charakteren? Welche Worte findet man für etwas, dass gewalttätig, witzig, emotional und immersiv ist? Was sagt man zu einem Spiel mit einer offenen Welt und so vielen Dingen zu entdecken, das einen einfach nicht mehr loslässt?

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Vieles in Yakuza 4 erinnert an die Grand Theft Auto-Reihe, es lässt sich einfach nicht abstreiten, aber die Yakuza-Reihe wählt einen ganz anderen Blickwinkel, ein ganz anderes Setting. Das hier ist Japan. Das hier ist eine ziemlich fremde Welt. Na denn, los geht's...

Dieses dumme Huhn! Es will einfach nichts lernen. Schick anziehen darf ich die Kleine - ihr teure Klamotten kaufen, Frisur und Accessoires springen lassen. Mal braucht sie es elegant, mal spielt sie den Vamp oder auch die schüchterne Unschuld vom Lande. Aber kaum soll sie mal ein paar Dinge in ihr hübsches Köpfchen bekommen, heißt es nur: "Oh tut mir leid. Das nächste Mal, ja?" Lange lass ich das nicht mehr mit mir machen, dann fliegt sie raus. Dann kann sie wieder zu ihrem spießigen Freund und der piefigen Familie. Ich jedenfalls kann sie nur gebrauchen, wenn sie Geld verdient. Und mit so einem naiven Gör, mit dem meine Kunden keine drei Worte gescheit wechseln können, mache ich einfach keinen Umsatz. Da ziehe ich lieber wieder los und probier für einen Freund alle Restaurants im Bezirk aus.

Um mich abzulenken, ziehe ich einfach ziellos durch die Stadt. Reibe ein paar Yakuza auf, die meinen, sie könnten mich abziehen. So komme ich wenigstens wieder auf andere Gedanken. Ordentlich austeilen, das liegt mir. Und wenn die Typen hart zu mir sein wollen, lasse ich im Gegenzug kein Gnade walten. Kopf genommen, gegen die Wand geschlagen und wenn sie am Boden liegen, trete ich mit dem Fuß einfach noch einmal ordentlich in die Fresse.

Yakuza 4
Lily hat Charakter und sieht dazu unglaublich gut aus - eine ganz besondere Frau.
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Zimperlich darf man nicht sein in dieser Stadt, sonst geht man unter. Trotzdem ist eine gewisse Gelassenheit durchaus praktisch. Aber dieses Schmalspurhirn von Frau macht mich einfach nur aggressiv. Sie müsste sich nur einfach mal die alten Bilder von sich anschauen, dann wüsste sie sehr schnell, was sie an mir hat. Es ist wirklich unglaublich. Selbst wenn ich ihr die Chance gebe, ein bisschen zu entspannen, damit sie ruhig und gelassen an ihre Aufgaben geht, dann telefoniert sie bloß die ganze Zeit. Wahrscheinlich irgendeine stumpfsinnige Freundin. Wut.

Warum kann sie nicht wie Lily sein. Die hatte Charakter und sah dazu noch viel besser aus. Wie sie eines Tages bei mir im Büro bei Sky Finance stand und völlig aufgelöst nach einem Kredit fragte. Sie war bereit, alles dafür zu tun. Sie hatte einen Willen in den Augen, den ich bei meinen Mädchen im Club so oft vermisse. Die glauben, das sei alles leicht getane Arbeit und strengen sich nicht mehr an als nötig. Lily hatte natürlich einen größeren Druck. Sie brauchte 100 Millionen Yen und das sehr schnell. Wofür, das wollte sie mir nicht sagen. Aber das respektiere ich, obwohl es mich wurmt. Hanna, meine ganz besondere Sekretärin, hatte schon recht. Lily erinnert mich an meine Ex-Frau. Und vielleicht verband ich mit Lily die Hoffnung, etwas zurückzuholen, das schon lange nicht mehr da war. Und trotzdem war da noch etwas anderes, das mich an ihr faszinierte und was es mir leichter gemacht hat, ihrem Wunsch folge zu leisten. Ich hoffe, dass ich ihr Geheimnis irgendwann lüften kann.

Oh, wie ich es genieße, durch meinen Stadteil Kamurocho zu ziehen. Hier, wo alles möglich scheint. Diese Stadt ist wie ein Dschungel. Kleine und große Tiere, sie sind alle hier. Sie haben alle einen Traum. Und nie im Leben geben sie auf, das hält sie am Leben. So ist das bei mir im Grunde auch. Es sind die kleinen Geschichten am Rande, die einen an Yakuza 4 so faszinieren. Das, was die Bewohner der Stadt zu erzählen haben. Und das schon an der nächsten Ecke das große Abenteuer warten könnte.

Yakuza 4
Zimperlich darf man nicht sein in dieser Stadt, sonst geht man unter.
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Natürlich, grenzenlos ist diese kleine Welt kaum. Meine täglichen Erfahrungen mit dem Leben hier gleichen sich irgendwann. Die gleichen Straßengangs, die es immer noch nicht gelernt haben, sich nicht mit mir anzulegen. Die gleichen Leute, die gleichen Geschäfte. Und doch treibt es einen immer wieder auf einen Streifzug durch die Straßen. Manchmal entdecke ich, obwohl ich Kamurocho inzwischen wie meine Westentasche kenne, immer noch etwas Neues. Über die Dächer und runter in die dunklen Ecken - es sind solche Orte, die ich gern auskundschafte.

Und es sind Menschen wie Lily, Arai oder Hanna, die mich faszinieren und bei Laune halten. Oder der kleine Emporkömlings, der fünf Millionen Yen für die Gründung seines eigenen Unternehmens wollte. Er hatte das Familienunternehmen seines Vaters gegen die Wand fahren lassen, weil er sonst hätte entscheiden müssen, welchem seiner Mitarbeiter er den Laufpass gibt. Dem habe ich gründlich den Kopf gewaschen und eine wichtige Lektion gelehrt. Das Leben ist nicht immer leicht, es müssen manchmal harte, aber wichtige Entscheidungen getroffen werden. Sich durchzumogeln, das wird vielleicht eine Weile gut gehen. Aber die Wand, gegen die man damit läuft, ist hart.

Mein Kamurocho. Mein Japan. Diese Welt versprüht ein authentisches Gefühl, einen Zauber, der mich nicht mehr loslässt. Ich habe kurz daran geschnuppert, ein wenig genascht und wurde verschluckt. Mag sein, dass das Leben hier nicht für jeden spannend oder aufregend ist. Für jemanden aus dem Westen ist es vermutlich häufig eher merkwürdig, aber ich liebe es, das Lebensgefühl hier. Es fesselt mich, es ist spannend. Und mit jedem Brocken, der mir zugeworfen wird, versinke ich tiefer. Ich lache, weine und fiebere mit. Nun ist es mitnichten so, dass ich glaube, wirklich Einfluss auf mein Schicksal zu haben. Alles scheint bereits geschrieben. Und doch habe ich irgendwie eine Wahl. Kamurocho ist eine bunte Wundertüte und ich entscheide selbst, wie ich den Weg zum großen Finale beschreite. Auch das ist Freiheit - eine, die sich sehr gut genießen lässt.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
fantastisches Japan-Epos, fesselnde Story, japanische Sprachausgabe mit Untertiteln, viel zu entdecken
-
kleinere Schwächen bei der Präsentation, Gameplay teilweise etwas altbacken
overall score
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