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Lost Sphear

Lost Sphear

Trotz seines modernen Auftretens erinnert uns dieses Rollenspiel in vielerlei Hinsicht an die alten Hasen.

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Square Enix' Entwickler Tokyo RPG Factory hat uns letzte Woche Lost Sphear gebracht, einen geistigen Nachfolger zu I Am Setsuna. Genau wie sein Vorgänger besinnt sich Lost Sphear zu den Wurzeln der oft gelobten, klassischen Rollenspiele aus den 1990er Jahren, die populäre Vertreter wie Final Fantasy VII und Chrono Trigger hervorbrachten. Diese Wurzeln merkt man dem Spiel nicht nur in seinem kohärenten visuellen Stil an, sondern in gleichem Maße auch bei den starken Charakteren, dem uralten Kampf von Freiheit gegen Tyrannei, große Abenteuer auf noch gewaltigeren Welten und natürlich dem Dungeon-Design. Das Kampfsystem leitet sich ebenfalls vom klassischen ATB (Active Time Battle)-Konzept ab, bei dem alle Aktionen der Charaktere in Echtzeit aufgeladen werden müssen. Das gleiche gilt auch für unsere Gegner, was eine spannende Grundformel bildet.

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Die freie Positionierung der Figuren im Kampf ist eine sehr sinnvolle Neuerung, die wir verinnerlichen sollten.

Lost Sphear befindet sich in einer Welt, in der Erinnerungen in Vergessenheit geraten und ganze Städte und Dörfer einfach in einem weißen Nebel verschwinden. Zeitgleich erscheinen furchtbare Monster in den Höhlen und Schurken durchstreifen die Landschaft. Nach einem lebhaften Traum wacht der junge Abenteurer Kanata auf und muss realisieren, dass sein Dorf plötzlich vom Erdboden verschwunden ist. Schnell schließt er sich mit einer Gruppe Verstoßener zusammen, um dem Mysterium des Vergessens auf den Grund zu gehen. Dabei entdecken wir, dass Kanata über die Fähigkeit verfügt, verloren gegangenen Erinnerungen, die sich in besonderen Steinen manifestieren, wiederherzustellen.

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Das Spiel ist wunderschön anzusehen, denn die pastellfarbene Aquarellpalette haucht der Welt Leben ein. Selbst der Titelbildschirm zeigt die Fortschritte unseres Spielverlaufs an und verändert sich sobald wir auf unserem Abenteuer einen Schlüsselmoment überschritten haben. Lost Sphear läuft mit 60 FPS auf der PS4, ist aber mit nur 30 FPS auf dem Nintendo Switch am Start. Obwohl man die fehlenden Frames im direkten Vergleich natürlich bemerkt, profitiert das Gameplay rund um das rundenbasierte Kampfsystem nicht unglaublich davon. Lost Sphear versucht das Aussehen der klassischen NES- und PS1-JRPGs zu reproduzieren und nutzt dazu eine 3D-Engine, in der wohl alles wie ein HD-Remake eines älteren Spiels aussehen würde. Damit haben pixelige Charaktere und klobige Steuerung zwar ein Ende, allerdings müssen wir uns auch von den glorreichen Zwischensequenzen im Stile der Final Fantasy-Serie verabschieden.

Das Storytelling von Lost Sphear wird durch textbasierten Dialog vorangetrieben und wie sein Vorgänger müssen wir darin viel lesen. Eine Synchronisation fehlt nämlich auch in diesem Spiel, aber das ist wahrscheinlich gewollt (abgesehen von japanischem Kauderwelsch während der Kämpfe - was aber deaktiviert werden kann). Während die erfahreneren Fans unter uns vielleicht an diesem frühen Stil des Geschichtenerzählens gewöhnt sind, könnten viele moderne RPG-Liebhaber damit so ihre Probleme haben. Ungeduldige Naturen dürfen den Text natürlich ohnehin beschleunigen oder gänzlich überspringen... Wer sich ein bisschen in den Einstellungen umschaut wird eine Reihe weiterer zeitsparender Optionen finden, mit denen wir Schwierigkeitsgrad, Funktionsweise des Active-Time-Battles und mehr anpassen dürfen.

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Wir werden viel lesen müssen, denn auch Lost Sphear hat keine Stimmenvertonung erhalten.
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Das Entwicklerstudio hat viel Wert auf die Geschichte gelegt, wir empfehlen euch daher ein bisschen Zeit einzuplanen. Lohnenswert ist zudem erneut die musikalische Untermalung, denn obwohl Stimmen fehlen wird Lost Sphear ebenfalls von einer wundervollen orchestralen Ballade begleitet. Diesmal sind das jedoch nicht nur die sanften Pianoklänge, sondern eine erstaunliche Mischung aus Klavier und Streicherinstrumenten, die wehmütig, eindringlich und pointiert oft auch sehr kraftvoll wirken. Wir müssen zugeben, dass die Hauptmelodie Ohrwurmqualität hat und mich begleitete, selbst wenn ich gerade nicht spielte.

Wie bereits erwähnt verwendet Lost Sphear das ATB-Kampfsystem und das ist dem von I Am Setsuna sehr ähnlich. Ein herausragendes und sehr frisches Merkmal ist, dass wir die tatsächliche Positionierung der Charaktere in der Schlacht beeinflussen dürfen und das hat viele Einflüsse auf den Kampfverlauf. Jeder Charakter hat seine Eigenarten, greift etwa aus der Nähe oder aus der Distanz an und deckt damit bestimmte Kartenbereiche ab. Nehmen wir zum Beispiel Van: Sein Fernkampfangriff durchdringt mehrere Gegner und wenn wir ihn richtig aufstellen, greifen wir jedes Mal mehrere Bösewichte an. Vergleichbar mit dem Limit Break aus Final Fantasy hat nun jeder Charakter seinen persönlichen Momentum-Skill. Der füllt sich während des Kampfes auf und entfesselt einen verheerenden Angriff, wenn wir ihn im richtigen Zeitpunkt aktivieren.

Damit unsere Helden im Kampfsystem richtig strahlen können haben sich die Entwickler etwas Neues ausgedacht und ein komplexes Crafting-System eingefügt, mit denen wir neue Talente ausprägen. Leider ist das mit hohen finanziellen Kosten verbunden und wird zudem auch nur mittelmäßig gut vom Spiel erklärt, sodass das eigene Experimentieren eher verhalten ausfallen dürfte. Kern des Systems sind die sogenannten Spiritnites, von Magie durchdrungene Kristalle, die unter anderem in den Geschäften erhältlich sind. Wer die Steine mit Sublimationseffekten (einer anderen Form des Spiritnite) ergänzt, erhält dadurch völlig neue Effekte, wie Feuerschaden oder Heilung.

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Das Spiel ist wunderschön anzusehen, denn die pastellfarbene Aquarellpalette haucht der Welt Leben ein.

Noch komplizierter und auch wesentlich teurer als diese individualisierbaren Skills sind Waffen und Rüstungen. Sämtlicher Kram kann mit einem farbigen Spiritnite gestärkt werden und wer Steine gleicher Farbe stapelt, multipliziert Schaden und Verteidigungswerte. Hier wird es jedoch knifflig: Wer eine neue Waffe findet sieht nur deren Grundwert und muss demzufolge raten, ob sich die Investition auszahlen könnte. Wer die bereits verwendeten Steine auf den neuen Säbel übertragen will, verliert oft viele tausend Münzen und das bei einer Party mit etlichen Charakteren... Das ganze Dilemma nervt und man hätte dem leicht mit einer geringfügigen Anpassung vorbeugen können.

Lost Sphear ist zum größten Teil ein sehr unterhaltsames Spiel und wir fanden seine relativ kurze Geschichte (etwa 20 Stunden) genau richtig, um nicht von der riesigen Menge an Text gelangweilt zu werden. Allerdings haben die meisten Dinge ihre Schattenseiten und wer positiv von Geschichte, Grafik, Musik und dem Kampfsystem spricht, muss auch die übermäßig komplexen Systeme des Fähigkeiten-Craftings und die viel zu teuren Upgrades der Waffen und Rüstung erwähnen. Die ruinieren das Spiel natürlich nicht sofort, nehmen aber jedes Mal ein gutes Stück des Spielspaßes heraus. Während viele alte JRPG-Fans Lost Sphear sicherlich genießen können (uns eingeschlossen), verdient das Spiel leider nicht die Nostalgie, die es zu bieten beabsichtigt.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Wunderschöne Aufmachung; genau die richtige Länge; gelungene Musik; zeitloses Kampfsystem.
-
Fehlende Synchronstimmen und viel Text; unsinnig verkompliziertes Upgrade-System von Waffen und Fähigkeiten; einige sinnlose Minispiele (Angeln).
overall score
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