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Super Mario Odyssey

Super Mario Odyssey

Mit einem neuen Verbündeten ist Mario dem fiesen Bowser auf den Fersen, um eine Hochzeit platzen zu lassen.

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Nintendo macht es einem leicht, sich in Super Mario Odyssey zu verlieben. Unser Lieblingsklempner bekommt anfangs ordentlich Dresche und zu allem Übel entführt Oberbösewicht Bowser auch noch seine Freundin Prinzessin Peach, um sie gegen ihren Willen zu heiraten... Mama Mia! Dem blöden Bowser konnten wir dank seines mächtigen Kanonenschiffs und seinem neuen Boxhandschuh-Huts nicht mal einen Kratzer verpassen, aber das ganze Trübsal-blasen hilft ja alles nichts, es wird Zeit für ein neues Mario-Abenteuer.

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Jedes Königreich bietet eigene Szenarien, doch nicht alle sind auf gleich hohem Niveau.

2017 bot uns zwar schon einige spannende Plattformer, doch das letzte Rundum-Sorglos-Paket mit der beliebten Mario-Gang lieferte uns Nintendo vor vier Jahren mit Super Mario 3D World. Vielen Spielern juckt es wieder in den Fingern, was dem starken Anfang von Super Mario Odyssey deutlich in die Karten spielt. Ich habe bestimmt drei Tage wie ein Verrückter die anfänglichen Welten nach versteckten Monden durchforstet und mich mit den verschiedenen Funktionen des neuen Jump'n'Run-Spiels auseinandergesetzt, um mich an Bowsers Fährte zu heften und Prinzessin Peach vor diesem Monster zu retten. Doch dann ist das Spiel für mich plötzlich abgefallen...

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Die sogenannten Königreiche dienen als offene Hub-Oberfläche und sind im Grunde ein großer Sandkasten voller Möglichkeiten, den wir uns nach und nach erschließen. Einige Areale wie das Wüstenland (ein früher Abschnitt) bieten direkt zum Start die komplette Bandbreite an Aufgaben, Überraschungen, Charakteren und toll inszenierten Momenten. Nicht alle Welten sind so umfangreich gestaltet worden, denn es wird grundsätzlich zwischen einem großen und einem kleinen Königreich unterschieden. Zwar hilft die größere Anzahl an Spielwelten der Variation, allerdings nur auf dem ersten Blick, da sich viele Herausforderungen wiederholen oder in der einen oder anderen Form bereits vorkamen. Das zerrt dann zwar nicht unmittelbar am Spielspaß, aber es kommt schon das Gefühl auf, dass hier Zeit gestreckt wurde.

Dieses Gefühl wird zusätzlich verstärkt, weil das Gameplay entsprechend seiner Möglichkeiten beschränkt bleibt. Super Mario Odyssey ist ein 3D-Plattformer, die Interaktionsmöglichkeiten von Mario lassen sich sprichwörtlich an einer Hand abzählen. Um unser Flugschiff, die Odyssey, wieder auf Vordermann zu bringen und Bowsers Fährte aufzunehmen, benötigen wir verschiedene Monde, die in diesem Universum als Energielieferant dienen. In den Königreichen gibt es etliche Exemplare dieser Energiequelle, die wir für das Erfüllen rudimentärer Aufgaben erhalten, in klassischeren Mario-Abschnitten finden (die Zugänge dazu sind überall in den Königreichen versteckt) oder an knifflig zu erreichenden Plattforming-Sektionen. Weitere Monde bekommen wir durch das Vereiteln von Bowsers Plänen, denn das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und die unterschiedlichen Spielwelten.

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Wieder einmal muss Prinzessin Peach gerettet werden, doch in Odyssey spielt sie die Rolle ihres Lebens.
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Nachdem wir die benötigte Menge an Monden gesammelt haben, erfüllt das Aufspüren weiterer Exemplare keinen vorrangigen Zweck mehr, was der Motivation bis nach dem eigentlichen Ende von Super Mario Odyssey schadet. Ein Lichtblick beim Gameplay sind daher die neuen Cappy-Mechaniken unseres hilfsbereiten Hut-Geistes. Seine Schwester Tiara wurde ebenfalls von Bowser gefangen genommen, deshalb hilft er uns aus der Patsche schließt sich uns an. Durch seine Magie erhalten wir Zugang zu speziellen Fähigkeiten und Spielmechaniken. Wir können Cappy zum Beispiel als temporäre Plattform benutzen, um Marios Bewegungsmöglichkeiten umfassend zu erweitern oder sogar fremde Objekte und Charaktere übernehmen.

Wer Cappy auf einen Gegner oder einen Verbündeten schmeißt, der keine Mütze trägt, übernimmt diese Spielfigur und kann anschließend als Gumba, Koopa oder Kugelwilli spielen - und alle haben ihre eigenen Fähigkeiten! Nintendo hat in diesem Segment unheimlich tief in die Trickkiste gegriffen und führt einige Mechaniken ein, die das Herz eines jeden Nintendo-Fans höher schlagen lassen. Wir wollen die wahrhaft fantastischen Ideen nicht vorwegnehmen, aber was der japanische Entwickler hier realisiert hat, das hätte ich mir selbst in meinen Träumen nicht vorstellen können. Diese Liebe zum Detail und das große Maß an Fanservice ist im Hause Nintendo wirklich Ehrensache. Ein bisschen muss ich spoilern, denn der ganze Spaß wird noch einmal verdoppelt, sobald wir Super Mario Odyssey durchgespielt werden. Sollte euch also zwischendurch auch mal die Puste ausgehen, gönnt euch eine Auszeit aber haltet durch.

Spielmechanisch verwandeln wir Mario also regelmäßig in andere Objekte, um damit Geheimnisse und Rätsel in der Spielwelt freizuspielen. Außerdem wird Cappy dazu genutzt Gegner wegzuschubsen, da wir nicht alle Feinde übernehmen können. Wir haben mit Mario das gesamte Spiel über nur drei Lebenspunkte (es gibt aber einen Gegenstand, der das Leben temporär verdoppelt), Super Mario Odyssey ist dadurch deutlich herausfordernder als anfangs gedacht. Einige Zwischengegner und Passagen sind ziemlich knifflig und sollte uns alle Kraft verlassen, starten wir am letzten Checkpunkt neu. Die stehen glücklicherweise an jeder Ecke, Frust wird deshalb nicht aufkommen.

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Einige Zwischengegner und Passagen sind ziemlich knifflig und sollte uns alle Kraft verlassen, starten wir am letzten Checkpunkt neu.

Nintendo hat sich schon im Vorfeld der Veröffentlichung dazu geäußert, dass sie das gängige System mit den Leben verabschiedet haben. In Odyssey verlieren wir bei jedem Spielertod zehn Münzen (selbst wenn wir keine mehr haben - es gibt kein Game Over). Das ist ein Zugeständnis an die fordernderen Passagen von Super Mario Odyssey und dem Drang, allen Spielern - unabhängig ihrer Fähigkeiten - ständig Fortschritte bieten zu wollen. In jedem Königreich gibt es zudem eine eigene Währung mit der wir spezielle Souvenirs und dekorative Gegenstände für die Odyssey kaufen und mit denen wir Mario ulkige Klamotten überstülpen dürfen. Was genau das ist unterscheidet sich von Land zu Land, in einem Reich trägt Mario eine schicke Samurai-Rüstung oder murmelt sich in einen warmen Schnee-Anzug.

Mitten im Spiel habe ich einen Punkt erreicht, der mich zu einer Pause zwang. Obwohl jedes Königreich mit eigenen Ideen aufwartet und durch individuelle Szenarios punktet, hat mir nicht jede Ebene Spaß gemacht. Ich habe bereits anfangs über das Wüstenland gesprochen, das in vielerlei Hinsicht großartig gestaltet ist. Anschließend habe ich einen Waldlevel erreicht, an dem meine Erwartungen hart zerschellt sind. Dieses Königreich ist sicherlich kein schlecht gestaltetes Gebiet, doch ich habe erwartet, dass Nintendo die verrückten Ideen im Spielverlauf steigert (was sie tun - nur nicht in diesem Areal) und nicht alles schon im ersten Land rauspustet.

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Wer Cappy auf einen Gegner oder einen Verbündeten schmeißt, übernimmt den Charakter.

Beim Design hat sich Nintendo sehr viel Mühe gegeben und etliche (wir verraten die genaue Anzahl der Königreiche nicht, manche Personen betrachten das als Spoiler) individuelle Szenarien entwickelt. Es gibt gemütliche Strandpassagen, hektische Unterwasserlevel, Areale über den Wolken und natürlich eine Burg. Das kennen und lieben die Fans, aber sie werden trotzdem von der wahnsinnig offenen, weitläufigen Struktur von Super Mario Odyssey erstaunt sein. Auch wenn die Möglichkeiten der Switch aus technischer Sicht begrenzt sein mögen wird uns eine unglaubliche Weitsicht geboten. Wir erkennen am Horizont bereits, was uns dort erwartet und nehmen einfach die Beine in die Hand und sehen selbst nach. Es gab schon immer größere Mario-Level, doch nichts ist mit der Erfahrung vergleichbar, die uns Super Mario Odyssey bietet.

Trotz dieser Offenheit besticht Mario vor allem in seinen lineareren Gebieten, unter anderem in den meist sehr kurzen, dafür umso großartiger gestalteten 2D-Passagen im Stile der Originalspiele aus den 1980er Jahren. Ich kann wirklich nicht genug betonen, wie fantastisch diese kleinen Abschnitte sind und wie viel Liebe dort hineingeflossen ist (dass unsere aktuellen Klamotten angezeigt werden, trägt aber definitiv dazu bei). Und das ist nur eines von vielen Geheimnissen und Easter Eggs, die es im ganzen Spiel gibt und die uns während der gesamten Reise über ein Lächeln ins Gesicht zaubern werden.

Kommen wir zu einem anderen Gebiet des Spiels, der Steuerung. Grundsätzlich unterstützt Super Mario Odyssey alle bekannten Steuerungseingaben der Switch, allerdings verliert Mario viele von Cappys Fähigkeiten, wenn wir im Handheld-Modus (mit an der Konsole angehefteten Joy-Cons) spielen. Das ist ganz einfach darin begründet, dass viele Optionen an das präzise Schütteln der Joy-Cons gebunden wurden, was sich mit installierter Konsole äußerst schwer gestaltet (denn man müsste seine Switch wie ein Irrer schütteln). Von der Konsole getrennt funktioniert alles wunderbar, die Bewegungssteuerung ist nämlich eine überraschend gute Umsetzung.

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Nachdem wir die benötigte Menge an Monden gesammelt haben, erfüllt das Aufspüren weiterer Exemplare keinen vorrangigen Zweck mehr.

Nintendo hat zwar in der Vergangenheit schon mehrmals ausführlich bewiesen, wie unverzeihlich selbst starke IPs und liebenswürdige Ideen unter der schlecht umgesetzten Steuerungsmechanik der Wii-Remotes litten, doch die Sensibilität der Joy-Cons macht es uns zum ersten Mal möglich, ein Nintendo-Spiel mit diesen Steuerungseingaben zu genießen. Leider - und das muss auch gesagt werden - ist die Bewegungssteuerung noch immer unpräzise. Die Befehle für das Hoch- und Runterwerfen von Cappy zum Beispiel werden ausgeführt, indem wir die Joy-Cons entsprechend hoch- oder herunterziehen. Wenn ihr das selbst probiert werdet ihr schnell feststellen, dass die Erkennung einfach nicht immer funktioniert. Für Spielfrust wird das nicht sorgen, weil man Cappys Repertoire zu keinem Zeitpunkt derart umfassend anwenden muss, um eine gestellte Aufgabe zu lösen.

Beim Spielen im Handheld-Modus fällt zudem auf, dass die Präsentation doch recht deutlich runtergeschraubt wird. Die Weitsicht wird reduziert, die polierte Erfahrung bekommt Ecken und Kanten und selbst der gestautere Bildschirm schafft es nicht, darüber hinwegzublicken. Das tut auch dem neuen Fotomodus nicht gut, der zwar im Grunde sowieso nur bei speziellen Spielerarten zum Einsatz kommt, die sich dann aber entsprechend ärgern werden, dass ihre arrangierten Motive pixelig sind. Der Editor zum Bearbeiten ist grundlegend ausgefallen und bietet einige interessante Filter, aber nichts allzu Spannendes. Eine nette Neuerung, die Liebhaber zu schätzen wissen werden.

Super Mario Odyssey hat leider nur einen Zwei-Spieler-Mehrspielermodus bekommen, der vor allem mit seinem Koop-Gedanken punktet. Während ein Teilnehmer die Rolle von Mario übernimmt, steuert der andere Spieler Cappy und hilft Mario dabei, sicher ans Ende der Levels zu gelangen und dabei die wertvollen Monde zu sammeln. Der Cappy-Spieler kann sich frei in einem bestimmten Gebiet um Mario herum bewegen (wir finden mit einer Taste immer zurück zum Klempner) und ist für das Beseitigen von Gefahren und das Bilden von Plattformen zuständig. Seine Bewegungsfreiheit ist jedoch an die von Mario gebunden, was in voller Bewegung und während zwei Spieler gleichzeitig die Kontrolle über eine Kamera haben, große Koordination erfordert. Dadurch verliert Odyssey etwas vom chaotischen Charme seines Vorgängers, Super Mario 3D World. Da der Wechsel aber flüssig zwischen Zwei-Spieler-Modus und dem Einzelspielererlebnis ist, lohnt sich ein Blick trotzdem.

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Nintendo geht mit der Zeit: Mit neuen Foto-Filtern und Emoticons in der Sprache ist das japanische Unternehmen up to date.

Super Mario Odyssey gehört zu den stärksten Vertretern der Reihe und ist einer der besten 3D-Plattformer, die ich je gespielt habe. Der Titel ist liebenswürdig, bietet unzählige versteckte und offensichtliche Referenzen; das Erlebnis ist ein fantastisches Abenteuer spielerischer Möglichkeiten, das treue Fans unglaublich belohnt. Das Spiel leidet in der Mitte an einigen weniger liebevoll gestalteten Welten und den sich aufgrund der simplen Natur von Plattformern gleich anfühlenden Rätselmechaniken, was allerdings mehr Kritik am Genre ist, als am Spiel selbst. Jump'n'Run-Liebhaber dürfen sich das neue Mario nicht entgehen lassen - hoffentlich habt ihr alle eine Nintendo Switch am Start.

09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
+
Cappy und Marios neue Fähigkeiten; Leveldesign mit unzähligen Mechaniken; kurze Ladezeiten Ladezeiten; Fanservice.
-
Unpräzise Bewegungssteuerung; einige Königreiche sind sehr viel besser als andere; Nintendo fesselt uns mit Super Mario Odyssey an die Konsole.
overall score
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KRITIK. Von Stefan Briesenick

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