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Blackguards

Blackguards

Neuland für Daedalic: Die Hamburger probieren sich an einem Taktik-Rollenspiel. Das Ergebnis hat Ecken und Kanten, ist aber beachtenswert.

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Spiele der alten Garde haben immer ihren Reiz. Es ist nicht nur die Nostalgie für einen speziellen Titel, die mitschwingt, sondern eher der grundsätzliche Stil. Ein Jump'n'Run etwa spielt sich heute doch anders als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren. Auch Rollenspiele haben sich sehr gewandelt. Viele Veränderungen sind wirklich zu begrüßen. Und wenn wir heutige Spiele doch mal kritisieren, dann verklären wir oftmals die Fehler, die sie hatten. In der Erinnerung bleibt nur das Positive haften. Wie frustrierend manche Elemente waren, vergessen wir schnell. Blackguards ruft uns manches davon wieder Erinnerung - im Guten wie im Schlechten.

Es ist für den kleinen Entwickler aus Hamburg der erste Ausbruch aus dem Adventure-Genre. Daedalic Entertainment verbinden wir mit großartigen Spielen wie der Deponia-Reihe oder Edna bricht aus. An einem Rollenspiel haben sie sich bisher nicht versucht. Blackguards ist im Universum von Das Schwarze Auge angesiedelt. Es ist ein rundenbasiertes Taktik-Rollenspiel, das eine durchaus zeitgemäße Präsentation bietet, aber ohne das Element der Erkundung auskommt. Wir ziehen auf einer Oberweltkarte von Kampf zu Kampf und dazwischen gibt es Orte und Städte, die statisch dargestellt werden, in denen wir also nicht herumlaufen können.

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Es gibt sehr viele Stellschrauben für unseren Charakter und es gibt keine Möglichkeit, diese nachträglich neu zu justieren.
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Blackguards beginnt, wie es sich gehört, mit der Charaktererstellung. Im einfachen Modus wählen wir zwischen drei Klassen. Es gibt den Kämpfer für einen starken Helden in der direkten Konfrontation. Wählen können wir auch den Magier, der meist aus der Distanz angreift oder auch heilen und verstärken kann. Der dritte im Bunde ist der Jäger, ein sehr agiler Charakter, der vor allem auf große Distanz austeilt. Ein bisschen schade ist, dass wir optisch nur zwischen fünf verschiedenen Typen wählen können und nichts anpassbar ist.

Im Expertenmodus sind wir nicht so eingeschränkt und bestimmen alle Fähigkeiten, Eigenschaften und das Geschick im Umgang mit den verschiedenen Waffenklassen selbst. Eingangs müssen wir nur entscheiden, ob der Charakter zaubern kann oder nicht. Der vorgefertigte Jäger hat diesbezüglich übrigens auch Sprüche auf Lager und so können wir theoretisch auch einen zaubernden Krieger erschaffen. Wer in dem Spiel allerdings noch nicht fit ist, sollte zunächst im einfachen Modus beginnen. Nicht ohne Grund ist dies ein Rollenspiel der alten Schule und es gibt ziemliche viele Fallstricke.

Tatsächlich beginnt es hier kompliziert und vielleicht auch ärgerlich zu werden. Denn Blackguards vermittelt zwar alles, jedoch wird man eingangs von Informationen förmlich erschlagen. So wird beispielsweise jede Seite, die unseren Charakter und seine Eigenschaften und Fähigkeiten beschreibt, beim Öffnen mit langen Texten erklärt. Und die sollte man tatsächlich lesen, um zu verstehen, wie das Rollenspiel funktioniert. Es gibt sehr viele Stellschrauben für unseren Charakter und es gibt keine Möglichkeit, diese nachträglich neu zu justieren. Und weil wir keine Zufallskämpfe im Spiel haben, sondern im Grunde bereits feststeht, wie viele Erfahrungspunkte wir sammeln, können wir uns schnell in eine Sackgasse manövrieren und müssen das Spiel dann womöglich von vorn beginnen.

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Die Karten sind Hexfelder und wollen wir einen Feind aus der Ferne treffen, so ist es wichtig, ihn im Sichtfeld zu haben.
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Weil wir aber am Anfang des Spiels nur wenige Fähigkeiten nutzen und noch nicht so recht wissen, wo die Reise spielerisch hingeht, erreichen wir schnell den beschriebenen Moment. Ich würde sogar behaupten, dass die meisten Spieler das Abenteuer von vorn starten müssen, wenn sie nicht auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad spielen wollen. So gibt es etwa relativ zu Beginn eine Karte, auf der wir unter Zeitdruck in fünf Runden eine Frau retten müssen, bevor sie gehängt wird. Ohne einen Fernkämpfer ist das kaum zu bewerkstelligen. Auf anderen Karten gibt es so viele Gegner, dass dem Magier schnell die Puste ausgehen kann. Gleichzeitig werden wir aber auch in den taktischen Kampf eingeführt, wonach wir etwa Kisten bewegen oder umwerfen können. Weil dieses Element aber anfangs kaum eine Rolle spielt, gibt es keine schöne Lernkurve.

Die Karten sind Hexfelder und wollen wir einen Feind aus der Ferne treffen, so ist es wichtig, ihn im Sichtfeld zu haben. Die Charaktere haben einen zweistufigen Aktionsradius, in dem sie sich bewegen können. Bewegen sie sich weiter als über den ersten Radius hinaus, können sie keine Aktion mehr durchführen. Der Blickwinkel lässt sich so verändern, dass wir die Karte aus der Vogelperspektive sehen. Allerdings gibt es manchmal Felder, die wir aus dieser Sicht nicht gut erreichen, was ärgerlich und unverständlich ist. Schauen wir nur von vorn auf die Karte, entgehen uns wiederum Dinge, die hinter großen Objekten sind.

Außerdem bieten die Karten verschiedene taktische Elemente wie beispielsweise Sümpfe, brennbare Dinge, Kisten und Schutzwälle. Manchmal gibt es auch versteckte Fallen, die geübte Charaktere mit entsprechenden Fähigkeiten enttarnen. Besonders schön sind jene Karten, die interaktiv sind - uns ein tödlicher Nebel verfolgt oder Stalaktiten von oben herabstürzen. Dadurch wird Abwechslung in die ansonsten sehr ähnlich ablaufenden Gefechte gebracht.

Blackguards
Die Präsentation ist ziemlich in Ordnung, wenn wir berücksichtigen, was für ein kleines Studio Daedalic Entertainment eigentlich ist.

An manchen Stellen erinnert Blackguards fast an ein Puzzle, dass wir lösen müssen. Die richtigen Charaktere mit den richtigen Eigenschaften sollen zu den richtigen Punkten zum richtigen Zeitpunkt bewegt werden. Machen wir einen Fehler, kann das bereits das Aus bedeuten. Das ist ziemlich fies und ist ein Element, das moderne Spiele versuchen würden zu vermeiden. Denn Frust sorgt nicht immer für Lust. Vor allem nicht, wenn wir oft genug auf der Stelle treten und nicht vorankommen. Allerdings ist es genau diese Tiefe, die Blackguards auch so besonders macht. Das hier ist kein Spaziergang, sondern wir werden richtig gefordert und müssen uns reinhängen, um das Spiel zu schlagen.

Da es sich um ein Taktik-Rollenspiel handelt, geht es natürlich nicht nur um Geschick und Können, sondern ein bisschen auch um Glück. Weil auch eine Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent zweimal hintereinander in die Hose gehen kann, müssen wir viele Kämpfe wiederholen, da zwischendurch auch nicht gespeichert werden darf. Auch dies sorgt für eine gewisse Trägheit und Ärger. Ich persönlich fühlte mich an sehr frustrierende Stunden mit Dungeons & Dragons: Eye of the Beholder erinnert. Allerdings ist dieses Element ein fester Bestandteil des Genres und daher einzig und allein deswegen lästig, weil gerade anfangs manche Karten nur geschafft werden können, wenn eben eine gute Portion Glück mit dabei ist.

Die Handlung ist leider nicht der Rede wert. Das Spiel startet in einem Gefängnis, aus dem wir mit einem Zwerg und einem Magier fliehen, die sich dann unser Gruppe anschließen. Wir sind des Mordes angeklagt und uns plagen über den Tatvorgang allerdings große Gedächtnislücken. Daher versuchen wir nun herauszufinden, was eigentlich vor sich geht. Die Erzählung ist dabei ebenso mit Klischees beladen wie eigentlich sämtliche Charaktere im Spiel.

Blackguards
Glücklicherweise nimmt das Abenteuer aber gegen Ende dann doch noch Fahrt auf, aber bleibt trotzdem blass.

Ausgerechnet die Profis aus Hamburg bekleckern sich hier nicht mit Ruhm. Das Abenteuer ist daher leider nicht besonders originell, aber zum Glück auch nicht staubtrocken, wie es Geschichten im Universum von Das Schwarze Auge durchaus auch sein können. Bis zum dritten Kapitel kommt Blackguards trotzdem nicht so richtig in Schwung und viele Dialoge klickt man ungehört und ungelesen einfach weg. Glücklicherweise nimmt das Abenteuer aber gegen Ende dann doch noch Fahrt auf, aber bleibt trotzdem blass.

Die Präsentation ist ziemlich in Ordnung, wenn wir berücksichtigen, was für ein kleines Studio Daedalic Entertainment eigentlich ist. Auch bei der deutschen und englischen Sprachausgabe wurde sehr gute Arbeit geleistet, wenngleich die erzählte Geschichte dadurch nicht besser wird. Unterm Strich ist Blackguards aber ein gelungener Einstand, auch wenn es viele Ecken und Kanten hat. Daedalic Entertainment hat gerade im Early-Access-Prozess viel mit der Community zusammengearbeitet und die wünschte sich diese rustikale Erfahrung im alten Stil. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man in Hamburg über einen Nachfolger nachdenkt. Und mit etwas Glück wird die Spielerfahrung runder und damit auch für jene interessant, die Taktik-Rollenspielen gegenüber zwar aufgeschlossen sind, aber trotzdem auf gewisse Standards nicht verzichten wollen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
taktische Tiefe, Charakter darf frei entwickelt werden
-
Handlung und Charaktere voller Klischees, schwerer und verwirrender Einstieg
overall score
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